Von unserem Korrespondenten Eric Bonse
Jahrelang waren «Whistleblower» (anonyme Hinweisgeber) in Brüssel verpönt. Als sich der Franzose Antoine Deltour vor zwei Jahren vor einem Luxemburger Gericht in der LuxLeaks-Steueraffäre verantworten musste, weil er brisante Informationen an die Medien durchgestochen hatte, konnte er nicht auf Hilfe von der EU-Kommission rechnen. Doch nun hat die Behörde ihre Meinung geändert.
Gleich zwei Kommissare stiegen gestern auf die Bühne des Pressesaals der EU-Kommission, um einen Gesetzentwurf zum Schutz der Whistleblower vorzustellen. «Es sollte keine Strafe dafür geben, das Richtige zu tun», sagte Vizepräsident Frans Timmermans. Whistleblower seien wichtig, betonte Justizkommissarin Vera Jourová.
Bei den LuxLeaks, aber auch beim Dieselgate und beim jüngsten Facebook-Skandal hätten die «Einflüsterer» der Gesellschaft wichtige Dienste geleistet, heißt es nun in Brüssel. Timmermans begründete den späten Sinneswandel mit der Europawahl 2019: «Die Bürger sollen sehen, dass wir ihnen etwas bieten können», so der Niederländer.
Einen wichtigen Anstoß gaben auch die Morde an zwei prominenten investigativen Journalisten. Jourová würdigte Daphne Caruana Galizia aus Malta und Jan Kuciak aus der Slowakei: «Das schulden wir den Journalisten, die ihr Leben verloren haben, weil sie zu tief gebohrt haben.» Auch sie sollen durch den Entwurf besser geschützt werden.
Allerdings entspricht das nun vorgeschlagene Gesetz nicht wirklich dem Arbeitsalltag von Informanten und Reportern. Es sieht den Aufbau eines komplizierten Meldesystems für Firmen und Behörden vor. Erst wenn dieses neue System versagt, sollen Missstände veröffentlicht werden. Dies sei der «letzte Ausweg», meint die EU-Kommission. Nur so könne «ungerechtfertigter» Rufschaden verhindert werden.
Pflicht zu internem Meldesystem
Das neue EU-Gesetz würde Firmen und Behörden ab einer bestimmten Größe zum Aufbau eines internen Meldesystems verpflichten. Dieses muss klare Ansprechpartner für potenzielle Whistleblower nennen und dafür sorgen, dass ihre Identität vertraulich bleibt. Drei Monate hätten die Firmen oder Behörden Zeit, um auf Meldungen zu reagieren.
Wenn die Frist abläuft, ohne dass der Whistleblower eine Reaktion erhält oder die Firma oder Behörde den Missstand abstellt, kann er sich auch direkt an den Staat wenden. Auch dieser muss klare Adressaten und Verfahren für Whistleblower benennen. Die Behörden sollen dann wiederum innerhalb von drei bis sechs Monaten reagieren.
Hier sieht die Kommission aber Ausnahmen vor. Wenn der Whistleblower annehmen kann, dass die Unternehmen oder Behörden und die staatliche Anlaufstelle unter einer Decke stecken, oder bei dringender Gefahr für öffentliche Interessen kann er sich auch direkt an die Presse wenden.
«Wir werden handeln»
Ob ein solches Verfahren geholfen hätte, die vermuteten Missstände im Steuersystem von Luxemburg zu beheben oder Geldwäsche auf Malta aufzuklären, muss sich erst noch erweisen. Zunächst müssten alle Fakten geprüft werden, sagte Timmermans zu den Vorwürfen gegen Malta. «Wenn irgendetwas herauskommt, das unser Handeln rechtfertigt, werden wir davor nicht zurückschrecken, wir werden handeln.»
Brüssel will also nicht automatisch auf Vorwürfe der Whistleblower und investigativen Journalisten reagieren. Und diese sollen auch nicht mehr (wie bisher) selbst die Initiative ergreifen, sondern sich auf langwierige Überprüfungen einlassen. Dennoch erhielt der Vorschlag der Kommission viel Lob. Von einem «Durchbruch» sprach der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold. Auch Transparency Deutschland begrüßte den Entwurf.
Bisher ist der Schutz von Whistleblowern in den 28 EU-Staaten sehr unterschiedlich geregelt. In Großbritannien und Irland genießen sie hohen Schutz. In Zypern gibt es dagegen überhaupt keine Regelung. Die deutsche Regierung hat einen eigenen Entwurf vorgelegt, der nach Ansicht von Kritikern aber weit hinter dem EU-Vorschlag zurückbleibt.
Da bekam ich doch vor kurzem staatliche Post dass meine Firma strengste Datenschutzmassnahmen gegenüber meiner Kundschaft einhalten muss . Soll von BXL kommen und wird national umgesetzt .
Ist ok - wurde sowieso in unserem Haus praktiziert . Dass aber andererseits Arbeitnehmer genau gegenteilig zum Verrat am Arbeitgeber animiert werden kann ich schwer nachvollziehen . Arbeitnehmer haben zwangsläufig auch Zugang zu Kundenakten . Was nun ?
Es wird also ein System implementiert, das sich in der Vergangenheit bereits als ungeeignet herausgestellt hat.
Edward Snowden hat beispielweise die internen Whistleblower-Kanäle bewusst übergangen. Er hatte dürch Fälle vorangegangener Whistleblower gemerkt dass dieses Meldesystem dazu genutzt wurde die Verwaltung zu schützen und die Melder mundtot zu machen, nicht aber um Missstände zu beheben.
Auch die Verantwortlichen eines internen Meldesystems werden von der Firma bezahlt, und möchten im Zweifelsfall lieber ihren Job behalten. Gerade im Fall Luxleaks gab es ja die Argumentation, dass alles legal sei. Es entbehrte nur leider aller Ethik.