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ForumDan Kersch: Plädoyer für eine Vier-Tage-Woche mit 36 Arbeitsstunden

Forum / Dan Kersch: Plädoyer für eine Vier-Tage-Woche mit 36 Arbeitsstunden
Lange Arbeitstage, spätes Heimkommen – Dan Kersch bezweifelt, dass das für immer so bleiben muss Foto: Editpress/Alain Rischard

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Dan Kersch macht sich für eine Vier-Tage-Woche mit 36 Arbeitsstunden stark. Der LSAP-Abgeordnete und ehemalige Arbeitsminister will die Gesellschaft modernisierende Konzepte wieder auf die politische Tagesordnung bringen.

Der Neoliberalismus, mit seiner während Jahrzehnten vorherrschenden Wirtschaftsideologie, hat ausgedient. Seine Rezepte taugen nicht zur Lösung der großen Probleme der Menschheit. Sie haben, im Gegenteil, die vielfältigen Problemstellungen dramatisch und in bislang unvorstellbaren Tempo verschärft. Die Welt, die sehenden Auges in eine einzigartige, soziale und klimapolitische Krise gestürzt wurde, steht vor einem Scherbenhaufen. Immer mehr Menschen entlarven das Versprechen vom großen neoliberalen Wirtschaftswunder, das global alle Menschen beglücken wird, als die große Lüge unseres Jahrhunderts.

Wer glaubt, Luxemburg bleibe von neoliberalen Einflüssen verschont, irrt. Natürlich wurden Luxemburg, und andere europäische Staaten nicht in dem gleichen Maße vom neoliberalen Tsunami überrollt, wie es viele andere Länder des Erdballs erleiden.

Gift aus Chicago

Die europäischen Länder verfüg(t)en über andere Abwehrkräfte gegenüber dem Gift der Theoretiker der Chicagoer Schule. Ein demokratisches Gemeinwesen, eine aktive Zivilgesellschaft, sozialistische und sozialdemokratische Parteien, Gewerkschaften bis hin zu kirchlichen Strukturen, die sich dem neoliberalem Wahnsinn mehr oder weniger offen widersetzten und widersetzen, verhinder(te)n Schlimmeres.

Doch es gibt sie auch in Luxemburg, die Verfechter neoliberaler Politik. Und sie sind weiterhin mächtig. Die CSV kürte sogar unlängst voller Stolz ein ausgesprochenes Prachtexemplar zu ihrem Spitzenkandidaten. Auch die DP bietet den Anhängern dieser Ideologie eine politische Heimat.

Die Deregulierung von Arbeitsrechten und Umweltauflagen, gekoppelt an eine gnadenlose Niedriglohnpolitik, ist ein weiteres Kennzeichen neoliberaler Politik

Dies besagt nicht, dass CSV und DP exklusiv neoliberale Thesen vertreten. Ohne Zweifel ist der sozial-liberale Anspruch der DP ernster zu bewerten als beispielsweise bei ihrer deutschen Schwester-Partei FDP. Auch in der CSV wirken Kräfte, die erkannt haben, dass neoliberale Politik in die Sackgasse führt. Trotzdem sind es in Luxemburg immer wieder diese beiden Parteien, die die neoliberalen Ideologien fördern.

Die Instrumente zur Durchsetzung neoliberaler Politik sind überall gleich. Dazu gehört vor allem eine Steuerpolitik, die extrem niedrige Steuern bis zur absoluten Steuerbefreiung für Reiche und multinationale Konzerne beinhaltet, bei gleichzeitiger Abwälzung der Steuerlast auf Arme und den Mittelstand. Auch in Luxemburg sind mehr als drei Viertel der eingetragenen Unternehmen von der Betriebssteuer befreit, darunter viele, die es sich ohne Problem leisten könnten, aktiv zum Gemeinwohl beizutragen. Auch in Luxemburg wurde eine steuerliche Entlastung des Mittelstands (zu) lange hinausgezögert, bevor sie endlich durchgesetzt wurde. Auch in Luxemburg wird eine eventuelle höhere Besteuerung von Reichen und Superreichen als Werk des Teufels dargestellt.

Dan Kersch ist LSAP-Abgeordneter und ehemaliger Minister
Dan Kersch ist LSAP-Abgeordneter und ehemaliger Minister Foto.: Editpress/Hervé Montaigu

Die Deregulierung von Arbeitsrechten und Umweltauflagen, gekoppelt an eine gnadenlose Niedriglohnpolitik, ist ein weiteres Kennzeichen neoliberaler Politik. Arbeit und diejenigen, die sie verrichten, werden als Kostenfaktor und nicht als Menschen wahrgenommen. Auch in Luxemburg wird immer wieder mit immer neuen Argumenten versucht, Arbeitnehmerrechte abzubauen, Arbeitszeiten ohne Gegenleistung zu flexibilisieren, Lohnreduzierungen durchzusetzen. Noch vor wenigen Tagen hörten wir die Forderung der Industriellenföderation nach längeren Arbeitszeiten. Ein anderes Beispiel ist die immer wieder aufkommende Forderung nach einer Begrenzung der Index-Anpassungen oder die Ablehnung sektorübergreifender, kollektivvertraglicher Lösungen.

Zur neoliberalen Ideologie gehört die Tendenz zur Verschlankung des Staates, zu Senkungen der Sozialleistungen oder Verhinderung des Auf- und Ausbaus neuer, notwendiger Leistungen, unter dem Vorwand der Schuldenbegrenzung. Die gleichen Kräfte, die ohne jedwede Rücksicht auf unsere Nachkommen, die Welt im Namen des freien Wettbewerbs in eine sozial-, klima- und umweltpolitische Katastrophe führen, verhindern unter dem Vorwand der Generationengerechtigkeit Investitionen in eine soziale, humanitäre und ressourcenschonende Gesellschaft. Deshalb, und nur deshalb, wird eine gezielt restriktive Finanzpolitik installiert.

Wer kennt sie nicht, die leidige Diskussion über die angeblich zu hohe Verschuldung des Staates! In Luxemburg ist sie eigentlich, aufgrund der reellen Finanzlage, eher surreal, trotzdem bleibt sie am Ausgangspunkt der nur ungenügend getätigten Investitionen in Bildung, Gesundheit und Infrastruktur. Die Frage ist sehr einfach: Wer ein besseres Gesundheitswesen für alle mag, muss (noch) mehr investieren. Wer bessere Bildungschancen für alle mag, muss (noch) mehr investieren. Wer besseren öffentlichen Transport für alle mag, muss (noch) mehr investieren. Wer mehr investiert, braucht mehr Geld.

Mehr Geld durch mehr Steuern, von denen, die es haben, sei es von Privatpersonen oder großen Unternehmen, lehnen die Neoliberalen aber ab, weil sie keine besseren Bildungschancen, keinen besseren öffentlichen Transport, kein performanteres öffentliches Gesundheitswesen brauchen. Sie haben ja, was sie brauchen, und zwar im Überfluss. Im Gegenteil zur großen Mehrheit der Menschen.

Die Globalisierung der Produktion ohne Rücksicht auf Klima und Gesundheit, bei gleichzeitiger Zerstörung der lokalen Märkte, die Privatisierung hoheitlicher Aufgaben zum Beispiel bei Bildung und Gesundheit, bei gleichzeitiger privater Aufteilung der Gewinne und Verstaatlichung der Verluste (too big to fail) – letztes Beispiel ist die Credit-Suisse-Bank – sind weitere Kennzeichen neoliberaler Politik. Sie gehen einher mit der Entmachtung der demokratischen Strukturen und dem Transfer der Entscheidungsmacht an nationale und internationale Technokraten-Gremien ohne jegliche, demokratische Legitimation. Auch dafür gibt es in Luxemburg zahlreiche Beispiele.

Dubioser Apparat

Ein ganzer Apparat von sogenannten unabhängigen Gremien wurde geschaffen, um demokratische Gegenbewegungen im Keim zu ersticken und die ideologische Machtstellung zu erhalten. Auch in Luxemburg wird wie selbstverständlich hingenommen, dass ausländische Ratingagenturen die luxemburgische Finanzpolitik nicht nur beeinflussen, sondern auch zunehmend bestimmen, wie zum Beispiel die schon erwähnte Diskussion um die 30-Prozent-Schuldengrenze und das Dogma des Triple A beweisen.

Die Geldpolitik wird, wie von Gott gegeben, von „unabhängigen“ Zentralbanken entschieden, die erstens nicht unabhängig sind, sondern dem Diktat des privatisierten Finanzkapitals unterliegen, die zweitens nicht demokratisch legitimiert sind und drittens, der Definition nach, nicht unbedingt das Wohl der Menschen, sondern das Wohl der Wirtschaft – lies des Profits – im Auge haben.

Genauso bedenklich ist es zu sehen, wie die sogenannten Big Four und Big Three, also die weltweit agierenden privaten Beraterkonzerne, zunehmend – gegen hohe Honorare selbstverständlich – hoheitliche Aufgaben in immer mehr Ländern übernehmen. Gleichzeitig wird hingenommen, dass der eigene Regierungsapparat durch Unterbesetzungen geschwächt wird, was natürlich zu einem Abbau des Know-hows der regierungseigenen Institutionen und zunehmenden Abhängigkeiten führt. Ein Teufelskreis, den zu durchbrechen sehr hohe, gesellschaftliche Kosten generieren wird.

Die Rolle dieser Beratungsriesen bei der Durchsetzung neoliberaler Politik weltweit war und ist riesig. Heute bieten sie sich an, als unabkömmliche Berater bei der Beseitigung der Folgen der Politik, die sie selbst mit implantiert haben. Das Geschäftsmodell ist für die Aktionäre genial, für die Gesellschaft als Ganzes aber katastrophal. Es ist wie der brandstiftende Feuerwehrmann, der sowohl fürs Feuerlegen als auch fürs Löschen bezahlt wird.

Dabei verfügen die Beraterfirmen oftmals gar nicht über das nötige Hintergrundwissen und ihre Expertise bleibt zweifelhaft. Doch selbst wenn sie durch die Praxis widerlegt werden, bleibt dies politisch folgenlos. Mariana Mazzucato, Universitäts-Professorin in London, und Rosie Collington, Doktorandin am gleichen Institut, veranschaulichen in ihrem Buch „The Big Con“ (Der große Schwindel) genauestens die verabscheuungswürdigen Geschäftspraxen der Beraterimperien.

Es geht bei der Diskussion um Arbeitsverkürzung nicht nur um einen einfachen Streit der Ideologien, es geht vor allem um die soziale Tragfähigkeit unseres Gesellschaftsmodells

Diese Beraterklitschen verfügen auch in Luxemburg über zunehmenden Einfluss und versuchen ohne Scham, politische Entscheidungen in Ministerien und sogar in Parteien weiter zu beeinflussen. Ich selbst weiß von mindestens zwei Firmen, die auch bei meiner Partei im Vorfeld der Parlamentswahlen und der Programmgestaltung Unterredungen angefragt haben.

Das jüngste Beispiel, wie die Auseinandersetzung zwischen einer fortschrittlichen Gesellschaftskonzeption und dem rückwärtsgewandten, neoliberalen Ansatz verläuft, ist die Diskussion über neue Arbeitsmodelle und eine Verkürzung der Arbeitszeit, bei vollem Lohnausgleich.

Wer es wagt, den zum Unwort erklärten Begriff der „verkürzten Arbeitszeit ohne Lohnverzicht“ zu erwähnen, wird zermalmt von einer Walze der geballten Entrüstung, angetrieben von einer Kaste hochbezahlter Patronatsfunktionäre und ihren politischen Freunden. Kein Argument ist zu doof, kein persönliches Anrempeln zu primitiv, um nicht gebraucht zu werden im Kampf gegen jene, die die Arbeitszeitverkürzung thematisieren wollen.

Objektiv gesehen entpuppen sich diese ideologiegeladenen Defensivkämpfe aber als wenig hilfreich. Der gesellschaftliche Verlauf, der gesellschaftliche Fortschritt wird nicht aufzuhalten sein. Die Gesellschaft wird sich ändern, weil sie sich ändern muss, um zu überleben.

Welche Gesellschaft wollen wir?

Welche Gesellschaft wollen wir? Welchen Stellenwert sollen Arbeit, Familie und humanitäres Engagement in unserem Leben einnehmen? Wollen wir uns weiter dem Diktat der Wirtschaft unterordnen oder wollen wir das Primat des Menschseins im Einklang mit Natur und Umwelt endlich verwirklichen? Die jüngeren Generationen werden diese Fragen immer offener ansprechen, sie werden ihre Vorstellungen und Ansprüche durchsetzen und sie werden, notgedrungen, die Systemfrage offensiver stellen.

„It’s not only the economy, stupid, it’s the system!“ Bill Clintons zwar erfolgreicher, aber etwas arroganter Wahlkampfslogan („It’s the economy, stupid!“) wird immer offener als Symbol neoliberaler Denkweisen hinterfragt. Die zunehmende Ablehnung neoliberaler Denkmuster wird sich aber nicht auf ökonomische Fragen reduzieren lassen, sondern alle gesellschaftlichen Aspekte erreichen. Es bleibt also viel Spielraum für politischen Optimismus.

Die Forderung um die Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich hat dabei einen hohen symbolischen Wert. Je nachdem, wie man sie beantwortet, wird man auch Antworten auf die weiter oben gestellten Fragen geben, wird man offenlegen, wo man steht. Weiter so oder Aufbruch?

Dabei gibt es auch heute schon, vor allem im luxemburgischen Kontext, gute Gründe für eine verkürzte Arbeitszeit, bei vollem Lohnausgleich. Natürlich muss man für den Fall einer gesetzlich verfügten Arbeitszeitreduzierung über großzügige, zeitliche Übergangslösungen und über staatliche Unterstützungen für kleinere Betriebe in einzelnen Sektoren diskutieren. Dies sollte in einem Land, in dem der Sozialdialog Tradition hat, auch möglich sein.

Doch man stelle sich einfach mal vor, die 36-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, mit einer Option zur 4-Tagesarbeitswoche werde Realität. Dies mag für manche eine schier unüberwindliche, intellektuelle Kraftanstrengung darstellen, trotzdem möchte ich genau diese Menschen dazu einladen, es zu versuchen.

1. Die Attraktivität des Standortes Luxemburg steigern

Immer mehr Betriebe klagen offen über Arbeitskräftemangel. Ein atypischer, spezieller Arbeitsmarkt, als Zentrum einer Europäischen Großregion, mit über 200.000 Grenzgängern, lechzt nach Arbeitskraft in fast allen Bereichen. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Das nahe Ausland ist dabei, Lohnunterschiede zu reduzieren und Arbeitsrechtsregulierungen, auch aufgrund europäischer Direktiven, an luxemburgische Standards anzupassen. Hinzu kommt, dass in Luxemburg die wöchentliche Arbeitszeit höher ist als im nahen Ausland. Als hoher Attraktivitätsfaktor bleibt die soziale Absicherung, die in Luxemburg um ein Vielfaches besser ist als im Ausland. Doch zunehmende Mobilitätsprobleme relativieren schon heute diesen offensichtlichen Standortvorteil erheblich. Für viele Grenzgänger wird durch lange Arbeitszeiten der Acht-Stunden-Tag zum Zwölf-Stunden-Tag, oder zur 60-Stundenwoche. Doch auch für in Luxemburg wohnende Menschen wird der Arbeitsanfahrtsweg zum immer größer werdenden Problem. Allein die Tatsache, dass man die Vier-Tage-Woche einführen würde, würde die Zeit, die dringend benötigte Arbeitskräfte aus dem In- und Ausland im Stau verbringen, um 20 Prozent verringern, also viel mehr als die um 10 Prozent verringerte Arbeitszeit. Von der Entlastung des überstrapazierten Straßennetzes und den damit verbundenen CO2-Einsparungen gar nicht zu sprechen. Es wäre eingesparte Zeit, die direkt der Familie zugutekommen würde.

2. Telearbeit: ein Plus mit vielen Fragezeichen

Die Telearbeit ist während und nach der Pandemie in vielen Betrieben in rasantem Tempo verwirklicht worden. Sie ist nicht mehr wegzudenken. Mit allen Vor- und Nachteilen ist sie, wie viele luxemburgische Betriebe vermelden, auch zu einem wichtigen Argument bei der Rekrutierung qualifizierter Arbeitskraft geworden. Luxemburg ist beim (kontrolliertem) Ausbau der Telearbeit – aber im Gegenteil zu seinen Nachbarländern – aus Steuer- und Sozialversicherungsgründen von den politischen Zusagen eben dieser Nachbarländer abhängig. Diese werden aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht so schnell und nicht in dem Maße kommen, wie wir sie eigentlich benötigten. Man muss also leider davon ausgehen, dass die Telearbeit in Luxemburg nicht so schnell, nicht so umfassend umgesetzt werden kann, wie dies im im Ausland möglich sein wird. Dies ist ein klarer Standortnachteil, den man zum Teil mit einer verkürzten Arbeitszeit mit Vier-Tage-Woche kompensieren könnte.

3. Verbesserte Produktivität, weniger Krankenscheine

Alle internationalen Studien über die menschliche Leistungskraft belegen, dass ausgeruhte Menschen eine höhere Produktivität erreichen können. Dass Stress produktivitätshemmend wirkt, ist ein längst bekannter Faktor der Arbeitsorganisation. Wer nur an vier, statt an fünf Tagen hochproduktiv arbeiten muss, ist dementsprechend produktiver. In jenen Ländern, in denen die reduzierte Arbeitszeit verwirklicht wurde, zeigen wissenschaftlich bestätigte Analysen dementsprechend, dass durch eine bessere Arbeitsorganisation eine höhere Produktivität erzeugt wurde. Außerdem wurde die Zufriedenheit der Arbeitenden erhöht und der Krankenstand reduziert. Auch dies könnte also eine Win-win-Situation erzeugen, die sowohl dem Arbeitnehmer als dem Arbeitgeber zugutekommen würde und zudem die öffentliche Gesundheitskasse entlasten würde.

4. Kosten verteilen

Arbeitnehmer verkaufen gegen Lohn ihre Arbeitskraft. Aufgrund von Inflation gibt es in Luxemburg regelmäßige automatische Lohnanpassungen, sowie (wenn auch ungenügende) kollektivvertraglich ausgehandelte Lohnerhöhungen und strukturelle Mindestlohnerhöhungen. Es ist nicht zu verleugnen, dass diese Lohnerhöhungen immer auch einen inflationstreibenden Effekt haben, welcher natürlich auch wiederum die automatische Indexanpassung antreibt. Zudem landet ein Teil der so gezahlten Lohnerhöhungen über den Steuerweg in den Staatskassen.

Natürlich kommt eine reduzierte Arbeitszeit bei gleichem Lohn einer Stundenlohnerhöhung gleich. Sie ist aber entgegen einer „traditionellen Lohnerhöhung“ inflations- und indexneutral. Die Einführung einer reduzierten Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich, die einer reellen Erhöhung des Stundenlohns gleichkommt, würde in diesem Sinne zwar den Staatshaushalt belasten, aber die Betriebe gegenüber einer traditionellen Lohnerhöhung entlasten. Beim vorgeschlagenen Modell ist auch zu definieren, dass die neunte Arbeitsstunde, im Gegenteil zu heute, nicht als Überstunde zu bewerten ist, was die Flexibilität im Sinne der Unternehmen stärken und gleichzeitig eine Kostenersparnis darstellen kann.

5. Qualifizierte Arbeitskraft im Stau

Verlorene reelle Arbeitskraft durch verschenkte Zeit im luxemburgischen Mobilitätschaos ist ein Problem, das unterschätzt wird. Zwar kompensiert der Arbeitgeber meistens die in Luxemburg oft kurzen, aber sehr zeitintensiven Anfahrtswege, indem er sie dem Kunden in Rechnung stellt. Das treibt aber Rechnungen in die Höhe und verhindert so manchen Auftrag. Es bleibt aber vor allem das Problem, dass qualifizierte Arbeitskraft im Stau steckt, dies bei einem offensichtlichen Mangel an Arbeitskraft. Das vorgeschlagene Modell einer 36-Stunden-Woche mit Vier-Tage-Woche würde in vielen Fällen die reelle Arbeitszeit prozentual gegenüber dem aktuellen Modell steigern.

6. Den gesellschaftlichen Notstand verhindern

Immer mehr Elternpaare sind aufgrund ihrer wirtschaftlichen und sozialen Situation gezwungen, zu zweit Vollzeit zu arbeiten. Für den Arbeitsmarkt (siehe oben) und ihre eigene soziale Absicherung nach dem Arbeitsleben ist das sicherlich eine gute Nachricht. Für das Familienleben, für stressvermeidende, gesundheitsfördernde Arbeit, vor allem aber für unsere Kinder jedoch mit Sicherheit nicht. Die staatlichen Anstrengungen, ein umfassendes Netz an qualitativ hohen Betreuungsstrukturen zu schaffen, sind zwar lobenswert und alternativlos. Doch erstens gehen diese Bemühungen nicht weit genug, und zweitens häufen sich die Schwachstellen — allzu oft zulasten eines überforderten Personals. Zudem sollen die Betreuungseinrichtungen immer komplementär zur Elternerziehung wirken und niemals als Ersatz für Elternerziehung herhalten. Aus den oben genannten wirtschaftlichen und sozialen Gründen wird aber genau diese Tendenz zunehmend festgestellt. Mit unvorhersehbaren Folgen, wie Kinderpsychologen schon heute warnen. Eine verkürzte Arbeitszeit mit vollem Lohnausgleich, bei optionaler Möglichkeit zur Vier-Tage-Woche, würde den Familien wieder mehr Zeit geben, ohne weitere soziale Prekarität zu schaffen. Sie würde sich sicherlich positiv auf die Geburtenrate auswirken, mit allen positiven Effekten für das Sozialversicherungswesen. Und nicht zuletzt: Die Kinder von heute sind die Arbeitskräfte von morgen.

Es geht bei der Diskussion um Arbeitsverkürzung nicht nur um einen einfachen Streit der Ideologien, es geht vor allem um die soziale Tragfähigkeit unseres Gesellschaftsmodells. Deshalb darf man die Diskussion auch nicht den selbsternannten bezahlten Wirtschaftsspezialisten aller Schattierungen überlassen, sondern sie in die Gesellschaft hineintragen.

Es gehört seit jeher zum Aufgabengebiet sozialistischer Parteien, gesellschaftsmodernisierende Konzepte (Renten-, Kranken- Pflegeversicherung, 40-Stunden-Woche, Arbeitssicherheit, Universalwahlrecht, Gleichberechtigung, Statut unique usw.) auf die politische Tagesordnung zu bringen und für die Umsetzung dieser Konzepte zu streiten. Niemals aber wurde auch nur der geringste Fortschritt erreicht, ohne dass es heftigste Gegenwehr gab. Dies wird beim Einsatz für die Vier-Tage- und die 36-Stunden-Woche nicht anders sein. Das sollte uns jedoch nicht allzu viel interessieren. Es war und ist diese Fähigkeit der Sozialisten, mit viel Einsatz und Überzeugungskraft immer wieder sozialen Fortschritt erreicht zu haben, die den großen Erfolg sozialistischer und sozialdemokratischer Politik über viele Jahrzehnte ausmacht.

rowohlfart
24. März 2023 - 9.39

Dat huet deen Här, deen aneren ënnerstellt hier Rieden nët selwer ze schreiwen, bei den Englänner ofgekuckt. An do fonktionnéiert dee System resp. déi Méthod och nach laang nët iwerall. Dat hängt vum Betrieb of. Wéi stellt sech de Kersch da vir, wéi dat an der Educatioun, an de Schoulen, ëmzesetzen ass ?

max.l
24. März 2023 - 8.53

ganz kuërz:
36 Stonnen d'Woch schaffen, dat heescht 4 Deeg
4 Deeg zu 9 Stonnen Schafzäit den Dag..
Beispill:
ëch fouren dann aus dem Éisleck Mueres um 05 Auer mam Auto an d'Staat, da sën ëch um 07 Auer op der Schaff
no 09 Stonnen an enger Stonn Mëtteg-Paus, ron 10 Stonnen, d.h.
um 17 Auer fouren ëch dann rëm Heem, da wär ëch wann ët gut rullt um 19 Auer Doheem, mat Stau um 20 Auer
dat sën dann 14 bis 15 Stonnen den Dag..
also do bass dë freckt Owes, du ëss e Maufel, an dann an d'Bett, well um 04 Auer 20 geet de Wecker.. ouff

Phil
23. März 2023 - 11.17

Oh Här Kersch... kennt dee fréieren Kommunist nees aus iech eraus?

carlocoin
23. März 2023 - 9.02

Jo Här Kersch an dann denen aaneren Populismus virwerfen...

Grober J-P.
23. März 2023 - 8.43

Bei meinem früheren Arbeitgeber jenseits der Mosel hat die 35 Stundenwoche ab 95 sehr gut funktioniert, wieso eigentlich? Arbeitnehmer zufrieden, sogar das Patronat nach anfänglichem Sträuben als die bemerkten, dass die Mitarbeiter sich für die Firma noch mehr "einsetzten".

Fred Schwickert
22. März 2023 - 20.15

Bravo Dan Kersch.
Und @charles.hild's beiden Kommentaren, ist eigentlich nichts mehr beizufügen!
Danke auch an Dan Kersch für seinen Einsatz zum ANTI-MOBBINGGESETZ.
Der vom ehemaligen LSAP-Abgeordneten Lucien Lux eingebrachte Gesetzesvorschlag im Juli 2002, wurde von CSV-Arbeitsminister Biltgen abgelehnt.
Auch "LSAP"-Arbeitsminister Nicolas Schmit (2009-2018) holte den Gesetzesvorschlag aus Lucien Lux's Schublade nicht hervor.
All die "negativen" Kommentare, sind die eigentlich von sogenannten "LINKEN" an dieser Stelle geschrieben? Dann wäre dies aber schlimm, aber arg schlimm.
Ein 76.jähriger Rentner

Alli
22. März 2023 - 19.48

Daat ass alt ërem dem Herr Kersch seng arrogant Konzeptlosegkeet
déi hien do vun séch gëtt,als Minister huet hien séch dorëmmer
verkroch an haat absolut guer keen Mumm.

Nomi
22. März 2023 - 18.14

@charles.hild :

La Cigale et la Fourmie !

Den ganzen Daag Trallala an Owens Naischt um Teller, an sech dann iwert di aaner obregen !

charles.hild
22. März 2023 - 16.49

@Malocher&Nomi: Virwat brauche mir da Computer, Kënschtlech Intelligenz, Global Wirtschaft, Roboteren an déck Maschinne, wan d' Mënschen domat net manner schaffe mussen? Weem säi "Wuelstand" musse mir dann erhalen? Et gëlt halt ëmmer nach dem Bertrand Russel séng Erkenntnis: « l 'idée que les
pauvres puissent avoir des loisirs a toujours choqué
les riches ».

Nomi
22. März 2023 - 15.23

Och emol dat Ganzt aus der Sicht vum Patron beliichten.

Den Patron mecht Investissementer fir Machinnen, Komputer, Buromiwel, asw, an kann et nemmen mei' kurzzeiteg notzen. Also gett den Ammortissement mei' laang. Een nei'en Invest kennt mei' spei't. Dann sinn d'Clienten schons laang fort.

An eisen heichlo'un-Laenner geht et net mat manner schaffen, mee mat mei' schaffen fir den selweschten Lo'un !

Malocher
22. März 2023 - 13.26

europa will im alleingang das klima retten die Flüchtlinge aller Länder aufnehmen die work life Balance 32 stunden-woche (bei vollem Lohnausgleich) einführen. in korea z.b.wo die Musik spielt denkt man jetzt an eine 69 stunden Woche. tja monsieur Dan, mit chillen kann man unseren wohlstand nicht erhalten

Julius
22. März 2023 - 10.58

Auf einmal wirft dieser
kommunistischer angehauchte
Politiker mit Kritik und
Besserwisserei um sich,
als Minister hockte er in seinem
Schneckenhäuschen rum und
grübelte über seine Privilegien,
all Kommentar überflüssig.

cs
22. März 2023 - 9.17

Kléngt jo Alles schéin, mee wisou koum déi Erkenntnis eréischt nodeems Dir d'Regieung verlooss hudd ???

trotinette josi
22. März 2023 - 8.53

Der Herr hat Ideen! Träumt er noch oder ist er schon wach? Kersch täte besser daran, die Beine stiill und den Ball flach zu halten. Wie ausgefallen frech er sein kann, hat er vor nicht allzu langer Zeit im Hohen Hause ausgiebig bewiesen.

charles.hild
22. März 2023 - 8.26

Bravo Herr Kersch! Sie haben exakt die richtige Einstellung, die zur LSAP passt. Sie sehen die Probleme unserer Gesellschaft sehr deutlich. Leider, leider hat die LSAP zu viele zaghafte Personalitäten in ihren Reihen, die es nie schaffen, eine richtige Sozialpolitik gegenüber einer DP oder CSV durchzusetzen! Noch schlimmer: es gab und gibt in Luxemburg viele Kaviar-Sozialisten, die es noch bunter treiben als die Vertreter der CSV/DP, und die es lieben, den mächtigen Oligarchen (= viel Geld scheffeln, und sich in der Politik einmischen, wo immer es geht, damit das Geld noch schneller in die eigene Tasche fließt) in Luxemburg die Schuhe zu küssen. Oft sind sie selbst Oligarchen der Wirtschaft. Kein Wunder, wenn immer wieder soziale Errungenschaften (Index, Renten, Arbeitszeit usw.) aus der LSAP heraus angegriffen werden! Kann man eine solch verlogene Partei denn noch wählen?