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Forum / Das wandelnde Chamäleon
 Foto: AFP/Frederick Florin

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Die Europäische Union ist eine Institution, offiziell am 1. November 1993 in Maastricht gegründet, deren Leitlinie in der Präambel die Idee einer „immer engeren Union der Völker Europas“ nahelegt. Diese Idee ist heute wichtiger denn je, denn vor dem neuesten Hintergrund eines nahenden Krieges in Osteuropa, dessen Ausmaß alle Menschen in Europa fürchten sollten, müssen wir als Bürger der Europäischen Union eine klare Stellung zu unserem Europa nehmen.

Probleme gibt es viele innerhalb der Gemeinschaft, Staaten, die sich untereinander interne Machtkämpfe liefern, seien es die bekanntesten Fälle von Polen oder Ungarn – Letzteres, das gar die erste richtige Diktatur innerhalb der EU gegründet hat, unter dem Einfluss des korrupten und alles andere als weltoffenen Egozentrikers Orban. Meiner Ansicht nach sind es hauptsächlich die Balkan-Länder, die im aktuellen Konflikt zwischen der Ukraine und Russland Stellung nehmen müssen. An deren Verhaltensweise wird man sehen, wie gefestigt die Europäische Union als Ganzes dasteht.

Aus Sicht der westeuropäischen Mächte, zu denen auch wir als Großherzogtum gehören, muss sich unter allen Umständen an die Doktrin früherer Generationen gehalten werden, nämlich dass ein Krieg um jeden Preis verhindert werden muss.

Die zeitlosen Worte des Albert Einstein müssen stets im Hinterkopf sein: „I know not with what weapons World War III will be fought, but World War IV will be fought with sticks and stones.“
Nun, durch unsere heutige Technologie würde sich ein Krieg mit Sicherheit anders darstellen als noch vor 100 Jahren. Wäre er deswegen weniger grauenhaft? Wohl kaum.

Denn Putin und Russland sind auf dem besten Wege, alle Menschenrechtskonventionen, die zum Schutz der Bürger in der Welt dienen und zu deren Frieden beitragen sollen, mit gezieltem Machtmissbrauch und einer Bagatellisierung ihres Treibens mit Füßen zu treten.

An dieser Stelle aber, anstatt in fatalem Selbstmitleid zu versinken, ist es an der Zeit, etwas zu unternehmen.
Luxemburg ist das Land, das von allen in der EU vertretenen Ländern am meisten von seiner vielseitigen Meinungs- und Handlungsfreiheit profitiert, und das nicht erst seit gestern.
Hervorragende Politiker, die dieses Land hervorgebracht hat, sei es Gaston Thorn, oder aber Jean-Claude Juncker, waren große Pro-Europäer, die vielmehr durch Taten als durch utopische, unpassende Reden geglänzt haben.

Populismus und Zersplitterung der Parteienlandschaft

Zu diesen Zeiten gab es weniger aggressiven Populismus, wie wir ihn heute oftmals und in fast allen Ländern Europas miterleben. Ein Problem, das, wie man heute sieht, zur Zersplitterung der Parteienlandschaft führt und dazu, dass die Menschen ganz bestimmte grundlegende soziale und zwischenmenschliche Werte und Ansichten haben, die sie durch den Großteil der etablierten Parteien nicht vertreten sehen. Es herrscht die allgemeine Meinung, die politische Elite in Europa würde die Macht nur unter sich teilen, was auch daran liegt, dass gerade luxemburgische Politiker, die hierzulande „ausgedient“ haben, mehr und mehr den Weg in die EU finden, sei es in der Kommission oder im Parlament.

Die Menschen möchten in der Politik in Luxemburg, in einer Zeit, in der es nur so an Krisen wimmelt, eine sichere Basis haben. Finanzielle, soziale oder zwischenmenschliche Konflikte sollten nie Überhand nehmen.

Unsere Gesellschaft befindet sich in einem ständigen Wandel, genau wie die Europäische Union.
Ganz logisch ist, wenn man die Politik des Europas von 2022 analysiert, dass sich Leute eher ihrem Heimatland als der EU zugehörig fühlen; und genau hier ist das Problem: 26 Mitgliedstaaten, die teils untereinander sehr enge Verbindungen haben, die schon über mehrere Jahrhunderte zurückreichen. 26 Staaten, die sich über alles Mögliche einigen müssen; es kommt häufiger zu Auseinandersetzungen mit Ostblockstaaten, die sich Russland oft stärker verbunden sehen als der Union, in der sie aber mitbestimmen; diese Staaten führen ein doppeltes Spiel, und es sind diese Staaten, die im Fall eines Einfalls Russlands in der Ukraine in der Pflicht stehen, pro-europäisch zu handeln.

Der EU fehlt es in meinen Augen an einem klaren Leader, der die Völker Europas vereint, einen europäischen Traum als Gegenstück zum „American Dream“ ausklügelt und schlussendlich einen gemeinsamen europäischen Staat errichtet, auf Basis der Präambel, eine neue europäische Konstitution zu formen.
Erst dann könnte sich die EU als einflussreicher, geschlossener Player mit klaren Interessensvorstellungen positionieren. Solange das nicht gelingt, werden populistische, ketzerische Parteien, sei es links oder rechts, nicht weniger.

Europas Identität stärken

Es bleibt abschließend nur zu sagen: So etwas wie eine „europäische Identität“ kann und muss auf Grundlage unserer jeweiligen nationalen Identitäten geschaffen werden, heute stärker als je zuvor.
Die starken sechs, die Gründungsmitglieder der EU, sind jetzt in der Pflicht. Denn sie waren es, die diese Idee der „Vereinigten Staaten Europas“ hervorbrachten; es ist deren Aufgabe, enger und stärker denn je zusammenzuarbeiten, um ihre Völker, ihr Europa, mit all seinen Facetten, stärker und selbstbewusster gegenüber den Weltmächten China, Russland und den USA zu machen.

Die Pandemie hat uns gezeigt, wie wichtig Werte wie zwischenmenschlicher Zusammenhalt und Liebe zu seinen Nächsten in unserer schnelllebigen Gesellschaft sind. Jetzt ist die Zeit gekommen, in sich zu gehen und sich selbst und seine Vorurteile und Einstellungen zu allen möglichen Themen zu hinterfragen, um eine bessere Welt für sich selbst und für die nachfolgenden Generationen zu schaffen.

Der Wunsch nach einer offenen und freien Welt, frei von Krieg und Leid, ist nach wie vor utopisch, weil wir in einer von Vorurteilen zerfressenen Gesellschaft leben, doch mehr Offenheit und Transparenz innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ist schwierig, aber möglich. Wenn die Menschen sich mehr für Politik interessieren und an Vorgängen aktiv beteiligen, dann wird aus der auf Machtkonzentration einer sogenannten Elite ausgelegte „Top-down“-Politik kontinuierlich eine „Bottom-up“-Politik; hier ist die Schweiz hervorzuheben, die durch ihre Art, Politik zu betreiben, ein Alleinstellungsmerkmal in Europa entwickelt hat.

Es gibt viele Elemente, die wir auf ganz Europa anwenden könnten: das skandinavische Bildungssystem, welches sehr akkurat ist darin, Schüler gezielt auf ihr späteres Leben vorzubereiten, unter anderem durch viel praktische Arbeit. Denn alles beginnt an der Wurzel – und als ehemaliger „Remplaçant“ im luxemburgischen Schulsystem kann ich nur sagen: die kulturellen Unterschiede, selbst in Luxemburg, variieren von Gemeinde zu Gemeinde, von Dorf zu Dorf.

Es fehlen klare politische Leitlinien, und die Einzigen, die unter den Machtspielchen zwischen Professoren und Minister leiden, sind SchülerInnen und StudentInnen, die zu den aufstrebenden Generationen gehören und unter vielerlei Skandalen sowohl in unserem Kleinstaat als auch im Rest der Welt leiden.

Der Aufruf ist klar: Letztendlich sind wir alle Europäer, alle Menschen. Klare Regeln, eine klare Identität und eine vorurteilsfreie, starke, tolerante Gesellschaft sind die Basis für eine bessere Zukunft. Dafür müssen wir stehen, denn eine Alternative gibt es nicht. Jeder Einzelne muss für sich bewerten, was ein Krieg und dessen verheerendes Ausmaß hier in Europa bedeuten würde; denn wir sind im Jahr 2022, und seit 77 Jahren gab es glücklicherweise keinen Krieg mehr hierzulande. Wir müssen zeigen, dass wir aus der Geschichte, den Taten und den Fehlern unserer Vorfahren gelernt haben.

* Yannick Speck ist Student in Politikwissenschaften

HTK
16. Februar 2022 - 9.30

".. müssen wir als Bürger der Europäischen Union eine klare Stellung zu unserem Europa nehmen." Das "europäische Volk" wäre sicher einverstanden,sogar ein Großteil der Brexiteers von der BoJo-Insel.Aber was ist mit den Nasen um eine Uschi Leyen(von der).Als Ministerin war sie doch eher bescheiden und sie und die legendäre AKK haben die Bundeswehr zu einer Sandsack-Truppe gemacht die nur bei Hochwasser eingreifen darf. Mit der Konstellation kann man bei Supermächten keinen Respekt einfordern.Derweil die Deutschen sich über Schroeder (Gas-Gerd)und Merkel von Ru(ß)land abhängig gemacht haben,strebt ein Macron zur Unabhängigkeit von diesen Regimen. Das wird wohl der richtige Weg sein.Jedenfalls solange das russische und chinesische Volk stillhalten und sich von Diktatoren manipulieren lassen.

Beobachter
16. Februar 2022 - 8.29

Und der US Wolf im Schafspelz wird nicht müde den grossen Bären verdrängen zu wollen!