Wer kennt sie nicht, die Mega-Figuren aus Bronze der Künstlerin Bettina Scholl-Sabbatini. Eine sieben Meter hohe Mega-Eule (Rail Owl) aus Bronze wurde kürzlich in Rodange eingeweiht. Kleinere Exemplare dieser oder ähnlicher Eulen sind derzeit inmitten einer Auswahl an Bronze-Skulpturen aller Schattierungen und Keramikwerken im „Pavillon du centenaire (Arcelor/Mittal)“ in den Nonnewisen in der Minette-Metropole zu sehen.
Die Ausstellung mit rückblickendem Charakter folgt auf die Veröffentlichung im Jahre 2022 eines Buches über Leben und Werk der Bildhauerin (siehe „T“ vom 5.9.2022). Sie hat sich nie einem Trend gebeugt, ist in ihrem Schaffen stets ihren Reise-Erlebnissen, u.a. Afrika, und Beobachtungen sowie religiösen Überzeugungen gefolgt. Zu dem afrikanischen Einfluss auf ihr Schaffen hat Kurator Paul Bertemes u.a. im Buch festgehalten: „In diesen oft fetischhaften Behausungen wohnen Geister, die sich auch der moderne Mensch als wohlgesinnte Freunde wünscht.“
Die Künstlerin kreiert ihre Figuren, teils als Vorlage für ihren Guss in Bronze, teils unter Nutzung unterschiedlicher Werkstoffen, wobei sie sich zwischen Kulturen, Standortbestimmungen und Mythen sowie ganz menschlichen Empfindungen zu bewegen weiß.
Nach dem Buch die Ausstellung
Die Künstlerin dokumentiert in ihrer Ausstellung sowohl ihre intim inspirierten Arbeiten, die sich in verschiedenen freien Formen mit dem menschlichen Körper auseinandersetzen, flüchtet parallel in die Welt der Geister und Mythen mit kuriosen Tiergestalten und einladenden „Melusinen“ und taucht gleichzeitig in zeitgenössische Interpretationen christlicher Bekenntnisse ab. Kreuzigungsszenen auf imaginären Altären, erstarrte Tabernakel auf Ständern oder ein traditionell gehaltenes flaches Gebilde mit ähnlichem Motiv, etwa in Italien, drücken diese religiöse Spurensuche aus. Sie hat sich im Laufe der Jahre mit Muscheln und ihrer Darstellung kreativ beschäftigt, sowie Traditionen fremder Länder in ihren Werken, etwa in der Serie „Canne de chef“ oder den drei mächtigen „Totems“, verarbeitet. So hat sie Ihre Themen und Motive regelmäßig ergänzt und versucht, sie in der ihr eigenen zwangsfreien Schaffensart in Kunstobjekte umzusetzen.
Breite Themenpalette
Apropos, die Künstlerin hat stets mit Lehm und Ton Keramiken hergestellt. Doch sie ist progressiv mit einer eigenen Technik an die Formung der Bronze herangegangen und hat dieses Basismaterial mit gebrauchten und neu verwendeten anderen Werkstoffen ergänzt. Herausgekommen ist eine Kombination aus stilisierter Formgebung und Assemblagen mit eigener spielerischen Ausstrahlung, obwohl die komplex gestaltete Reihe „Hommage à Gustav Vigeland“ alles andere als locker-leicht daherkommt.
Von ihr werden in der Expo aber auch große Plastiken in Form eines „trône du bon esprit“, besagter drei „Totems“ oder zwei „Hiboux“ und andere Werke gezeigt. Interessant ist ihre Konfrontation mit der Wissenschaft („science sacrée“) und der Medizin, Arbeiten, in denen sie auch fremde Gegenstände (etwa Spritzen) in die strengen Bronze-Konstruktionen einbaut oder in der Serie „Pillenapotheke“ echte Pillen metallisch veredelt und mit Metall kombiniert. „Garderobe des Génies“ und „Transcendance“ sind andere Gruppen, die für ihre breite Themenpalette stehen. Standobjekte, Tischskulpturen und liegende Gebilde, beispielsweise die kopflosen Melusinen-Körper passend grünlich patiniert, sowie eine kleine Schar rezent „geborener“ Eulen runden diese beeindruckende, gekonnt inszenierte Retrospektive mit insgesamt 75 Werken und sieben farbigen Mini-Eulen ab.
Der mit dem Ton flüstert
Mit rund 40 Objekten aus Ton und Lehm, mal in bräunlich-ockerer Grundfarbe, mal in Raku-Schwarz, dann wieder – je nach Schaffensperiode – weiß getüncht, präsentiert Keramiker Pit Nicolas seinen beeindruckenden Rückblick auf ein, trotz der Starre der Objekte, sehr lebendiges Werk. Zig Ausstellungen im Ausland, noch mehr in Luxemburg sowie Anerkennungen von Fachjuroren und Kunstkritikern, der Künstler kann auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken. Derzeit betreibt er außerdem in seinem Atelier in Friedbusch die Galerie „Um Friedbësch“ im Norden des Landes, eine Region, die er vor Jahren bereits künstlerisch mit Initiativen wie einem „Skulpturenweg“ in freier Natur animiert hat.
Pit Nicolas, der sich mit dem Ton-Material auseinandersetzt, spürt sich in allen Entstehungsphasen seiner Arbeiten wohl. Von der Konzeption über die Formgebung bis zum Brennen bei geeigneter Temperatur im Ofen, er beherrscht seine Kunst, er haucht, er flüstert seinen oft architektonisch angelegten Gebilden eigenständiges Leben ein. Die aktuell in der Galerie Simoncini laufende Ausstellung umfasst Arbeiten, die von 1982 bis in die heutige Zeit reichen, von der Grundform und der Konsistenz her in Gruppen eingeteilt sind, wobei es zwischen auf Metall aufgestülpten Objekten und auf eigener Grundlage sesshaften Skulpturen, die sich auch mal vertikal in die Höhe strecken, zu unterscheiden gilt. Zwei Großgebilde, die wie Felsformationen an der Küste der Bretagne aussehen, dominieren visuell die zahlreichen kleineren und mittleren Exponate. Seine Kreationen präsentieren sich meist in Linien, geometrischen Basisflächen, sind Werke mit rauen Kanten, die er teils ineinandergeschoben oder zu kleinen Gebäuden getürmt hat, und so Öffnungen für interessante Lichteffekte bieten.
Die durch die Raku-Technik geprägten Oberflächen lassen Raum für Spekulationen über das Innenleben seiner Figuren. Ohne Titel präsentieren sich einige Wandobjekte, kompakter, expressiv, augenscheinlich die Vielseitigkeit keramischer Gestaltungsmöglichkeiten plastisch illustrierend. Immer wieder faszinierend ist zu sehen, wie er das Basismaterial Ton in diversen Farbabstufungen einsetzt, wie bei seinen „Schiffchen“, seinen bläulich-weißen Objekten und den bereits erwähnten „Steinblöcken“.
Pit Nicolas ist zweifelsohne der bedeutendste Vertreter der Keramik-Kunst hierzulande, auch weil er auf die Herstellung von Gebrauchsgegenständen verzichtet und sich in einer abstrakt ausgelegten Kunst übt, ein Œuvre, das neben einer perfekt beherrschten und speziell ausgerichteten handwerklichen Technik auch konzeptuelles Denkvermögen voraussetzt.
Mit „Sculptures en terre cuite“ dokumentiert die Galerie nach einer Werkschau mit Holzfiguren die Vielseitigkeit der Bildhauerei in Luxemburg, derweil in der Galerie Schlassgoart mit den Bronze-Arbeiten der Bettina Scholl-Sabbatini eine weitere Palette dieser Kunst exemplarisch vorgeführt wird.
Ausstellungen
Bettina Scholl-Sabbatini, noch bis zum 22. April in der Galerie Schlassgoart in Esch-Alzette. Die.- Sa.: 14.00-18.00 Uhr.
Pit Nicolas, noch bis zum 29. April in der Galerie Simoncini, Luxemburg-Stadt. Di.- Fr.: 12.00-18.00 Uhr, Sa.: 10.00-12.00, 14.00-17.00 Uhr.
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