Das historische Postgebäude am «Centre Aldringen» in Luxemburg-Stadt beschäftigte letzte Woche das Parlament. Momentan leer stehend, ist die Zukunft nach wie vor ungewiss. Grund genug, die Geschichte der ehemaligen Post unter die Lupe zu nehmen.
Von Robert L. Philippart
Seit 1974 war die Hauptpost in der Aldringen-Straße Kulisse eines emsigen Busbahnhofs. Zuvor war das mächtige Gebäude durch den Bau der Aldringen-Schule verdeckt. Bald wird das erhabene Gebäude einen neuen zentralen Stadtplatz beherrschen und im Mittelpunkt des städtischen Raumes stehen.
Neben dem Bau der Eisenbahn gehört der Aufbau eines modernen Postwesens mit zu den größten Errungenschaften zum wirtschaftlichen Aufbau Europas. Die Zahl der Beschäftigten im Dienstleistungsbereich der Postbehörde wuchs rasch. Telegrafie und Post vereinigten sich als P&T. Zwischen 1867 – Jahr der Öffnung der Stadt Luxemburg – und 1907 hatte sich das Volumen an Schriftverkehr mehr als verzehnfacht. Neue Dienstleistungsbereiche werden geschaffen. Die Paketpost wird nach dem Aufbau des Schienennetzes neu aufgestellt (1873), die Telefonzentrale wird 1883 geschaffen. 1910 fahren die ersten Postkutschen mit Motorantrieb. 1911 wird der Postbankscheck eingeführt.
Erste Baupläne 1855
Das erste Projekt zum Bau eines Postgebäudes führt auf das Jahr 1855 zurück. Eigentlich ging es darum, diesem neu aufgebauten nationalen Dienstleister funktionale Räumlichkeiten im Rahmen eines zentralen Regierungssitzes zu schaffen. Doch das Postamt, welches damals über eigene Büros in der rue Philippe II verfügte, bevorzugte einen separaten Bau am Wilhelmsplatz. Das Postamt hätte zusammen mit einer gedeckten Markthalle eine zentrale soziale Funktion auf Luxemburgs größtem Platz geschaffen. Der Paradeplatz diente damals fast ausschließlich militärischen Zwecken. Das Projekt am Wilhelmsplatz wurde niemals ausgeführt.
Bei der Auflösung der Festung fielen rechtlich sämtliche Festungsanlagen, Gebäude und Grundstücke an den Staat. Viele historische Zivilbauten der Festung konnten jetzt für Verwaltungszwecke genutzt werden. Die Steuerverwaltung, das Katasteramt, das Zollamt, der Rechnungshof sowie die Postbehörde wurden im ehemaligen Gebäude des «Génie militaire» in der rue Monterey untergebracht. Zwei Pförtnerwohnungen garantierten ständig die Anwesenheit von Sicherheitsbeamten.
Die «Maison du Roi» an der Ecke Monterey und Aldringen-Straße war zu Beginn des 18. Jahrhunderts für die Familie Bisserot errichtet worden. Der «Conseil du Roi» war 1736 in dieses Haus eingezogen, welcher ihm den Namen der «Maison du Roi» verlieh. Er sollte bis zu seiner Auflösung hierbleiben. Die französischen Machthaber hatten das mächtige Gebäude 1795 als Sitz des Genieregimentes der Festung hier neu genutzt.
Doch die Ballung mehrerer Dienststellen auf kleinstem und nicht geeignetem Raum führte zu Schwierigkeiten und mehreren Umbauarbeiten. Die Lage wurde 1877 aufs Heftigste beklagt, doch erst 1883 konnte die Postverwaltung das Haus allein übernehmen. 1877 hatte Staatsarchitekt Charles Arendt zur Entlastung des Hauptpostamtes ein zweites Postgebäude am Bahnhofsplatz errichtet (Standort: Abfahrt der städtischen Busse). Dieses wurde 1912 abgetragen.
Aus Alt macht Neu
Seit der Aufnahme der Arbeit der Postverwaltung im «Genie-Gebäude» hatte sich das nahe Umfeld stark entwickelt. Zwischen 1871 und 1876 war der Boulevard Royal am Festungsgraben angelegt worden. Die über ehemalige Festungswerke führende Avenue Monterey war für den Verkehr freigegeben worden. 1875 begann der Bau von Villen und Herrenhäusern am Boulevard Royal, 1882 wurde die damals größte und modernste Schule des Landes, die «Aldringen-Schule», eröffnet. Die rue de la Poste war verbreitert worden, der schmale Engpass beim «Café Piquet» war verschwunden.
Die «Maison du Roi» entsprach weder funktional noch ästhetisch den Ansprüchen der letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts. Staatsarchitekt Charles Arendt gestaltete die Schalterhalle und entwarf ein markantes Haupttor mit Landeswappen zur Seite der Monterey-Straße. Der Kunde sollte gleich die Funktion und den öffentlichen Charakter des Gebäudes erkennen. Als Lärmschutz, aber auch als Verschönerungsmaßnahme wurde eine anliegende Parzelle gegenüber dem Pausenhof der Aldringen-Schule als Garten umgestaltet. Der Pariser Landschaftsgärtner Edouard André hatte dazu Pläne eingereicht.
Der ständige Ausbau einer der wirtschaftlich wichtigsten Behörden forderte ab 1888 weitere Büroflächen. Im Rahmen der «Exposition nationale de l’industrie et des arts» (1894/1896) wurde die Schalterhalle neu gestaltet sowie das Eingangstor mit einer in Schmiedeeisen angefertigten Uhr versehen. Im Postgarten hatten die Rümelinger Zementwerke «Brasseur-Lambert & Cie» während der Ausstellung eine riesige «Betongrotte» errichtet. Sie sollte Staatsminister Paul Eyschen davon überzeugen, dass beim Bau der Adolphe-Brücke nicht nur traditioneller Luxemburger Stein verwendet werden sollte, sondern ebenfalls Zement, als neues Baumaterial Luxemburger Herstellung. Eyschen folgte dieser Empfehlung, nicht nur beim Bau der «Neuen Brücke», sondern auch beim späteren Postneubau.
1901 erlaubte die Abgeordnetenkammer den Bau des «Multiplex-Flügels» in der rue de la Poste, während Staatsarchitekt Prosper Biwer bereits an den Plänen eines völligen Neubaus arbeitete. Interessant sind dabei folgende Elemente: die Dachstruktur des Multiplex war in Stahl und Glas, was ein Novum in Luxemburg darstellte; die Pläne zum Neubau zeigten eine verspielte Art-nouveau-Fassade, wobei sich die öffentlichen Behörden im Ausland meist sehr schwer mit Jugendstil taten. Der Hauptzugang zum Postgebäude bleibt bei diesen Plänen noch zur rue Monterey gerichtet. Staatsarchitekt Sosthène Weis übernimmt 1905 die Pläne seines jung verstorbenen Vorgängers und überarbeitet sie. Er folgte ministeriellen Empfehlungen, in die Schweiz zu reisen, um sich dort die neuen Postgebäude in Chur, Lausanne und Genève anzusehen. Verschiedene Abgeordnete empfahlen, als Modell Postbauten in Antwerpen, Paris oder Trier zu beachten. Bei der Abreise mit dem Zug in Luxemburg fehlte der Fotoapparat nicht im Gepäck. Zur Inspiration dienten allerdings auch Spezialschriften, Bücher und veröffentlichte Vorträge zum Bau öffentlicher Gebäude, welche im Architektenmilieu bekannt waren.
Der Bau von 1908
Doch der Unterschied zu den Plänen Biwers und Weis’ war groß. Sosthène Weis hatte begriffen, dass die Öffnung der Adolphe-Brücke 1903 die Verkehrsströme in der Oberstadt neu aufgeteilt hatte und der «ruhige Westen der Stadt» nun unmittelbar an den Bahnhof angeschlossen war. Die Straßenbahn führte über die neue Brücke zur Post. Zuzüglich zum «Roude Pëtz» wird hier ein weiterer Umsteigeplatz der Straßenbahn errichtet. Das gesamte Viertel wird nun aufgewertet. Der Neubau der Post wird zur Aldringen-Straße sprich in Richtung Boulevard Royal angelegt. Das neue Gebäude liegt etwas zur «Maison du Roi» zurück (die Fundamente wurden 2017 während Straßenbauarbeiten freigelegt), die Fassade entlang der rue Monterey springt um mehr als 1 m zurück, um die Gasse in eine hell durchleuchtete Stadtstraße umzuwandeln. Die Altstadt passt sich an die ab 1867 angelegte Neustadt an. Die Pufferzone der Unesco führt entlang der Fassade der rue Aldringen.
Die Regierung hatte die Bedeutung des Postgebäudes als wichtige Entscheidung zum Ausbau dieses Wirtschaftszweiges erkannt.
«Un bâtiment moderne des Postes n’est suffisant, alors qu’il est trop grand» schrieb 1905 die «section centrale» der Abgeordnetenkammer und verlangte sogar den Aufbau eines weiteren Stockwerkes, um dem Gebäude einen monumentalen Charakter zu verleihen. Dies erklärt, weshalb das Postamt während der ersten 25 Jahre Büroflächen an andere Behörden vermieten konnte.
Weis entwickelte eine leichte, harmonisch gegliederte Fassade, die sich ins bestehende Umfeld einfügen sollte und ergänzend zum Bau der Aldingen-Schule wirken sollte. «Le style choisi correspond à une sobre Renaissance française. (…) la beauté est à rechercher plutôt du côté des proportions harmonieuses que du côté d’une banale richesse. (…) les façades (…) semblent correspondre à une représentation simple, mais noble, ainsi qu’il convient à une administration publique», beschrieb Sosthène Weis sein Werk. Neu-Renaissance war bevorzugter Baustil der Regierung. Der Stil des großherzoglichen Palais sollte zum Modell öffentlicher Bauprojekte werden und somit Luxemburgs Eigenstaatlichkeit widerspiegeln. Der französische Einfluss unterstreicht die vielseitigen Bestrebungen Luxemburgs als Mitgliedstaat des Zollvereines, das Bild eines selbstständigen auf Frankreich blickendes Land zu vermitteln. Mit Neu-Renaissance unterscheidet sich der Auftraggeber klar von konkurrierenden mittelalterlichen Baustilen des 19. Jahrhunderts, die eher religiösen Bauwerken vorbehalten waren.
Wichtig ist, dass es sich um einen modernen Stahlbetonbau handelt, der von einer Fassade mantelähnlich umhangen wird. Hervorgehoben wurde damals, dass Stahlbeton besonders feuerresistent war, was dem Bau größte Sicherheit gewährte. Staatsminister Paul Eyschen hatte darauf geachtet, dass die Fassadensteine aus Luxemburg stammten, besonders aus Ernzen, Dillingen und Born. Das Gebäude lässt die Funktion nur schwer erkennen; Abhilfe schaffte hier eine klare ornamentale Sprache: ein Füllhorn gießt Briefe als Reichtum über die Weltkugel, Symbole der Landwirtschaft, der Industrie und Posthörner verzieren die Giebel.
Zum Gesamtkunstwerk wurden Luxemburgs beste Bildhauer hinzugezogen: Pierre Federspiel, Jean Mich, Claus Cito, J.-B. Wercollier. Etienne Galowich und Max Cames entwarfen die Laternen am Haupttor sowie das Einfahrtstor für Postwagen in der Monterey-Straße. Die Uhr am Hauptgiebel lehnt sich an das Vorbild des Uhrenturms des Dogen in Venedig an. Die Innenräume, welche klar den Einfluss der Schalterhalle des Postamtes in Chur erkennen lassen, hatte Sosthène Weis in Art-nouveau-Design gezeichnet.
Der mit 750.000 Franken zu Buche geschlagene Bau war im ersten Halbjahr 1908 begonnen worden. 1910 wurde das Gebäude eingeweiht. Die Firma Achille Giorgetti führte den Bau aus. Stahlbeton als neues Baumaterial und traditioneller Luxemburger Stein sowie fachmännische örtliche Bildhauerkunst verleihen dem palastähnlichen Gebäude eine reale Bodenständigkeit.
Mir wird schlecht! Ein Glück, dass der "Genießer" nichts zu melden hat!
Gut. Dann machen wir es wie mit der Kapelle im Mudam, abreißen und irgendwo lagern, denn schön ist es nicht und wir haben es auch lange genug 'genossen'.