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StandpunktBildung für Kinder in den Konfliktgebieten dieser Welt

Standpunkt / Bildung für Kinder in den Konfliktgebieten dieser Welt
 Foto: AFP

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Es war brütend heiß, als ich in Kutupalong, dem größten Flüchtlingslager der Welt nahe Cox’s Bazar in Bangladesch, ein überfülltes Klassenzimmer besuchte. Die Kinder, die ich dort treffen wollte, Schülerinnen und Schüler einer Grundschulabschlussklasse aus dem Volk der Rohingya, schien die Hitze nicht zu stören.

Stattdessen erzählten mir die strahlenden Kinder stolz, dass sie in Birmanisch und Englisch lesen und schreiben konnten. Und dann überreichten sie mir handgeschriebene Briefe, die alle Variationen dieser einen Botschaft enthielten: „Bitte helfen Sie uns, damit wir weiter lernen können. Ich will Lehrer, Ärztin, Ingenieur werden.“

Leider können selbst Kinder mit viel Motivation und Talent in Bangladesch oft keine weiterführende Schule besuchen. Dasselbe gilt für Myanmar, Kolumbien, Somalia und andere Konfliktgebiete. Einfach ausgedrückt, haben wir nicht die Ressourcen, um die Bedürfnisse dieser Kinder zu erfüllen. Allzu oft bleiben ihre Träume von einer guten Ausbildung, mit der sie etwas für ihre Mitmenschen tun können, genau das – Träume.

Arbeit statt Schule

Es gibt viele Hindernisse, die Kindern die Bildungschancen verbauen, die sie so dringend brauchen. Das größte und traurigste ist eine unzureichende Finanzierung. Irgendwie ist immer genug Geld da für die Weltmeisterschaft und den Super Bowl, Lamborghinis für Neumilliardäre und das Wettrüsten zweier rivalisierender Regionalmächte, aber nie genug, damit jedes Kind, das dies will, Lehrerin oder Pfleger werden kann.

Vor kurzem besuchte ich Niger, ein Land mit einer der jüngsten Bevölkerungen der Welt. Auch dort traf ich vertriebene Kinder mit hochfliegenden Träumen. Viel zu viele von ihnen hatten aber die Schule abgebrochen, weil sie ihre Familie unterstützen oder aus anderen Gründen arbeiten müssen.

In Zentral- und Westafrika lebt ein Viertel der weltweit 244 Millionen Kinder, die keine Schule besuchen. Ihr Lebens ist von alltäglicher Gewalt geprägt. In acht Ländern in der Region haben Angriffe auf Schulen in den letzten fünf Jahren dramatisch zugenommen, und im Schuljahr 2021-2022 wurden dort mehr als 12.400 Schulen wegen gewaltsamer Vorfälle geschlossen. In der gesamten Region werden vor allem Schülerinnen und Lehrerinnen regelmäßig von bewaffneten Gruppen und Soldaten angegriffen und entführt.

Obwohl inzwischen sehr viele Länder die Safe Schools Declaration unterzeichnet haben, kommt ihre Umsetzung seit Jahren nicht voran. Um eine hochwertige Bildung für jedes Kind zu gewährleisten, verpflichten sich die 116 Unterzeichnerstaaten, Schüler, Lehrer und Schulen vor Angriffen zu schützen.

Traumata müssen verarbeitet werden

Bildungssystem und Politik müssen aber nicht nur Schulen schützen, sondern den betroffenen Kindern auch helfen, das tiefe Trauma zu überwinden, das gewaltsame Angriffe bei ihnen hinterlassen. Einer Studie der Norwegischen Flüchtlingshilfe (NRC) zufolge, leiden fast zwei Drittel der Kinder in den konfliktbelasteten Ländern Niger, Burkina Faso und Mali unter Konzentrationsschwäche und 90 Prozent haben Probleme, ihre Emotionen zu kontrollieren. Kinder mit Gewalterfahrungen isolieren sich häufig, zeigen Aggressionen und anderes antisoziales Verhalten und brechen die Schule ab.

Damit diese Kinder ihre traumatischen Erfahrungen bewältigen können, bietet die NRC im Rahmen ihrer Bildungsprogramme in West- und Zentralafrika auch psychosoziale Unterstützung an. Dabei arbeiten wir eng mit Eltern, Betreuern, Lehrern und Psychologen zusammen, damit die Schülerinnen und Schüler auch außerhalb unserer Klassenzimmer weiter unterstützt werden.

Unsere Arbeit ist ohne Zweifel äußerst wertvoll. Leider ist sie aber auch chronisch unterfinanziert und kann nicht verhindern, dass unzählige Kinder keinen Zugang zu Bildung haben und viele Lehrer nicht die Mittel, um angemessen zu unterrichten. Im Jahr 2022 deckten die für Bildung vorgesehenen Mittel in dieser seit langem vernachlässigen Region nur 18,7% des Mindestbedarfs; in der zentralen Sahelzone waren es sogar nur 14%. In der Zentralafrikanischen Republik, wo derzeit 1,5 Millionen Kinder im schulpflichtigen Alter leben, stellen schlecht ausgebildete Eltern 81% aller Lehrerinnen und Lehrer.

Konflikt und Vertreibung hindern immer noch unzählige Kinder am Lernen. Diese Kinder brauchen dringend die Chance, in das Schulsystem zurückzukehren. Deshalb unterstützt die NRC gemeinsam mit der Initiative „Education Cannot Wait“ und der Europäischen Kommission in der Zentralafrikanischen Republik Schulabbrecher mit schnellen Nachholkursen dabei, ihre Lernrückstände aufzuholen und sich in der Schule wieder wohl zu fühlen.

Solche Initiativen können aber nur erfolgreich sein, wenn Politik, internationale Organisationen und die Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Um dies zu ermöglichen, wird noch in Februar die erste Hochrangige Geberkonferenz für Education Cannot Wait in Genf stattfinden. Auf der von Education Cannot Wait und der Schweizer Regierung gemeinsam organisierten Konferenz sollen genug Mittel eingeworben werden, um zumindest die wichtigsten Bildungsprogramme für die nächsten vier Jahre finanzieren zu können. Um die Erfolgschancen von Kindern in Konfliktgebieten zu verbessern, sollten sich Politik und Bildungsträger an drei Grundsätzen orientieren.

Drei notwendige Maßnahmen

Erstens muss die Gebergemeinschaft eine flexible und langfristige Finanzierung für Bildungsgeboten in Notsituationen bereitstellen. Um Kinder zu erreichen, die in Konfliktgebieten keine Schule besuchen können, braucht es zuverlässige Kanäle für Entwicklungsgelder.

Zweitens müssen Sicherheit und Wohl der Kinder, Jugendlichen und Lehrer bei allen bildungspolitischen Entscheidungen an erster Stelle stehen. Nur wenn wir sichere Lernumfelder schaffen, können wir gewährleisten, dass sich jedes Kind akzeptiert und behütet fühlt.

Drittens müssen Regierungen und internationale Institutionen Millionen vertriebener Kinder und Jugendlicher Zugang zu informellen Bildungsangeboten bieten. Diese bieten die beste Chance, um Kindern, die ihre schulische Bildung abbrechen mussten, die Rückkehr ins formale Schulsystem zu ermöglichen.

Diese Ziele sind nicht unerreichbar. Millionen Schulkinder brauchen unsere Hilfe, damit sie ihre Träume verwirklichen können. Sinnvolle und langfristig angelegte Projekte, die sich an diesen Ziele orientieren, sind dabei ihre beste Chance.


Jan Egeland, früherer Vizegeneralsekretär der Vereinten Nationen für Humanitäre Angelegenheiten, ist Generalsekretär der Norwegischen Flüchtlingshilfe und renommierte Persönlichkeit des Geberpakts „The Grand Bargain“.

Copyright: Project Syndicate, 2023. www.project-syndicate.org