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ArbeitslosigkeitDas Gespenst kehrt zurück: Nach Jahren der Entspannung zieht die Quote wieder an

Arbeitslosigkeit / Das Gespenst kehrt zurück: Nach Jahren der Entspannung zieht die Quote wieder an
Last Exit Adem – die Arbeitsagentur hat wieder mehr Zulauf Foto: Tageblatt-Archiv

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Es ist gerade einmal zehn Jahre her, als die Arbeitslosigkeit zu den Hauptsorgen in Luxemburg gehörte. Nach einer leichten Entspannung auf dem Arbeitsmarkt ist die Zahl der Jobsuchenden nun wieder angestiegen. Durch das Aufkommen Künstlicher Intelligenz erhalten alte Ängste neue Nahrung.

Bezahlbarer Wohnraum, Inflation und Energiekrise – das waren die Themen, die den Einwohnern Luxemburgs in den vergangenen beiden Jahren am meisten Sorgen bereiteten. Eines war dagegen zuletzt in den Hintergrund gerückt, was vor zehn Jahren die Menschen hierzulande am meisten beschäftigte: die Arbeitslosigkeit.

Jahrelang gehörte Luxemburg zu den Ländern in der Europäischen Union mit den niedrigsten Arbeitslosenraten. Das traumhafte Prozent war 1981 (ein Jahr zuvor sogar weniger als ein Prozent) innerhalb der damaligen Europäischen Gemeinschaft sicherlich ein sensationeller Wert, der den Zahlen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu entnehmen ist.

Auch in den darauffolgenden 20 Jahren bis zum Anfang der Jahrtausendwende ist die Arbeitslosigkeit hierzulande nicht mehr weiter ins Gewicht gefallen, während sie in den Nachbarländern längst bedrohliche Dimensionen angenommen hatte: In Frankreich überschritt sie 1992 die Zehn-Prozent-Marke, in Deutschland 1997 und in Belgien hatte sie 1982 bereits 11,5 Prozent erreicht, bevor sie wieder zurückging und sich stabilisierte. Viele Jahre ging ein Gespenst durch Europa. Es hieß Arbeitslosigkeit.

Ganz zu schweigen von der Situation in Spanien, wo die Quoten mehrfach über 20 Prozent kletterten und im Jahr 2013 sage und schreibe 26 Prozent der Erwerbsfähigen arbeitslos waren, in Griechenland sogar 27,5 Prozent und in Portugal 17 Prozent. Dagegen lief die Jobmaschine im Großherzogtum jahrelang wie geschmiert, zog immer mehr Grenzgänger an und wirkte daher in der Großregion allgemein stabilisierend.

Im Jahr der vorgezogenen Parlamentswahl vom Oktober 2013 hatte es die Arbeitslosigkeit schließlich mit 6,8 Prozent hierzulande geschafft, ein wichtiges Thema im Wahlkampf zu werden. Auch im ersten Jahr. Die Folgen der weltweiten Finanzkrise von 2007/08, die zu einer globalen Wirtschaftskrise anwuchs, hatten sich auf den hiesigen Arbeitsmarkt niedergeschlagen. Im Jahr 2014, dem ersten Jahr der blau-rot-grünen Regierung, wurden die sieben Prozent überschritten.

„Marshall-Plan“ und Jobmaschine

Es war der damalige Arbeitsminister Nicolas Schmit, der zusammen mit Wirtschaftsminister und Vizepremier Etienne Schneider (beide LSAP) die Aufgabe hatte, das Land nach einem ökonomisch stürmischen Seegang durch eine anhaltende Jobflaute zu lotsen. Es kam zu Aktionsprogrammen, Beschäftigungsmaßnahmen, Fortbildungsangeboten, und es gab Zuschüsse für Firmen. „Im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit haben wir alles versucht“, wurde Schmit damals zitiert. Schneider sprach sogar von einem „Marshall-Plan“.

Dabei lief die Jobmaschine nach wie vor unaufhörlich und zog weiter Arbeitskräfte aus dem nahen und fernen Ausland an. Einmal mehr war vom Luxemburger Paradoxon die Rede: Jahr für Jahr wurden tausende neue Stellen geschaffen und stieg die Zahl der Beschäftigten, während aber zugleich auch die Zahl der Arbeitslosen zunahm, weil sie einfach nicht für die neuen Stellen geeignet waren. Der Finanzsektor wuchs weiter und weiter und verzeichnete einen jährlichen Zuwachs von etwa 2,5 Prozent, was die Zahl der Beschäftigten anging: von 49.985 im Jahr 2011 auf 64.592 im Jahr 2021. Außerdem waren es etwa die Bereiche Gesundheit und Soziales, die nach neuen Arbeitskräften verlangten, etwa dank der Pflegeversicherung und der „Chèques services“ – während die Industrie schwächelte.

Seit 2014 sank die Arbeitslosenquote wieder – bis auf die beiden „Ausreißer“ der Covid-Jahre 2020 und 2021 – und fiel schließlich bis zum vergangenen Jahr auf 4,8 Prozent. Ganz so paradiesisch waren die Zahlen aber dann doch nicht: Die Anzahl der Langzeitarbeitslosen, also der Menschen, die mindestens zwölf Monate ohne Job sind, blieb hoch. Vor allem aber ist die Jugendarbeitslosigkeit in den vergangenen 30 Jahren fast kontinuierlich angestiegen. Luxemburg liegt hierbei sogar unter den Top Ten in Europa.

Dauerproblem Jugendarbeitslosigkeit

Laut Eurostat beträgt die Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union im Schnitt 13,9 Prozent, unrühmlicher Spitzenreiter war im Mai Spanien mit 28,4 Prozent, gefolgt von Griechenland (24,0 Prozent), Italien (21,7 Prozent), Schweden (20,5 Prozent), der Slowakei (18,8 Prozent), Portugal (18,6 Prozent) – und Luxemburg mit 18,4 Prozent. Während der Corona-Jahre betrug die Arbeitslosigkeit der Unter-25-Jährigen hierzulande sogar mehr als 20 Prozent. In Luxemburg gilt nach wie vor fast jeder fünfte Jugendliche unter 25 Jahren als arbeitslos. Am stärksten betroffen sind Schulabbrecher.

Allerdings haben die Zahlen ihre Tücken: Die Quote wird berechnet, indem die Zahl der Arbeitssuchenden durch die Gesamtzahl der potenziell arbeitsfähigen Bevölkerung geteilt wird. „Studierende und Schüler werden in der Statistik nicht berücksichtigt“, konstatiert das Online-Magazin reporter.lu. „Sie werden weder zu den Arbeitssuchenden noch zu den potenziell Arbeitsfähigen gezählt. Das Resultat: Der Gesamtanteil an Jugendlichen, die als arbeitsfähig gelten, hat in den letzten Jahrzehnten abgenommen.“ Die Statistik sei somit ein „Opfer der länger werdenden Bildungswege“. Nehme man den Anteil der Arbeitslosen in der Gesamtbevölkerung der Jugendlichen, liegt der Wert bei etwa fünf Prozent – und damit auf vergleichbarer Höhe wie die allgemeine Arbeitslosenrate.

Als Anfang dieses Sommers die Adem die Zahlen für April meldete, leuchteten die Warnlampen auf, war doch die Zahl von 15.000 gebietsansässigen Arbeitssuchenden überschritten worden (30. April: 15.330). Die Arbeitslosigkeit war im Jahresvergleich um 1.061 gestiegen, um sieben Prozent. Zugleich hatten die Stellenangebote deutlich abgenommen. Zum 30. Juni 2023 registrierte die Arbeitsagentur Adem schließlich 15.333 Arbeitssuchende, also 695 bzw. 12,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Am stärksten betroffen sind qualifizierte Arbeitnehmer sowie jene Personen unter 30 Jahren. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote beträgt laut Statec 5,2 Prozent (im Vormonat 5,0 Prozent). Zugenommen hat auch die Zahl der Neuanmeldungen (8,4 Prozent mehr als im Juni 2022), darunter allerdings auch die Menschen mit Schutzstatus aus der Ukraine. Die Zahl der Arbeitslosengeldempfänger stieg um 19,3 Prozent.

KI – die große Unbekannte

Zurückgegangen ist derweil die Zahl der von den Arbeitgebern der Adem gemeldeten offenen Stellen – und zwar in fast allen Wirtschaftsbereichen. Die Zahl der verfügbaren offenen Stellen belief sich Ende Juni auf 9.488, 30,2 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Die Jobmaschine scheint also ins Stottern geraten zu sein. Wenn da nicht der grassierende Mangel an Fachkräften wäre, der unter anderem den Handwerkern, aber auch anderen Sektoren wie dem Gesundheits- und Sozialbereich Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Nach Schätzungen der Handelskammer wird das Großherzogtum bis 2030 weitere Arbeitskräfte benötigen.

Dann wäre da noch die große Unbekannte: die Künstliche Intelligenz (KI). Sicher ist, dass die Digitalisierung die Arbeitswelt grundlegend verändernd. Verschwinden die Arbeitsplätze im Orkus von ChatGPT und Co.? Arbeiten wir dann nur noch vier Tage in der Woche? Jedenfalls werde „körperliche weiter durch steuernde Arbeit ersetzt“, sagte unlängst der Ökonom Alexander Kritikos vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Standardisierte Arbeitsprozesse könnten von der KI übernommen werden. Das muss nicht negativ sein. Die Produktivität würde steigen. Und sogar der Bedarf an Arbeitskräften – nur eben an anderen als heute.

Romain
9. August 2023 - 13.16

Weniger Arbeitslosen Geld bezahlen, dann singt die Arbeitslosen Zahl