«Sie sind ein Lügner!» Die Szene, in der Karin Dor als Bond-Girl Helga Brandt dem gefesselten Agenten erst eine schallende Ohrfeige gibt, ihn dann mit einem Skalpell bedroht und schließlich zärtlich küsst, gehört zu den eigenartigsten Momenten in der weltweit erfolgreichen Kinoreihe. An der Seite von Sean Connery war sie in «James Bond 007 – Man lebt nur zweimal» eine gefährliche rothaarige Schönheit – das bis heute einzige deutsche Bond-Girl. Das war 1967.
Die Deutschen hatten sie da schon ein paar Jahre zuvor ins Herz geschlossen, als Ribanna, die große Liebe des Apachenhäuptlings Winnetou aus den bekannten Karl-May-Filmen. Nun ist die prominente Schauspielerin tot. Karin Dor, die zuletzt in Bayern lebte, starb am Montagabend im Alter von 79 Jahren. Das wurde am Mittwoch bekannt.
Vom Set zum Altar
Ihre Karriere hatte schon früh begonnen. 1938 wurde sie in Wiesbaden als Kätherose Derr geborene. Mit etwa 17 Jahren erhielt sie ihre erste kleine Rolle im «Rosen-Resli». Die gerade einmal neun Jahre alte Christine Kaufmann wurde als verwaistes Blumenmädchen zum Kinderstar. Auch für Dor zahlte sich der Film aus dem Jahr 1954 aus, obwohl sie nur einen Satz sprechen musste: «Himmlisch, Frau Chefin, einfach himmlisch!». Regisseur Harald Reinl war hin und weg. Er engagierte sie für sein nächstes Projekt «Der schweigende Engel» und führte sie auch gleich vor den Traualtar.
Fortan ging es mit Dors Karriere nach oben. Mal war sie die verfolgte Unschuld, mal die schutzbedürftige Schönheit, sanft und etwas naiv. Reinl gab ihr gerne Rollen, in seinen «Winnetou»-Filmen ebenso wie in den Edgar-Wallace-Gruselstreifen, wo sie Joachim «Blacky» Fuchsberger kennenlernte. Dors Paradeblick: große, entsetzt aufgerissene Augen. Ein Image, das ihr irgendwann nicht mehr behagte.
Ein Auf und Ab
Dor wollte diese Rollenklischees hinter sich lassen, was Reinl unterstützte. In «Zimmer 13» besetzte er sie als pathologische Mörderin. Und in seinem zweiteiligen «Nibelungen»-Epos spielte sie die Brunhilde. 1967 dann ihre internationale Chance als Bond-Charakter Helga Brandt. Kurz darauf bekam sie ein Angebot des Meisters der Spannung: Alfred Hitchcock, der sie als heißblütige Kubanerin für den Spionagethriller «Topas» engagierte.
Privat ging es bei Dor in dieser Zeit auf und ab. 1955, im Jahr nach der Hochzeit mit Reinl, wurde ihr Sohn Andreas geboren. Gut 14 Jahre lang hielt die Ehe mit dem Regisseur, bis sie 1968 geschieden wurde. Außerdem ein Schicksalsschlag: Krebs. Doch Dor ließ sich nicht unterkriegen, auch wenn es ruhiger um sie wurde.
Auch im Theater aktiv
Sie spielte in der US-Krimi-Serie «Der Chef» an der Seite von Raymond Burr und in der britischen Produktion «Al Mundy». Auch viele deutsche Filme folgten, etwa «König ohne Krone», Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen oder mit Katja Riemann in Margarethe von Trottas Streifen «Ich bin die Andere». Gefallen fand Dor auch am Boulevard- und Komödientheater, wo sie unter anderem mit Claus Biederstaedt auftrat in dem Stück «Der Neurosenkavalier».
Noch zwei Mal war Dor nach ihrer Trennung von Reinl verheiratet. Eine Kurzehe mit einem Kaufmann, dann ab 1988 mit dem US-Amerikaner und Stuntman George Robotham, der 2007 starb. Unverbrüchlich treu blieb Dor «ihrem» James Bond, Sean Connery, den sie in «Man lebt nur zweimal» mit dem Skalpell bedroht und später im brennenden Flugzeug festsetzt, während sie selbst sich mit einem Fallschirm rettet. Trotzdem küsst sie ihn leidenschaftlich.
Schwärmerei für Connery und Brice
«Bei den ersten Proben dachte ich: Um Gottes willen, ist der langweilig!», sagte Dor mal im Interview der «Süddeutschen Zeitung». «Aber als die Klappe fiel, war plötzlich alles da: der Wahnsinnscharme, die Coolness und the sparkle, dieses berühmte Funkeln in den Augen. Er war phänomenal.»
Connerys Nachfolger hatten es deshalb schwer, etwa Daniel Craig, der 2005 zum neuen Agenten im Auftrag der britischen Krone erkoren wurde. «Mir ist Connery lieber als Craig, weil er eine viel wärmere Ausstrahlung und auch mehr Humor in den Augen hatte», erklärte Dor 2012.
Und dann ist da noch Pierre Brice, ebenso umschwärmt wie James Bond. Der Franzose hatte einen eindeutigen filmischen Lieblingsmoment, natürlich mit Dor, die ihn in «Winnetou II» so hingebungsvoll anschmachtet (Kein Wunder, wenn ein Mann so galant einen total echten Bären erlegt). Der 2015 gestorbene Brice verriet einmal «Spiegel Online», womit er wohl vielen Dor-Fans aus dem Herzen gesprochen haben dürfte: «Die Szene in der Tropfsteinhöhle ist meine allerliebste, wenn Karin Dor mir zuruft «Was sagt Winnetous Herz?» und ich antworte «Ribanna»».
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