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KunsteckeBücher zu zwei Ausstellungen (Teil II): Bettina Scholl-Sabbatini

Kunstecke / Bücher zu zwei Ausstellungen (Teil II): Bettina Scholl-Sabbatini
Hibou, Bronze Foto: Archiv der Künstlerin/mediArt

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Die Galerie Schlassgoart wird die Bildhauerin mit einer großen Retrospektive ehren. Haben wir das Buch zur Trémont-Ausstellung zum Auftakt des Escher Kulturjahres 2022 als Dokumentation im Nachhinein zur Expo vorgestellt, so ist das uns nun vorliegende Buch zu Bettina Scholl-Sabbatini wohl eher ein Vorgeschmack auf die 2023 geplante Schau. Beide sind wegweisende Dokumentationen. Im ersten Teil unserer Buchbesprechungen haben wir das Werk zu „Trémont“ vorgestellt, heuer geht es um das Buch „Bettina Scholl-Sabbatini“, das erst vor kurzem erschienen ist.

Wer sich mit offenen Augen und Sinn für ästhetische Ornamente, geschwungene Figuren und elegante Skulpturen durchs Land bewegt, ist zwangsläufig auf ein Werk der vor 80 Jahren in Esch/Alzette geborenen Künstlerin gestoßen. Bettina Scholl-Sabbatini hat sowohl die „Melusina Mater“ neben dem „Centre hospitalier“ in Luxemburg-Stadt als auch eine monumentale Skulptur vor der Handwerkskammer auf Kirchberg und das Werk „Lube“ beim Butzenhaus in Bartringen realisiert. Andere Standorte wären aufzulisten, doch weisen wir eingangs hier noch auf ihr letztes bedeutendes Werk im öffentlichen Raum hin. Im Oktober wird in Rodange eine Rieseneule (7 m hoch) aus Bronze eingeweiht – ein weiterer Mosaikstein in dem reichhaltigen und bunt gestalteten Werk von Scholl-Sabbatini. Die eigensinnige Künstlerin hat neben ihren zahlreichen Großprojekten auch kleinere und mittlere Skulpturen unterschiedlicher Materialbeschaffenheit kreiert. Das Buch trägt dem Rechnung, die Retrospektive in der Galerie Schlassgoart wird dies wohl auch ausführlich vor Augen führen.

Facetten einer eigenen Kunstwelt

Kurator Paul Bertemes notiert, die künstlerische Neugierde von Bettina Scholl-Sabbatini sei von innovativem Denken und der spontanen Freude am Gestalten geprägt: „Die Konstante auf diesem Weg ist die Auseinandersetzung mit dem Menschen, seinem Leben, seinem Fühlen, seinen Mythen, seinen Urbildern.“ Sie habe nach der Keramik zu einer „eigenen Technik der Bronzeskulptur“ gewechselt und dabei parallel „Kontakt zu der archaischen, mystischen und mystischen Ursprünglichkeit der Werke afrikanischer Naturvölker“ aufgenommen. Hieraus hat sich ein eigener, ein eigenartiger Schaffensweg entwickelt, den die Verleger und Autoren des Buches in Themenkomplexe und Schaffensperioden gegliedert haben.

Nathalie Becker macht drei Ankerpunkte fest, „Liberté, fantaisie et mysticisme“, und dekliniert diese in ihrem Beitrag sozusagen von den ersten Gehversuchen mit familiären Einflüssen (Vater der Künstlerin war der Bildhauer Aurelio Sabbatini) und Keramik bis hin zur Bronzefigur mystischer und naturverbundener Inspiration. Eigenartige Figuren afrikanischen Einflusses bis hin zu stilvollen Fantasiegebilden und medizinischen Heilwesen bilden Scholl-Sabbatinis Schaffen. Die Künstlerin hat dabei der Frau als Mutter und engagierten Menschen (Hommage à Louise Michel) ihre Referenz erwiesen, wobei sie auch dem Frauentorso huldigt und diesen in verschiedenen Materialien zu ausdrucksstarken Skulpturen formt.

Die Kunstwissenschaftlerin Marion Vogt geht auf den Drang der Bildhauerin in ihrem Verständnis, „die Form spüren zu müssen“, sich immer wieder neu zu entdecken und die Umwelt aufzusaugen, um Neues zu schaffen, ein. „Im Modus steten Wandels“ umschreibt sie ihren Beitrag, der sowohl den Wandel der Materialien als auch die sich ändernden Erfahrungen der Künstlerin aufgreift, wobei sie klarmacht, wie Bettina Scholl-Sabbatini, die sie seit vielen Jahren begleitet, diese Entwicklungen auch thematisch mit den eingesetzten Stoffen in Einklang zu bringen versucht. Schlussfolgernd hält sie u.a. fest: „Gefasst in eine narrative Formensprache, eröffnen ihre individuellen Mythologien vielschichtige Assoziationsräume, die es erlauben, uns das Gesehene anzuverwandeln. Einzutauchen in die lebendig pulsierenden Dimensionen eines kreativen Freigeistes.“

Zahlreiche Werke im öffentlichen Raum

Anhand von mehreren Skulpturen, die selektiv im Bild gezeigt werden, analysiert Marian Vogt anschließend die Zyklen „Mélusine – Mythes et Métamorphose“, „Coquilles – l’âme des intimes espaces“, „Caises – Les Sièges animés“ und zitiert zu Letzteren die Künstlerin mit den Worten: „Stuhl mit Kopf oder Kopf mit Stuhl – jeder kann das Werk seiner subjektiven Wahrnehmung entsprechend benennen.“ Einige dieser Stühle-Bilder, etwa in Strassen neben den Thermen, sind dramatisch in Szene gesetzt und verleihen den Werken der Künstlerin einen ganz spezifischen Touch.

Bettina Scholl-Sabbatini hat italienische Wurzeln. Diesen geht Maria Luisa Caldognetto, Professorin für italienische Literatur an der Universität Trier, nach und skizziert den künstlerischen Weg der Bildhauerin, macht dabei gar eine italienische Periode anhand zahlreicher Werke und Aufenthalte wie Ausstellungen aus. Dieser Text ist mit unbekannten Fotos und Abbildungen u.a. von Muschelskulpturen und der oben angesprochenen Eulen-Skulptur in Rodange sowie einer Aufnahme der Künstlerin bei der Feinarbeit an einem Objekt illustriert. Dieses Lichtbild sowie zahlreiche weitere Fotos stammen von Tom Hermes.

Es folgen auf zehn Seiten Fotos von Skulpturen und Objekten, die sich vorwiegend auf ihren afrikanischen Einfluss und ihre Auseinandersetzung mit diesen Kulturen und Mythen beziehen. Paul Bertemes sagt u.a. dazu: „In diesen oft fetischhaften Behausungen wohnen Geister, die sich auch der moderne Mensch als wohlgesinnte Freunde wünscht.“ Viele dieser doch strukturierten Objekte sind aus recht unterschiedlichen Materialien kombiniert und zeugen von der Fähigkeit der Künstlerin, sich zwischen Kulturen und Standorten zu bewegen. Vom Layout her – die Fotos sind wie Perlen einer Kette aneinandergereiht – bleibt diese Serie in Erinnerung der Leser.

Eine ausführliche Vita der Künstlerin zeugt von ihren zahlreichen Ausstellungen in Luxemburg, in Italien und anderen Ländern, wobei die Liste der 16 Objekte im öffentlichen Raum sowohl in Luxemburg als auch in Belgien und in Deutschland und der Hinweis auf zahlreiche Einrichtungen in Kirchen Zeugen ihrer Überzeugungen sind. Das Buch „Bettina Scholl-Sabbatini“ wird von der Künstlerin in Partnerschaft mit der Agentur mediArt verlegt. Die Konzeption ist von Paul Bertemes und Jean Colling. Die Fotos stammen von Serge Hieronimy, Jean-Jacques Grethen und Tom Hermes. Den gelungenen Druck besorgte die Imprimerie Schlimé aus Bartringen. Das Buch entspricht der Vielseitigkeit der Künstlerin, gibt ihre diversen Schaffensperioden, ihre wichtigen Anliegen und Themen wider und gibt einen ansprechenden Vorgeschmack auf ihre kommende Retrospektive.

Info

„Bettina Scholl-Sabbatini“, ein Buch zum Leben und Werk der Künstlerin, ist für 30 Euro im Buchhandel (Librairie Diderich in Esch/Alzette, Ernster in Luxemburg) und der Galerie Schlassgoart erhältlich.