Deutschland kappt „Zufallsgewinne“
Die deutsche Regierung hat inzwischen drei „Entlastungspakete“ aufgelegt, um die Teuerung, vor allem der Energie, erträglicher zu machen – oder sogar den Preisanstieg an sich zu dämpfen: durch kurzfristige Hilfen, strukturelle Veränderungen und die Abschöpfung von „Zufallsgewinnen“ am Strommarkt.
Letzteres zielt auf den Effekt, der durch das Merit-Order-Prinzip entsteht: Der Preis für Strom bestimmt sich an der Börse durch das teuerste Kraftwerk, das zur Deckung des Bedarfs nötig ist. Somit werden Gaskraftwerke derzeit zu Preistreibern, auch bei weiterhin günstiger herzustellendem Strom, etwa aus Wasser und Sonne. Hier entstehende „Zufallsgewinne“ sollen abgeschöpft und an den Bürger weitergegeben werden – in Form einer „Strompreisbremse“: 75 Prozent des bisherigen Durchschnittsverbrauchs (maximal 3.100 kWh) soll es für maximal 30 Cent pro kWh geben. Für alles darüber muss der aktuelle Marktpreis gezahlt werden, was auch zum Energiesparen animieren soll.
Aber auch auf den Gaspreis für den Endverbraucher soll Einfluss genommen werden – paradoxerweise in beide Richtungen: So ist zwar eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Gas von 19 auf 7 Prozent geplant. Das soll aber nur eine andere, „hausgemachte“ Belastung ausgleichen: die „Gas-Beschaffungs-Umlage“: Gaskunden zahlen nämlich bis März 2024 zunächst 2,4 Cent pro kWh zusätzlich, um damit wiederum die Nöte der Gaslieferanten zu senken, die plötzlich höhere Beschaffungskosten haben. Hinzu kommen eine Bilanzierungs- und eine Speicherumlage, auf die auch noch Mehrwertsteuer gezahlt wird.
Während diese Maßnahmen noch in der Planungsphase sind, unter anderem streiten im föderalen Staat wieder Bund und Länder um die Finanzierung, sind andere Dinge fix beschlossen: So erhalten Erwerbstätige und Rentner eine einmalige Pauschale von 300 Euro, Selbstständige müssen weniger Steuern vorauszahlen. Empfänger der Studienbeihilfe „Bafög“ bekommen einen Heizkostenzuschuss sowie alle Studenten eine Einmalzahlung von 200 Euro.
Der CO2-Preis, der für Emissionen von Kohlenstoffdioxid gezahlt werden muss, steigt nicht um fünf Euro, wie eigentlich vorgesehen. Das entlastet zum Beispiel auch Mieter. „Arbeitslosengeld II“ und Sozialgeld werden ab 2023 durch das „Bürgergeld“ ersetzt, das 53 Euro höher ist (Regelsatz ist dann 502 Euro für Alleinstehende).
Das Kindergeld für die ersten drei Kinder steigt (um 18 Euro) auf jeweils 237 Euro. Familien mit niedrigem Einkommen werden zusätzlich durch einen Sofortzuschlag und die Erhöhung des Kinderzuschlags entlastet.
Das „Wohngeld“ soll deutlich erhöht werden, um 190 Euro pro Monat und Haushalt. Davon profitieren ab Januar 2023 zwei Millionen Menschen. Außerdem sollen Empfänger als schnelle Hilfe einen (weiteren) Heizkostenzuschuss erhalten. Die „Entfernungspauschale“ für Berufspendler steigt rückwirkend zum 1. Januar auf 38 Cent pro Kilometer.
Zudem soll ein bundesweites Nahverkehrsticket eingeführt werden, nachdem das von Juni bis September erhältliche „Neun-Euro-Ticket“ ein großer Erfolg war. Eine Absenkung der Steuern auf Kraftstoffe galt nur kurz: die Steuerentlastung (29 Cent für Benzin, 14 Liter für Diesel) ist inzwischen ausgelaufen.
Um steuerliche Mehrbelastungen auszugleichen, die durch die hohe Inflation entstehen, wird die Steuerlast an die Inflation angepasst. Dazu werden die Tarifeckwerte im Einkommenssteuertarif nach rechts verschoben sowie Grundfreibetrag und Kinderfreibetrag erhöht. Dieser Abbau der „kalten Progression“ soll rund 48 Millionen Steuerzahlern helfen – für Reiche gelten diese Verbesserungen aber nicht. Außerdem sollen höhere Pauschale Werbungskosten und eine höhere Homeoffice-Pauschale die Steuerlast von Arbeitnehmern weiter senken.
Aufwendungen für die Altersvorsorge können bald voll steuerlich geltend gemacht werden – zwei Jahre früher als eigentlich geplant. „Beschäftigte werden dadurch im Jahr 2023 um rund 3,2 Milliarden Euro und 2024 um 1,8 Milliarden Euro entlastet“, heißt es in einer Beispielrechnung der Bundesregierung.
Und wer besonders spendable Arbeitgeber hat, kann sich besonders freuen: Sonderzahlungen, die neben dem regulären Lohn geleistet werden, sollen (einmalig) bis 3.000 Euro steuerfrei bleiben.
Frankreich begrenzt Mietanstiege
In Frankreich versucht man der Inflation durch mehrere Maßnahmen entgegenzuwirken. Angesichts des Anstiegs der Kraftstoffpreise hat die Regierung zum 1. April den „Kraftstoffrabatt“ eingeführt. Der wurde inzwischen bis 30. Dezember 2022 verlängert.
Auch eine andere Preisbremse wird beibehalten: Der Anstieg der Stromrechnungen wird auf vier Prozent begrenzt und die Gaspreise auf dem Niveau vom Oktober 2021 eingefroren – zunächst bis Ende 2022. Darüber hinaus sind 230 Millionen Euro für einkommensschwache Haushalte vorgesehen, die mit Öl heizen.
Eine Reihe von Sozialleistungen werden um 4 Prozent erhöht. Dazu gehören die Grundrente, das aktive Solidaritätseinkommen (RSA), die Aktivitätsprämie, das Kindergeld oder die Beihilfe für behinderte Erwachsene. Die personalisierte Wohnbeihilfe (APL) wird um 3,5 Prozent erhöht. Diese Erhöhungen gelten rückwirkend zum 1. Juli 2022. Im September wird außerdem eine außergewöhnliche Schulanfangsprämie gezahlt. Somit bekommen alle, die Sozialhilfe, Wohngeld oder ein Stipendium erhalten, eine Prämie von 100 Euro pro Haushalt.
Der Anstieg der Mieten wurde bis zum 30. Juni 2023 auf maximal 3,5 Prozent begrenzt. Überhöhte Mieten werden zudem bei Wohnungen mit sanitären Anlagen untersagt. Die Erhöhung der gewerblichen Mieten wurde ebenfalls auf 3,5 Prozent für ein Jahr begrenzt, wenn es sich um Mietverträge mit kleinen und mittleren Unternehmen handelt.
Die 2019 eingeführte außergewöhnliche Kaufkraftprämie („Macron-Prämie“) wird durch die „Wertteilungsprämie“ ersetzt: Sie ermöglicht Prämien von 6.000 Euro nach Steuern in Unternehmen, die eine Gewinnbeteiligungsvereinbarung unterzeichnet haben und 3.000 Euro in allen anderen Unternehmen der Privatwirtschaft. Die Prämie ist freiwillig und liegt im Ermessen des Arbeitgebers.
Die 2,25 Millionen Selbstständigen, die in Frankreich tätig sind, sollen außerdem von einer dauerhaften Senkung ihrer Sozialversicherungsbeiträge profitieren. Diese wird bei Einkommen in Höhe des Mindestlohns etwa 550 Euro pro Jahr betragen. Selbstständige mit einem entsprechenden Einkommen zahlen somit keine Beiträge mehr.
Belgien verhilft zu günstiger Energie
Die Bundesregierung in Belgien hat kürzlich eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, um die Energierechnungen von Haushalten und Unternehmen zu senken. Vor allem sollten Menschen unterstützt werden, die Sozialhilfen in Anspruch nehmen – etwa durch Verlängerung eines Energie-Sozialtarifs. Er kommt bis April 2023 zwei Millionen Menschen zugute, wie auch die auf sechs Prozent reduzierte Mehrwertsteuer.
Ein Basispaket an Gas und Strom zu einem festen Preis wird der „unteren Mittelschicht“ zur Verfügung gestellt. Wer mehr verbraucht, bezahlt darüber hinaus den Normaltarif. Dies soll in den Wintermonaten November und Dezember zu einer durchschnittlichen Senkung der Gasrechnung um jeweils 135 Euro und der Stromrechnung um 61 Euro führen. Zudem ist ein weiterer Heizöl-Scheck über 300 Euro vorgesehen.
Die reduzierten Energiepreise gelten zunächst für alle – wessen Einkommen gewisse Grenzen überschreitet (zum Beispiel 62.000 Euro netto bei Einzelpersonen), wird aber später über die Steuererklärung wieder verstärkt zur Kasse gebeten.
Für Firmen und Selbstständige ist das Aussetzen von Sozialbeiträgen und steuerlichen Abgaben vorgesehen sowie die Einführung einer zeitlich befristeten Form von Kurzarbeit und auch die Reduktion der Akzisen auf Gas und Strom im November und im Dezember. Außerdem gibt es ein „Moratorium“ für Konkurse durch Aktionen von Lieferanten und Gläubigern.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können