„Girl, get it!“ – Grammys feiern die Frauen

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Lange dominierten Männer und männliche Bands die Grammys. Nun kommen bei den Musikpreisen endlich Mädchen, Schwestern und Ladys zum Zug. Die Musikerinnen sprechen sich bei der Gala in Los Angeles Mut zu und üben den Schulterschluss über Generationen und Genregrenzen hinweg.

Als Michelle Obama die Bühne betritt – ungefähr drei Minuten nach Beginn der Grammy-Verleihung – ist die Sache eigentlich schon klar: Diese Gala für den wichtigsten Musikpreis der Welt steht im Zeichen der Frau. Die Feier steht für Frauen, die sich in der von Männern beherrschten Musikindustrie durchsetzen. Für Frauen, die trotz ungleicher Chancen für ihre Musik kämpfen, aber auch für diejenigen, die es in dem oft gnadenlosen Geschäft nicht schaffen. Die Grammys, so die Botschaft am Sonntag in Los Angeles, werden endlich weiblicher.

Eine stärkere Symbolfigur als die ehemalige First Lady, bis heute eine der beliebtesten Frauen des Landes, hätte es kaum geben können. Obama erinnert an all die «Who Run the World»-Songs – ein Verweis auf den gleichnamigen Song von Pop-Übermutter Beyoncé, den Männer durchaus als Kampfansage verstehen können. Neben Michelle Obama stehen Lady Gaga, Jada Pinkett Smith und Jennifer Lopez, nachdem Gastgeberin Alicia Keys dieses Quartett aus geballter Frauenpower als «meine Schwestern» vorgestellt und auf die Bühne geholt hat.

Immer neue Spitznamen findet Keys für die verschiedenen Musikerinnen, die im Lauf der gut dreieinhalb Stunden auftreten oder geehrt werden: «Meine Schwester in der Musik» (Janelle Monáe), «wunderschöne Lady» (Diana Ross) oder «mein Girl» (H.E.R.).

91 Prozent der Nominierten männlich

Es war ein langer Weg bis hierhin, und das Ziel ist noch längst nicht erreicht: In den Jahren von 2013 bis 2018 waren 91 Prozent der Nominierten bei den Grammys männlich, wie die University of Southern California herausfand. Vor allem hinter den Kulissen herrscht Ungleichheit: Die nominierten Produzenten, Toningenieure und Songschreiber sind größtenteils Männer. Eine neue Initiative der Recording Academy soll helfen, hier mehr Frauen zu fördern.

Am Sonntag scheint sich das Blatt endlich gewendet zu haben. Zwei der vier Hauptpreise gehen an Frauen. Kacey Musgraves holt mit «Golden Hour» die Trophäe für das beste Album, Dua Lipa wird beste neue Künstlerin. Cardi B gewinnt mit «Invasion of Privacy» als erste weibliche Solo-Künstlerin den Grammy für das beste Rap-Album, H.E.R. gewinnt die ersten beiden Grammys ihrer Karriere. Fans auf Twitter jubeln, andere meinen: Wurde aber auch höchste Zeit. Vor dem Auftritt von Rapperin Cardi B, die umgeben von 24 Tänzerinnen «Money» singt, ruft Keys ihr zu: «Girl, get it!» Soll in etwa heißen: «Mädchen, schnapp› es dir!»

Ein Jahr ist es her, dass – wie in Vorjahren – die große Mehrzahl der Preise an Männer oder von Männern geführte Bands ging und Männer auch viel häufiger auf der Bühne zu sehen waren als Frauen. Die Gala der 61. Verleihung war nun eine überfällige 180-Grad-Wende: Männliche Stars wie Shawn Mendes, Travis Scott und Rapper Post Malone samt der Red Hot Chilli Peppers wirken wie eingestreut. Quer durch die musikalischen Genres beherrschen Frauen den Abend.

Die doppelte und dreifache Last

Da ist Janelle Monáe, die mit ihrem Moonwalk zu «Make Me Feel» den Saal elektrisiert und am Ende des Songs eiskalt ihr Mikrofon fallen lässt. Da ist Ariana Grande, die nach einem Streit über Planungen ihren Auftritt absagte, aus dem Off aber trotzdem Fotos von sich im Abendkleid postet und dann – ohne anwesend zu sein – den ersten Grammy ihrer Karriere gewinnt.

Nachdem zum Auftakt die ehemalige First Lady der Politik auf der Bühne stand, folgen bald die First Lady des R&B (Diana Ross) und die First Lady des Country (Dolly Parton). Über Genres und Generationen soll die Botschaft starker Frauen greifen, als Parton (73) ihre Hits mit Katy Perry (34), Kacey Musgraves (30) und Miley Cyrus (26) singt.

Am besten fasst Cardi B die doppelte und dreifache Last vieler Frauen in der Musikindustrie zusammen, nachdem sie mit massivem schwarzem Pfauenschwanz eine Edel-Version von «Money» gerappt hat und einen Grammy in der Hand hält. Trotz ihrer Schwangerschaft habe sie «Invasion of Privacy» schnell fertigstellen müssen, sagt Cardi B. Es habe geheißen: «Wir müssen dieses Album abschließen, damit wir die Videos drehen können, während man den Bauch noch nicht sieht.»

 


Die Gewinner

In Los Angeles sind in der Nacht zum Montag zum 61. Mal die Grammys verliehen worden, die als begehrteste Musikpreise der Welt gelten. Über die Gewinner in den insgesamt 84 Kategorien haben rund 13 000 Experten aus der Musikbranche entschieden. Eine Auswahl der Preisträger:

  • Album des Jahres: Kacey Musgraves – «Golden Hour»
  • Aufnahme des Jahres: Childish Gambino – «This Is America»
  • Song des Jahres: Childish Gambino – «This Is America»
  • Bester Newcomer: Dua Lipa
  • Beste Pop-Solo-Performance: Lady Gaga – «Joanne»
  • Beste Pop-Duo-Performance: Lady Gaga und Bradley Cooper – «Shallow»
  • Bestes Popgesangs-Album: Ariana Grande – «Sweetener»
  • Bestes traditionelles Popgesangs-Album: Willie Nelson – «My Way»
  • Bestes Dance-/Electronic-Album: Justice «Woman Worldwide»
  • Bestes Rock-Album: Greta Van Fleet – «From the Fires»
  • Bestes Rap-Album: Cardi B – «Invasion of Privacy»
  • Bester R&B-Song: Ella Mai – «Boo’d Up»
  • Bestes zeitgenössisches Album: The Carters – «Everything is Love»
Garde-fou
12. Februar 2019 - 14.14

Leider zeigt sich an sehr vielen Stellen dass wir noch einen weiten Weg und viele Kämpfe vor uns haben: soziale Gerechtigkeit, Tierschutz und einen halbwegs humanen Umgang mit Zuchtvieh und Zuchtpflanzen (um es mal gelinde und politisch korrekt auszudrücken), Klimaschutz usw. Deshalb haut mich so ein "Erfolg" wie dieser hier leider nicht vom Hocker: man sollte sich nicht auf den (falschen) Lorbeeren ausruhen -> es gibt noch viel zu tun...

Cornichon
11. Februar 2019 - 9.36

"Wir müssen dieses Album fertig machen, während man den Bauch noch nicht sieht." sagt eigentlich alles aus über die Musik von heute.