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„Das Klima ist vergiftet“: Jean-Luc De Matteis (OGBL) über den Tarifkonflikt in der Baubranche

„Das Klima ist vergiftet“: Jean-Luc De Matteis (OGBL) über den Tarifkonflikt in der Baubranche

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Im Bausektor wütet derzeit ein Tarifstreit: In Luxemburg demonstrieren heute Arbeitnehmer bei einer Demo der Gewerkschaft OGBL. Überraschend findet parallel dazu eine Kundgebung des LCGB in Esch statt.

Im Bausektor wütet derzeit ein Tarifstreit. In Luxemburg demonstrieren heute Arbeitnehmer bei einer Demo der Gewerkschaft OGBL. Überraschend findet parallel dazu eine Kundgebung des LCGB in Esch statt. Das Tageblatt sprach mit Jean-Luc De Matteis über den Tarifkonflikt. Er ist beim OGBL zuständig für den Bausektor.

Tageblatt: Im Streit im Bausektor sagen sowohl die Arbeitgeber als auch die Gewerkschaften, sie seien gesprächsbereit. Warum funktioniert das trotzdem nicht?
Jean-Luc De Matteis: Der Beginn des Problems liegt schon lange zurück. Der Kollektivvertrag besagt, dass wir fünf Monate vor Ablauf des Vertrages neue Verhandlungen aufnehmen müssen. Wir haben das respektiert. Im März 2016 haben wir gesagt, wir wollen reden. Wir finden es auch wichtig, über so etwas zu verhandeln. Allerdings hat es bis Februar 2017 gedauert, bis wir uns das erste Mal gesehen haben – also praktisch ein Jahr später. Bei Rückfragen hatte es immer geheißen, die Arbeitgeber seien dabei, etwas auszuarbeiten. Irgendwann hatten wir genug und haben ihnen ein Ultimatum gestellt. Im Dezember haben wir (ohne die erste Sitzung abzuwarten) einen Forderungskatalog geschickt. Wir hätten es bevorzugt, uns zu sehen, denn mit Schriftverkehr kommen wir nicht vom Fleck. Bei der Sitzung im Februar 2017 sind wir dann gegen eine Mauer gelaufen. All unsere Forderungen wurden sofort abgelehnt.

Ist das nicht üblich bei Verhandlungen? Eine Seite stellt eine Forderung, die andere Seite lehnt sie ab und man trifft sich in der Mitte?
Ja. Natürlich muss jeder seine Position verteidigen. Aber die Art und Weise, wie verhandelt wird, ist wichtig. Es ist möglich, solche Verhandlungen in beidseitigem Vertrauen zu führen. Wenn es allerdings schon ein Jahr dauert, bis die Verhandlungen beginnen, stehen bereits eine Reihe Fragen im Raum. Der Kollektivvertrag war schon ausgelaufen. Es stellt sich damit die Frage der Retroaktivität eines neuen Vertrages. Die Verhandlungen begannen also bereits ganz schlecht. Als dann noch unsere Position komplett abgelehnt wurde, haben wir verlangt zu wissen, was denn nun die Position der Arbeitgeber war. Hinzu kam dann noch, dass die Arbeitgeber über das Thema Alkohol auf der Baustelle diskutieren wollten.

Ein Thema, das Sie zuvor also nicht angesprochen hatten?
Nein. Der Kollektivvertrag sieht bereits vor, dass Alkohol auf der Baustelle verboten ist. Das ist auch normal. Es ist ein riskanter Beruf und es besteht eine Gefahr für die eigene Gesundheit und die Gesundheit von anderen. Wir stehen hinter dem Alkoholverbot. Die Arbeitgeber wollen nun das Recht haben, Kontrollen durchzuführen, wann und wie sie wollen. Unsere Position ist, dass es bereits Gesetze gibt und dass dafür die Arbeitsmediziner und die Polizei zuständig sind.

Wenn ein Verantwortlicher in einem Unternehmen glaubt, dass ein Mitarbeiter getrunken hat, kann er ihn zum Arbeitsmediziner schicken. Der ist Arzt und hat die entsprechende Ausbildung, um zu entscheiden, ob jemand arbeitsfähig ist oder nicht. Dazu machen unsere Delegierten viel Aufklärungsarbeit über die Arbeitssicherheit und das Thema fällt in diesen Bereich. Wir waren also schockiert, dass die komplette Verhandlung über den Kollektivvertrag von etwas handelt, das sowieso im Kollektivvertrag steht: Alkohol ist verboten! Das zeigt auch die schlechte Meinung über die Arbeitnehmer.

Am 31. März kam ein Schreiben und es kam knüppeldick. Alle Forderungen wurden abgelehnt. Eine Erhöhung der „Reallöhne“ wurde auch abgelehnt. Wir hatten eine Erhöhung von 4,5% der „Reallöhne“ gefordert.

Was verstehen Sie unter „Reallöhne“?
Nur 30 Prozent der Mitarbeiter liegen auf den Tariflöhnen. Die anderen Mitarbeiter liegen irgendwo dazwischen. Dieses Problem hat eine besondere Ursache.

Welche Ursache?
Vor 16 Jahren wurde das „Institut de formation sectoriel du bâtiment“ (IFSB) gegründet. Im Kollektivvertrag wurde festgehalten, dass die Mitarbeiter eine Qualifikation erwerben müssen, um mehr Lohn zu erhalten. Zuvor stieg der Lohn durch die Dauer der Betriebszugehörigkeit. Dies wurde durch diese Weiterbildungen ersetzt. Wenn der Arbeitgeber nicht will, dass die Arbeitnehmer hingehen, dann übt er Druck auf sie aus. Zweitens ist irgendwann ein Niveau erreicht, bei dem der Arbeitgeber sein Einverständnis geben muss.

Das heißt, wenn der Arbeitgeber keinen weiteren „chef d’équipe“ braucht, lässt er die Mitarbeiter nicht zu Fortbildungen gehen?
Das würde ich ja noch verstehen. Aber beim Niveau B3 handelt es sich um einen „erfahrenen Mitarbeiter“ und bereits dort ist er blockiert. Irgendwann sind die Mitarbeiter ihr ganzes Leben lang auf dem Niveau B2 blockiert – ohne Perspektive. Noch viel perverser ist, dass der Arbeitgeber jemanden in die Fortbildung schicken kann und dann sagen kann, dass er niemanden vom Niveau B3 braucht. Das bedeutet, der Mitarbeiter hat die Qualifikation eines B3, wird aber als B2 bezahlt.

Wie verhält sich das mit den Löhnen?
Da die Mitarbeiter unzufrieden sind, fragen sie nach Gehaltserhöhungen. Dann erhalten sie ein paar Cent mehr die Stunde und liegen damit außerhalb der Tariflöhne. Das heißt, wenn jemand 15 Cent über dem Tariflohn liegt, und ich verhandele nur die Tariflöhne, dann profitieren die Menschen, die dazwischen liegen, nicht davon.

Bedeutet das, damals, als das entschieden worden ist, wurde ein Fehler gemacht? Wurde nicht darauf geachtet?
Das war ein Verhandlungsresultat. Die Sache mit B2-B3 war klar. Es wurde aber gesagt, dass jeder in eine Fortbildung gehen kann. Das ist aber nicht passiert. Die Arbeitgeber sagen zu den Leuten: „Du gehst nicht in eine Fortbildung. Ich gebe dir ein paar Cent mehr und gut ist es.“ Dieses Phänomen hat dazu geführt, dass im Moment 70 Prozent – das sagt sogar das Patronat – außerhalb der Lohntabelle liegen.

Dazu kommt, dass das administrative Personal nicht im Kollektivvertrag ist …
Wir fordern – und das war eine Übereinkunft 2013 –, dass auch das administrative Personal in den Kollektivvertrag kommt. Im Moment fallen diese nicht hinein. Das bedeutet, sie haben keine Gehälterstruktur. Sie haben keine 27 Tage Urlaub. Sie haben nicht die gleichen Rechte wie die Arbeitnehmer, die am Bau arbeiten. Das ist für uns eine Ungerechtigkeit. Deshalb stand bereits im Abschluss 2013, dass wir binnen der nächsten drei Jahre darüber diskutieren. Das Patronat hatte gesagt, dass es uns ein fertiges Modell unterbreiten werde. Es wollte das mit seinen zwei Verbänden koordinieren und wir wollten das nicht sofort torpedieren. Bis heute liegt uns das nicht vor.

Wieso gibt es hier überhaupt einen sektoriellen Kollektivvertrag und nicht einzelne in den Unternehmen?
Die Aktivität dieser Unternehmen ist immer die gleiche. Es gibt kleinere und größere Betriebe, aber der Markt ist immer der gleiche. Die Arbeitsbedingungen sind immer die gleichen. Das sieht auch das Patronat so. Es wäre dramatisch, wenn es keinen Kollektivvertrag oder keinen sektoriellen Kollektivvertrag mehr geben würde. Dann könnte jeder bezahlen, was er will. Dann hätten wir Sozialdumping. Der Kollektivvertrag ist die beste Waffe gegen Sozial- und Lohndumping, weil so jedes Unternehmen, das in diesem Sektor aktiv ist, einen Kollektivvertrag hat und sich an die Spielregeln halten muss. Gleichzeitig wird ein gesundes Klima geschaffen. Das ist etwas, das das Patronat manchmal vergisst.

Das Klima derzeit ist allerdings nicht gut.
Das ist klar. Das Klima ist vergiftet. Die Menschen warten seit fünf Jahren auf Gehaltserhöhungen. Der letzte Kollektivvertrag wurde während der Krise, die ganz Europa betraf, verhandelt. Luxemburg wurde relativ verschont. Das haben wir auch einer antizyklischen Investitionspolitik zu verdanken. Viele Baustellen, die erst in drei Jahren geplant waren, wurden vorgezogen, um die Aktivität auf einem gewissen Niveau zu halten. Gerade befinden wir uns aber in einem Boom. Die Produktivität steigt. Die Auftragsbücher sind gefüllt. Das sagen die Arbeitgeber selbst. Die Prognosen von Eurostat und Statec für die nächsten drei Jahre sind positiv. Die Arbeitgeber finden keine Fachkräfte.

Hat man, wenn man Fachkräfte sucht, nicht ein Interesse daran, die bestmöglichen Arbeitsbedingungen zu bieten?
Selbstverständlich. Die Arbeitgeber schießen ein Eigentor. Ich kann nicht erwarten, gutes qualifiziertes Personal zu finden, wenn ich nicht anständig bezahle. Junge Menschen kommen nicht zu uns arbeiten. Die Menschen, die bei uns arbeiten, sind qualifizierte Arbeiter mit viel Erfahrung. Aber warum will niemand Junges sich bei uns im Sektor engagieren? Weil wir ihnen keine Sicherheiten bieten und keine Löhne, die der Arbeit entsprechen. Die Arbeitsbedingungen am Bau sind schwer – klimatisch, körperlich, stressbedingt –, das kann man nicht leugnen. Aber bereits 2013 hat sich angekündigt, dass die Arbeitgeber keine Leute mehr finden. Sie selbst haben gesagt, dass sie die ganze Großregion abgegrast haben. Wenn wir es nicht fertigbringen, dass der Sektor attraktiv bleibt mit seinen Löhnen, Arbeitsbedingungen, der Sicherheit und so weiter, finden wir niemanden mehr.

Jang
5. Juli 2018 - 19.09

Haaptsaach ass dass Bau-Bonzen hir Portemonnien gudd
könne föllen,den Rescht ass eng Niewesaach.