Silvio Berlusconi trennt die Gemüter, auch über seinen Tod hinaus. Schon der Ablauf des Staatsbegräbnisses verdeutlicht die Spaltung, die Berlusconis Persönlichkeit in der Gesellschaft verursachte: Die Zeremonie wurde nach ambrosianischem Ritus abgehalten, der nicht nur verschieden vom römischen ist, sondern auch eine Abgrenzung vom Vatikan anzeigt. In den zwanzig Jahren seiner Amtszeiten pflegte Berlusconi enge Beziehungen zu den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI., doch mit Papst Franziskus traf der „Cavaliere“ während des bisher zehn Jahre andauernden Pontifikats nicht einmal zusammen. Der Vatikan hielt Abstand zu dem von Skandalen geschüttelten Politiker. Der als Armenpriester bekannte Alex Zanotelli nannte es gar ein Sakrileg, die Totenfeier für Berlusconi im Mailänder Dom abzuhalten. Einzig das Bistum Mailand stand treu zu Berlusconi. Und so ehrte Erzbischof Mario Delpini den Verstorbenen in seiner Homilie auch als „Mann des Lebens, der Liebe, der Freude, des Geschäfts und der Politik“.
Gespalten wie die Haltung der Kirche, zeigt sich auch die Gesellschaft. Auf dem großen Platz vor dem Mailänder Dom versammelten sich seine Anhänger, geführt von Fangruppen des AC Mailand und AC Monza. Gegendemonstranten zeigte sich mit Transparenten und T-Shirts mit dem Aufdruck „Ich bin nicht in Trauer“.
Differenzierte Haltung zum Trauerakt
„Die Entscheidung, für Silvio Berlusconi ein Staatsbegräbnis anzuordnen, war ausschließlich eine der rechten Regierung“, so kommentierte der frühere Senatspräsident und Anti-Mafia-Staatsanwalt Piero Grasso den Trauerakt. Ähnlich äußerte sich der Chef der „Bewegung 5 Sterne“, Giuseppe Conte, der der Veranstaltung in Mailand demonstrativ fernblieb.
Anwesend hingegen waren Staatspräsident Sergio Mattarella, Regierungschefin Giorgia Meloni, die Präsidenten von Senat und Camera, Ignazio La Russa (FdI) und Lorenzo Fontana (Lega), sowie weitere führende Politiker der regierenden Rechtsparteien. Doch auch die Führerin des sozialdemokratischen Partito democratico, Elly Schlein, nahm an der Zeremonie teil. Eine Achtungsbekundung gegenüber dem Menschen und Politiker Silvio Berlusconi ungeachtet dessen, dass er zeit seines Agierens die Nation auch gespalten hat.
Ein Schlussakt, der die Frage aufwirft, wie es nun weitergeht in Italien.
Regieren ohne Forza Italia?
Wenngleich Berlusconis Partei Forza Italia längst nicht mehr die Popularität und den Stimmenrückhalt früherer Jahre hat, ist sie doch unverzichtbarer Teil der amtierenden Rechtskoalition unter Führung der Fratelli d’Italia (FdI). Zwar hätten nach gegenwärtigem Stand FdI und Lega auch nach völligem Wegfall der Forza-Italia-Abgeordneten eine Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments, doch könnte das Regieren künftig schwieriger werden. Die politischen Trends sehen trotz der jüngsten Erfolge bei den Kommunalwahlen die Mitte-rechts-Parteien im Abschwung, den PD sich erholen.
Die Regierungschefin und Führerin der postfaschistischen Fratelli, Giorgia Meloni, befürchtete bereits öffentlich einen Zerfall der Berlusconi-Partei ohne ihre Symbolfigur. Überraschenderweise zeigen unmittelbar nach der Todesnachricht geführte Umfragen, dass die Forza Italia in der Wählergunst um drei Prozent zulegen könnte. Wer aber soll die Partei führen? Gehandelt werden der langjährige Begleiter Berlusconis und aktuelle Außenminister Antonio Tajani oder auch Marina Berlusconi, die Tochter des „Cavaliere“, als Erbin. Ob diese Kandidaten jedoch in der Lage sind, die Partei zusammenzuhalten, wird bislang angezweifelt. Klarer hingegen ist, dass die Regierungskoalition ohne den zur moderaten Mitte tendierenden Berlusconi mit den beiden Spitzen Meloni und Salvini deutlicher nach rechts driften dürfte.
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