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Forum / Das Buch und das Gewicht der Worte
 Foto: Editpress/Tania Feller

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„Schreiben macht keine neuen Menschen. Aber es schafft Klarheit und Verstehen. Oder doch den Anschein. Und wenn man mit seinen Worten Glück hat, ist es wie ein Aufwachen zu sich selbst, und es entsteht eine neue Zeit: die Gegenwart der Poesie.“ (Pedro Vasco de Almeida Prado, Die Zeit der Poesie, Lissabon 1903)

Der Begriff Poesie stammt aus dem Griechischen und bedeutet ursprünglich Erschaffung. Im weitesten Sinne bezeichnet es die Erschaffung von literarischen Texten, also das, was wir heute als Literatur bezeichnen. Das Buch als gebundenes Druckwerk verleiht der Poesie Leben und Ausdruck. Bücher, die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes. Wie irgendjemand treffend bemerkte. Das Buch bringt ein Licht in der Finsternis, ist ein sehr persönliches Vergnügen in der Einsamkeit – ohne zu nehmen, jedoch viel zu geben.

Besonders in ebendiesen bitteren Zeiten, die uns alle belasten, oder auch als stets wertvolles Geschenk ist gerade das Buch als Anregung zum Denken, Nachdenken, Lernen oder auch zum Schmunzeln ein ewig gültiger Tipp. „Lesen stärkt die Seele“, so Voltaire. Für den, der dies erkennt, ist das Buch ein Begleiter durch das Leben. Das Buch als Mittel unserer Menschwerdung in einem permanenten Lernprozess und zur Vertiefung unseres Bewusstseins.

Freiheit der Literatur

Poesie. Literatur. Buch. – Wort, Wörter, Worte. In einem einzigen Wort stecken viele Botschaften, und diese können die unterschiedlichsten Folgen haben. Worte haben Gewicht. Besonders in der Welt der Literatur. Es gibt nämlich einen wunderbaren Roman, der ausdrücklich mit dem Titel „Das Gewicht der Worte“ zum Thema dieses Beitrages passt. Dieser wahrlich außerordentlich gelungene literarische Nachschub für alle Fans des weltbekannten, beachtlichen Werkes „Nachtzug nach Lissabon“ des Bestseller-Autors Pascal Mercier, Pseudonym des in Bern geborenen, in Berlin lebenden emeritierten Professors für Philosophie Peter Bieri, der die wunderbar geschriebene, ergreifende Geschichte des Übersetzers Simon Leyland, seiner Familie und seiner Freunde in wahrhaft menschlicher Tiefe erzählt. Er verfolgte das Ziel, alle Sprachen zu lernen, die rund um das Mittelmeer gesprochen werden. Sein Leben erlebte nach einer ärztlichen Fehldiagnose einen entscheidenden Wendepunkt.

Diese für ihn vermeintlich fatale Katastrophe, die ihn in der Tat vorübergehend aus der Bahn warf, wurde für ihn, der seiner geliebten, verstorbenen Frau, an die er den ganzen Roman durch immer wieder sein weiteres Leben, seine Lebensgeschichte und seine tiefe Gefühlswelt beschreibende Briefe schrieb – die übrigens ein wahrer Lesegenuss sind – zur Chance, sein eigenes Leben völlig neu zu (er)leben und einzurichten. Pascal Merciers philosophischer Roman, der die Welt der Literatur, der Verlage und des Schreibens generell in einer besonderen Art und Weise beschreibt und von der Freiheit, unser Leben zu gestalten, genauso wie jene, die uns eben die Literatur verspricht. Besser als mit dem auch diesen Text einleitenden Zitat des portugiesischen Schriftstellers und Philosophen Pedro Vasco de Almeida Prado aus dessen Werk „Die Zeit der Poesie“ hätte Pascal Mercier seinen besonderen Roman nicht einleiten können. Denn ebendieses Gefühl hat schon so ziemlich jeden ergriffen, der schreibt, und jenen berührt, der liest. Mercier hat eine Geschichte geschrieben, die von tiefen Emotionen handelt, intensive Begegnungen zwischen Menschen beleuchtet, wahre Freundschaft beschreibt und die Leserschaft auch mit dem Thema Tod – und wie man damit umgehen kann – konfrontiert. Um seinen Helden herum entwirft Mercier, so die FAZ in einer Kritik des Romans, (Zitat) „einen schönfühlenden Mikrokosmos“.

Da wären Leylands Kinder Sophia und Sidney, angehende Ärztin respektive angehender Anwalt, die ihrem Leben jedoch eine neue Richtung geben. Dazu kommen dann noch ein ehemaliger russischer Häftling (Totschlag aus Leidenschaft) und Übersetzer, Leylands Nachbar, ein ehemaliger Apotheker, der die Armen gesetzeswidrig mit Medikamenten versorgt hat, ein irischer Kellner, der Dichtung liebt, dann noch eine steinreiche Autorin, die einen mühsam verfassten Roman nicht publiziert, ferner ein bettelarmer Autor und Hilfslehrer – und noch viele mehr. Der FAZ-Rezensent wirft allerdings die Frage auf: „Schön Gefühlt – aber wozu?“ Und schreibt weiter: „Die Literatur hat ihre eigene Geselligkeit, aber auch für Autor und Leser gelten Höflichkeitsregeln. Nehmen wir an, dass der Autor ein Gastgeber ist, der durch sein Haus führt: Dann gibt es Ecken, die er dem Leser gern zeigt, andere, die er kaschiert – oder die gerade deshalb gezeigt werden müssen, weil sie schön schmuddelig sind.

Wie eine Jugend ohne Liebe

Es gibt Gesetze des Verweilens, die Dauer entspricht dem Gezeigten; diese Regeln sind andere als etwa in der Philosophie, wo man alle Zeit der Welt hat. In der Literatur sind Regeln der Ästhetik und des Sozialverhaltens verknüpft: Was wegen Überlänge nervt, missfällt dem Geschmack. Anders gesagt: Plaudertaschen sind doppelt verpönt, ethisch und ästhetisch.“ Diese Kritik ist vielleicht nachzuvollziehen, wird aber dem Sinn dieses Romans nicht gerecht, weil es eben um das Gewicht der Worte im literarischen und im menschlichen Kontext geht, um Bücher im Buch, um die Vorstellung wunderbarer Menschen usw.

Der Roman ist in der Tat so vielschichtig, so reich an Ausdruckskraft, wie eben … das Gewicht der Worte es aussagt!  Und genau darin liegt das Meisterhafte.

Ein Leben ohne Bücher ist wie eine Kindheit ohne Märchen, ist wie eine Jugend ohne Liebe, ist wie ein Alter ohne Frieden. So der deutsche Germanist, Philosoph und Aphoristiker Carl Peter Fröhling.

Und dem kann man nur zustimmen.

* Der Autor ist Angestellter der CFL und schreibt regelmäßig Forum-Beiträge zu sozialen und gesellschaftlichen Themen