Eine gute Work-Life-Balance zu finden, wird für Arbeitnehmer immer wichtiger. Premierminister Xavier Bettel hatte in seiner Rede zur Lage der Nation im Oktober 2021 einen Plan zur „Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben“ angekündigt. Am Dienstagnachmittag wurde ein diesbezüglicher Gesetzentwurf einstimmig vom Parlament angenommen. Er soll zu einer besseren Ausgewogenheit zwischen Familie und Arbeit führen.
Durch das Gesetz werden gleich sechs neue „Urlaubstage“ geschaffen. Zum einen erhält jeder Arbeitnehmer das Recht auf fünf Tage zusätzlichen Urlaub, um einem Familienmitglied zu helfen. Zum anderen erhält man auch das Recht auf einen zusätzlichen freien Tag „en cas de force majeure“. Diese neuen Urlaubsansprüche gelten pro Arbeitnehmer und pro Jahr.
Die Finanzierung dieser zusätzlichen bezahlten freien Tage übernimmt zur Hälfte der Staat, zur Hälfte der Arbeitgeber – ein Detail, das von der DP in der Person von Carole Hartmann kritisiert wurde. Hier würde Luxemburg weiter gehen, als eine entsprechende EU-Direktive es eigentlich verlange: Die zusätzlichen Tage wären auch als unbezahlter Urlaub denkbar gewesen.
Hilfe für schwer kranke Familienangehörige
Sozialminister Georges Engel widersprach dieser Ansicht: In dem Fall wäre es nur ein Recht für Personen, die genug Geld haben. Es sei auch normal, dass man für einen freien Tag im Falle einer „force majeure“ kein ärztliches Attest braucht, denn eine solche Forderung wäre unrealistisch, so Engel. Der Arbeitgeber müsse sich auf die Ehrlichkeit der Arbeitnehmer verlassen.
Für die fünf anderen Tage hat man dem Gesetz zufolge nur Anspruch darauf, falls Pflege oder Hilfe aus schwerwiegenden medizinischen Gründen, die von einem Arzt bestätigt wurden, benötigt wird. Vor allem gehe es bei diesem Gesetz um den Wert, den wir unseren Liebsten beimessen: Es erlaube der Familie, füreinander da zu sein, wenn dringend Hilfe nötig ist.
Jeder, der einen Kranken zu Hause pflegen muss, ist in einer prekären Situation, er braucht keinen zusätzlichen Stress auf der Arbeit
Das gleiche Gesetz sieht ebenfalls vor, dass der Arbeitnehmer flexiblere Arbeitszeiten anfragen darf; die Entscheidung darüber bleibt aber beim Arbeitgeber. Charles Margue („déi gréng“) begrüßte zwar einerseits das Gesetz („Jeder, der einen Kranken zu Hause pflegen muss, ist in einer prekären Situation, er braucht keinen zusätzlichen Stress auf der Arbeit“), bedauerte andererseits aber auch, dass man die Urlaubstage nur in Anspruch nehmen darf, wenn es darum geht, Familienangehörigen zu helfen. „Die Menschen, die uns am liebsten sind, gehören nicht unbedingt zur Familie“, fügte Margue hinzu – eine Kritik, die Sven Clement (Piratenpartei) teilte.
Bei einem weiteren Gesetz ging es ebenfalls um Urlaub. Mit großer Mehrheit von 56 Stimmen (die ADR enthielt sich) stimmte die Chamber der Ausweitung des „Pappecongé“ zu: Erstens können von diesen zehn Tagen bei gleichgeschlechtlichen Paaren nun auch Personen davon profitieren, die als „second parent“ (also der nicht-biologische Elternteil) gelten; zweitens gilt das Recht nun auch für Selbstständige (und nicht nur für Angestellte).
Mehr Wahlberechtigte bei den Sozialwahlen
Bestimmte Kategorien von Arbeitnehmern, die zwar Beiträge an die Arbeitnehmerkammer entrichten, konnten bis dato nicht an den Sozialwahlen teilnehmen. Auszubildende, entschädigte Arbeitssuchende und Empfänger von finanzieller Unterstützung oder einer Beschäftigungsmaßnahme waren davon ausgeschlossen. Durch eine Änderung einerseits des Arbeitsrechts und andererseits des Gesetzes zur Schaffung der Berufskammern erhalten nun rund 12.000 Menschen ihr Wahlrecht für die Sozialwahlen. Da sich unter den Lehrlingen etliche Personen im Alter unter 18 Jahren befinden, wurde das aktive Wahlrecht bei den Sozialwahlen auf 16 Jahre gesenkt.
Die Abgeordneten beschlossen am Dienstag des Weiteren die Abschaffung einer Maßnahme aus dem Gesetz von 2003 bezüglich Menschen mit Behinderung. Laut diesem Gesetz konnte der nationale Solidaritätsfonds gezahlte Beiträge zum „revenu pour personnes gravement handicapées“ (RPGH) in der Höhe einer eventuellen Erbschaft von den Empfängern zurückfordern. Diese Bestimmung wurde aus dem Gesetz gestrichen.
Wer muss überhaupt noch und wann für viel Lohn arbeiten?
Der Arbeitgeber wird es freuen. Mehr bezahlen für weniger Arbeitsleistung