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Soziallage in Luxemburg-Stadt„déi Lénk“ will lieber diskutieren statt verschweigen

Soziallage in Luxemburg-Stadt / „déi Lénk“ will lieber diskutieren statt verschweigen
Die Soziallage in der Stadt Luxemburg, eine Herzensangelegenheit für die städtischen Gemeinderäte Ana Correira da Veiga und Guy Foetz  Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Bereits vor zwei Jahren hatte die Stadt Luxemburg dem Institut für sozio-ökonomische Untersuchungen LISER den Auftrag erteilt, die Soziallage in der Stadt zu untersuchen. Die Entscheidung wurde damals einstimmig angenommen. Seit April liegen die ersten Untersuchungsergebnisse vor. Auf die Tagesordnung des Gemeinderates haben sie es allerdings noch nicht geschafft. Hier will „déi Lénk“ jetzt Dampf machen.

Die Gemeindewahlen werfen ihre Schatten voraus, die Parteien müssen allmählich sichtbar werden. Die beiden hauptstädtischen Gemeinderäte von „déi Lénk“, Ana Correira da Veiga und Guy Foetz, haben das jetzt mit einer Frage gemacht, die ihnen seit sechs Monaten am Herzen liegt.

Das war nämlich der Zeitpunkt, an dem das Institut für sozio-ökonomische Untersuchungen LISER einen Bericht vorlegte, der die soziale Lage in der Hauptstadt analysieren soll, „um den politisch Verantwortlichen Hilfe zu leisten“, wie es in der Entscheidung hieß, die am 6. Juli 2020 einstimmig angenommen wurde.

„Ist der Bericht nicht so ausgefallen, wie man das erwartet hatte? Ist die multikulturelle Vielfalt der Hauptstadt nicht so schön, wie häufig dargestellt?”, fragt Guy Foetz. Seine Einschätzung ist jedenfalls negativ. Die Stadt falle in den Bereichen Einkommen, Wohnlage, Bildung und Sozialleben auseinander, so seine Feststellung.

Eines hat die Einladung von „déi Lénk“ bereits erwirkt: Der Bericht steht seit gestern auf der Internetseite der Stadt Luxemburg (www.vdl.lu/fr/la-ville/engagements-de-la-ville/actions-sociales/plans-communaux-sociaux), nachdem er bislang unter dem Vorwand der Prüfung durch die einzelnen Kommissionen noch nicht publik war. „Das reicht uns nicht. Wir wollen auch öffentlich darüber diskutieren können“, so die beiden Gemeinderäte.

Unbequeme Wahrheiten

Vier große Fragen wollen sie analysiert und beantwortet sehen. So wurde beim Einkommen der Hauptstadtbewohner festgestellt, dass 22 Prozent der Lohnempfänger unter der Armutsgrenze liegen. Das sind vier Prozent mehr als im restlichen Land. Ein Drittel, rund 11.000 Personen, leben in den Stadtvierteln Bahnhof und Bonneweg-Süd, weitere in den Unterstädten, in Eich und in Beggen.

Die Unterschiede sind jedoch nicht nur geografisch. Von den Einwohnern der Hauptstadt üben 66% einen hochqualifizierten Beruf aus. Das sind allen voran die Deutschen, gefolgt von den Belgiern, den Franzosen und den Luxemburgern. Weit abgehangen sind dagegen die Portugiesen und Kapverdier, die hauptsächlich im Bausektor oder in der Dienstleistung tätig sind und die sich in den kritischen Stadtvierteln wiederfinden. Gekoppelt mit diesen Problemen, machen dann auch noch die Themen Obdachlosigkeit und Drogenmilieu die besagten Viertel unsicher. „Wir stellen die vom Schöffenrat stets betonte Sicherheit in diesen beiden Vierteln infrage“, so Foetz und Correira da Veiga.

Vernachlässigte Bereiche

Schlecht weg kommt auch die Bautenpolitik. Mit knapp über zwei Prozent Sozialwohnungen hinkt die Hauptstadt im internationalen Vergleich hinterher. Das benachbarte Trier habe fast 15 Prozent Sozialwohnungen. „déi Lénk“ fordert eine Aufstockung bis auf zehn Prozent. Die Stadt besitze verhältnismäßig viel Baugelände und könne Abhilfe leisten.

„déi Lénk“ nutzte die Gelegenheit, um auch auf die Unterschiede in der Schulpolitik und bei den para-schulischen Infrastrukturen hinzuweisen, die sie ebenfalls immer wieder thematisieren. So besucht fast die Hälfte der in der Hauptstadt lebenden Kinder private Grundschulen. Wenn das einerseits, angesichts der hohen Ausländerzahl, verständlich sei, so ist die Feststellung, dass auch nur 77 Prozent luxemburgische Kinder in die öffentliche Schule gehen, doch alarmierend. Die Schule müsse sich anpassen, fordert Correira da Veiga, mit Verweis auf fehlende Plätze in den Foyers, unausgeglichene Klassen und den Unterschied zwischen Ganztagsschulen und der hier üblichen Aufteilung zwischen Schule und „Maison relais“.

Den Einwand, das Erziehungswesen sei eine nationale Frage, lässt sie nicht gelten. Wenn die Gemeindeverwaltung genügend Druck mache, könne sie viele Verbesserungen erreichen. Und weil die Gemeindewahlen nicht mehr sehr weit weg sind, ist natürlich auch das Ausländerwahlrecht ein Thema. Bezeichnend ist für Guy Foetz die Feststellung, dass von den 80.000 Nicht-Luxemburgern, die 2018 in der Hauptstadt wohnten, nur knapp 6.700 an den Wahlen teilnahmen. „Wir müssen die Leute ermutigen“, heißt es wiederum mit dem Verweis auf eine entsprechende Motion, die allerdings bislang ohne Echo blieb.