Das erste Superhelden-Abenteuer von Stan Lee hatte kaum Bilder und keine Sprechblasen. Als der Verlag Marvel Comics noch Timely Comics hieß, war der Name des jungen Mitarbeiters Stanley Martin Lieber. Der sollte eine Kurzgeschichte über den von seinen Kollegen erfundenen Kriegshelden Captain America schreiben. Weil der junge Lieber fürchtete, seine Comic-Beteiligung wäre für die von ihm angestrebte Karriere als seriöser Autor hinderlich, wählte er ein Pseudonym, das bleiben sollte: Stan Lee.
Heute verbinden Menschen in aller Welt mit diesem Namen die Abenteuer von Spider-Man, Hulk, X-Men und unzähligen beliebten Superhelden, die er einst erfand und die in den Marvel-Comics und in Kinofilmen und TV-Serien des Marvel Cinematic Universe (MCU) weiterleben. Heute, am 28. Dezember, wäre Stan Lee 100 Jahre alt geworden.
Als Teenager hatte er im Verlag als Botenjunge und Kopierhilfe angefangen. Später wurde er Chefredakteur und schließlich Präsident. Lee revolutionierte die Comic-Industrie. Seine Figuren waren vielschichtiger und interessanter als andere. Ihre Storys waren – wie die heutigen Filme des MCU – miteinander verbunden. An jedem Comic arbeiteten mehrere Autoren, die eigene Nebenfiguren kreierten. So erwuchs ein ganzes Universum für Superhelden. Lee galt obendrein als Marketinggenie und wusste seine Comics anzupreisen.
Anlässlich des runden Geburtstags findet in Los Angeles eine Gala zu seinen Ehren statt. Marvel Comics würdigt den ikonischen Kreativkopf schon seit Wochen in zahlreichen Rubriken auf seiner Website. So wird an einige von Lees beliebtesten Geschichten erinnert – und an seine witzigen Gastauftritte in den Comics. In einer Ausgabe der von ihm erfundenen „Fantastischen Vier“ von 1963 werden Lee und sein Kollege Jack Kirby als ungeladene Gäste nicht auf die Hochzeit von Reed Richards und Susan Storm gelassen.
Berühmt war der Mann mit dem markanten Schnurrbart auch für seine amüsanten Cameos in Filmen – als Kurierdienst-Mitarbeiter in „Captain America: Civil War“ oder als Busfahrer in „Avengers: Infinity War“. Seinen ersten Gastauftritt vor der Kamera hatte Stan Lee lange, bevor es das MCU gab. 1989 trat er in dem TV-Film „Der unheimliche Hulk vor Gericht“ als Geschworener im Gerichtssaal auf.
In Deutschland ist passend zum 100. das Buch „Stan Lee“ aus der Reihe „Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“ erschienen. Autor Eric Hegmann erzählt auf knapp 120 Seiten in kurzweiligen Anekdoten aus dem Leben und der Karriere des Comic-Schöpfers und räumt mit Irrtümern auf. So war Stan Lee, anders als oft angenommen wird, niemals Eigentümer von Marvel Comics. Er musste sogar klagen, um seinen Anteil am Erfolg zu bekommen.
An Büchern über das Comic-Genie mangelt es wahrlich nicht. Nach seinem Tod erschienen Biografien von Bob Batchelor (Stan Lee: The Man behind Marvel) und Abraham Riesman (True Believer: The Rise and Fall of Stan Lee).
Geradezu überwältigend ist der mächtige Bildband „The Stan Lee Story“, den der ehemalige Marvel-Chefredakteur Roy Thomas noch zu Lebzeiten von Stan Lee mit dessen Beteiligung produzierte. Die auf 1.000 Exemplare limitierte Erstausgabe aus dem Taschen-Verlag wog mehr als 12 Kilo, war von Lee persönlich signiert worden und kostete 5.000 Euro. Sie ist aber längst ausverkauft.
Mittlerweile ist „The Stan Lee Story“ in einer etwas handlicheren Ausgabe erschienen, die mit 600 Seiten aber immer noch stattlich ist. Anhand von Illustrationen und privaten Fotos zeichnet sie Stan Lees beeindruckende Karriere nach. Es war eines der letzten Projekte der Popkultur-Ikone.
Am 12. November 2018 starb Stan Lee. Auf der Marvel-Website steht zu einer neuen Comic-Zeichnung von ihm: „100 Jahre und er inspiriert uns alle immer noch.“
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