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CHEM-Generaldirektor Dr. Hansjörg Reimer: „Mit Wien nicht zu vergleichen“

CHEM-Generaldirektor Dr. Hansjörg Reimer: „Mit Wien nicht zu vergleichen“

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Ein Bericht des Luxemburger Wort über einen Bauskandal im Zusammenhang mit dem Krankenhaus Nord in Wien hat vergangene Woche auch das «Südspidol» in die Schlagzeilen gebracht. Die CSV rief die Verantwortlichen des CHEM sogar in eine parlamentarische Kommission. Nach der Kommissionssitzung stellte sich jedoch heraus, dass beim «Südspidol» Vorkehrungen getroffen wurden, die Vorfälle wie die in Wien ausschließen sollen. Der Generaldirektor des «Centre hospitalier Emile Mayrisch» gibt Erklärungen.

Tageblatt: Der Architekt des «Südspidol», Albert Wimmer, ist in Wien in einen «Skandal» im Zusammenhang mit dem Bau des Krankenhaus Nord verwickelt. Seit wann wissen Sie davon?

Hansjörg Reimer: Wir haben im Juni 2016 erfahren, dass in Wien etwas nicht in Ordnung sei. Wir sind daraufhin dorthin gefahren, um die Baustelle zu begutachten. Dabei ging es auch um funktionelle Abläufe in den Notaufnahmen und den Operationssälen. Wir hatten gehört, dass das Krankenhaus Nord im Jahr 2017 eröffnen sollte. Umso erstaunter waren wir, als wir dort nur den Rohbau erblickten. Auf Nachfrage hat man uns geantwortet, dass es einerseits Schwierigkeiten bei der Projektplanung gegeben habe. Weil die Ausschreibungen gleich nach der Finanzkrise erfolgten, wurde überall nur das billigste genommen, um zu sparen. Die Bauunternehmer haben versucht, mit einem Minimum an Mitarbeitern auf der Baustelle zu arbeiten.

Andererseits sollten in Wien elf Krankenhäuser fusionieren und zusammen in das neue Krankenhaus ziehen. Der politische Druck war groß, weil viele der elf Häuser die Fusion nicht wollten. Von diesen beiden Entwicklungen sind wir nicht betroffen. Die Fusionen mit Düdelingen und Differdingen haben wir schon vor über zehn Jahren problemlos hinter uns gebracht. Folglich wissen wir bereits, wie wir uns aufstellen wollen und brauchen uns darüber keine Gedanken mehr zu machen.

Welche Rolle spielt der Architekt in dieser Affäre?

Der Architekt ist der Kreative, der die Pläne entwirft und die Pläne umgesetzt haben möchte. Und dann gibt es ein Team, das für die Umsetzung zuständig ist. Der Architekt ist zwar Teil dieses Teams, aber es gehören auch noch andere dazu.

Wir haben uns für die Schaffung einer Arbeitsgemeinschaft entschieden, die aus einem Statiker, dem Architekten und einem Landschaftsplaner besteht. Die Verantwortung tragen alle gemeinsam. Kontrolliert wird die Arbeitsgemeinschaft durch Projektmanagement, das in unserem Falle von Paul Wurth Geprolux gewährleistet wird. Dabei handelt es sich um ein Unternehmen, das viel Erfahrung hat und genau weiß, wie solche Prozesse ablaufen.

Wie funktioniert dieses Projektmanagement konkret?

Beim Projektmanagement wird dafür gesorgt, dass alle Entscheidungen schriftlich festgehalten werden. Diejenigen, die diese Entscheidungen umsetzen, werden regelmäßig kontrolliert. Durch ein spezielles E-Mail-Programm wird die Kommunikation verbessert. Sämtliche Mail-Austausche müssen über dieses Programm laufen, an das alle unsere Kontrollgremien, Fachberater und Experten, aber auch externe Instanzen angeschlossen sind. Zu Letzteren gehört beispielsweise die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB), die überprüft, ob wir alle Bedingungen erfüllen, um eines Tages mit dem Gütesiegel Nachhaltiges Bauen ausgezeichnet zu werden.

Ende Oktober 2015 wurde Albert Wimmer als Gewinner des Architektenwettbewerbs bekannt gegeben. Hätten Sie schon vorher von dem Wiener «Skandal» gewusst, hätte die Jury sich dann für ein anderes Projekt entschieden?

Nein. Sein Projekt ist ausgerichtet auf die Menschen, die in unserem Krankenhaus arbeiten. Diese Funktionalität stand für uns im Vordergrund. Wir wollten ein sogenanntes «Life-Cycle-Hospital» mit internen und externen Reserveflächen, in Abhängigkeit der Lebensdauer, das während des laufenden Betriebs umgebaut werden kann. Und zwar in dem Sinne, dass teure Umbauten an einer anderen Stelle angedockt werden können.

Wir wollten kurze Wege, weshalb die Gebäude in Form von Dreiecken gebaut werden. Wir wollten eine Trennung der Flows, so dass jemand, der vom Notarzt (SAMU) eingeliefert wird, anders behandelt wird als jemand, der eigenständig in die Notaufnahme kommt. Wir wissen, wie wir funktionieren wollen und haben einen Architekten gesucht, der uns diese Vorstellungen umsetzen kann. Das Projekt von Wimmer, das anonym von der Jury ausgewählt wurde, hat unsere Anforderungen am besten erfüllt. Die Pavillon-Struktur mit den verschiedenen Türmen und dem akuten Bereich dahinter hat uns überzeugt. Es ist ein gutes Projekt.

Auch möchte ich nochmal darauf hinweisen, dass die Zweit- und Drittplatzierten des Architektenwettbewerbs keinen Einspruch gegen die Entscheidung der Jury eingelegt haben, obwohl sie das Recht dazu gehabt hätten. Wenn bei so einem großen Projekt auch nur der geringste Zweifel am Ausschreibungsverfahren oder an der Integrität des Architekten bestanden hätte, dann hätten sie zweifelsohne von ihrem Recht auf Einspruch Gebrauch gemacht.

Bemängelt wird, dass Albert Wimmer erst ein Krankenhaus gebaut hat und daher nicht erfahren auf diesem Gebiet sei. Beim Krankenhaus Nord steht aber auch der Bauträger Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) in der Kritik. Verfügt das CHEM als Bauherr über ausreichend Erfahrung, um zusammen mit Wimmer ein Großprojekt wie das «Südspidol» umzusetzen?

Das Architektenbüro Wimmer hat stets mit Architects Collective ZT GmbH in einer Arbeitsgemeinschaft zusammengearbeitet. Dieses Büro hat schon zehn Krankenhäuser gebaut. Insofern ist das in Ordnung. Wimmer hat aber auch schon andere Projekte umgesetzt, die nicht so negativ behaftet sind wie das Krankenhaus Nord. Dazu gehören der Wiener Bahnhof oder das Kinder- und Jugendzentrum in Freiburg.

Ich kann auch dagegenhalten, dass jemand, der noch nie ein Krankenhaus gebaut hat, jetzt ein Krankenhaus im Auftrag des CHL baut. Manchmal muss man eben Dinge zum ersten Mal machen, das ist nichts Ungewöhnliches. Wenn ein Projektmanagement dahintersteht, kann eigentlich fast nichts schiefgehen.

Was das CHEM angeht, so verfügen wir intern über richtig gute Teams, die seit über 30 Jahren Erfahrung mit An- und Umbauten haben. Dort hinten steht ein ganzer Bau mit 150 Betten, der angebaut wurde. Wir haben das «Centre national de radiothérapie» gebaut und dahinter die Notaufnahme mit Operationssaal. Extern haben wir uns von Anfang an von Paul Wurth beraten lassen. Zur Arbeitsgemeinschaft gehören weiter Rambøll für Konstruktion und Haustechnik, die mit den luxemburgischen Partnern Schroeder & Associés und Feltgen zusammenarbeiten, sowie im Bereich Freiraumplanung Martha Schwartz Partners, die sich die luxemburgische Firma Mersch mit ins Boot genommen hat. All den Mängeln, die der Wiener Rechnungshof beanstandet hat, haben wir einen Riegel vorgeschoben, damit uns so etwas nicht passiert.

Es kann immer vorkommen, dass Dinge nicht so funktionieren wie geplant. Aber was die Leistungs- und die Kostenkontrolle anbelangt, haben wir uns gut aufgestellt.

In Wien hat der «Bauskandal» auch eine politische Dimension. Sehen Sie hinter der rezenten Diskussion um das «Südspidol» in Luxemburg auch politische Interessen?

Wir als Team waren natürlich schon erstaunt, dass der Wiener Skandal so kurz vor der Verabschiedung des Finanzierungsgesetzes im Parlament von der Presse aufgegriffen wurde. Wir haben uns auch darüber gewundert, dass es so weit gekommen ist, dass wir uns vor einer parlamentarischen Kommission verantworten mussten. Wir sind der Meinung, dass wir gute Arbeit geleistet haben und die Art und Weise, wie wir die Dinge hier angehen, mit der Situation in Wien überhaupt nicht zu vergleichen ist.

Am Dienstag wird der Staatsrat sein Gutachten zum Finanzierungsgesetz veröffentlichen. Was erwarten Sie sich von diesem Gutachten?

Ich glaube, dass das Gutachten des Staatsrats einen sehr positiven Einfluss auf das Projekt haben wird. In den vergangenen Jahren haben verschiedene Instanzen auf das Budget geachtet. Die heutige Gesundheitsministerin, die damals noch Präsidentin des CHEM-Verwaltungsrats war, und der CSV-LSAP-Regierungsrat von 2011 haben uns stets geraten, beim Bau auf die Kosten und insbesondere auf die Betriebskosten zu achten. Anschließend haben wir Eigenkontrolle betrieben. Wir haben eine Überprüfung von Paul Wurth durchführen lassen. Dann hat das Gesundheitsministerium kontrolliert, was uns ein halbes Jahr zurückgeworfen hat. Wir mussten weiter streichen, um in der Budgetvorgabe zu bleiben.

Das «Avant-projet de loi» ging mit einer Budgetierung zum Staatsrat. Nach der Zustimmung des Regierungsrats wurde ein Gesetzesprojekt ausgearbeitet, das von der «Commission permanente du secteur hospitalier» und dem Finanzministerium begutachtet wurde. Wir sind durch alle Instanzen gegangen. Ich erhoffe mir ganz klar ein positives Gutachten des Staatsrats. Denn ein unabhängiges juristisches Gutachten würde dem Projekt noch einmal Aufschwung verleihen.

Wie sieht der weitere Zeitplan aus?

Wenn das Gutachten des Staatsrats positiv ausfällt, könnte das Finanzierungsgesetz noch vor den Sommerferien im Parlament zur Abstimmung gelangen. Wir sind schon dabei, die detaillierten und definitiven Pläne zu erstellen. Bis Ende Juni wird alles feststehen. Danach wird nichts mehr an dem Projekt verändert, ohne dass Mehrkosten entstehen. Wir arbeiten mit dem sogenannten «Building information management» (BIM). Das ermöglicht uns, unseren Mitarbeitern bereits vor der Fertigstellung des Gebäudes einen virtuellen Rundgang durch das Krankenhaus anzubieten.

Wann soll die Bauphase beginnen?

Die Schrebergartenbesitzer sollen ihre Parzellen bis Ende des Jahres räumen. Wir selber müssen einen Aushub von 300.000 Kubikmetern Erde durchführen. Die Bauunternehmer meinen, der Boden sei dort sehr weich. Sie sprechen schlichtweg von «Mayonnaise». Deshalb würden sie ihn gerne ausdünsten lassen. Die Aushubarbeiten könnten demnach im Frühjahr oder spätestens im Herbst 2019 beginnen. Binnen wenigen Monaten werden 90.000 Lastwagenladungen nötig sein, um den Boden wegzuschaffen. Der erste Spatenstich soll dann 2020 erfolgen. Die Eröffnung ist für September 2023 geplant.

Wie wird der Umzug vonstatten gehen?

Die aktuellen CHEM-Gebäude bleiben in Betrieb, bis das «Südspidol» öffnet. Der Umzug soll mithilfe der Rettungsdienste innerhalb eines Wochenendes erfolgen. Die Notaufnahme im Süden wird dann für zwei Tage entfallen. Natürlich ist der Wechsel mit einem erheblichen logistischen Aufwand verbunden. Der Umzug muss sorgfältig geplant werden.

Was wird mit den aktuellen CHEM-Gebäuden passieren?

Das Gebäude in Esch gehört der CHEM-Stiftung, doch das Grundstück ist im Besitz der Stadt Esch. In Düdelingen und Differdingen ist die Konstellation ähnlich. In Düdelingen hat die «Association Luxembourg Alzheimer» bereits Interesse bekundet, in den bestehenden Strukturen ein Zentrum für Alzheimerpatienten aufzubauen. Für die Standorte in Esch und Niederkorn wurden zwar bereits Ideen geäußert, die aber noch sehr vage sind.