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KinoBarbie oder der wahrscheinlich längste Werbefilm der Welt

Kino / Barbie oder der wahrscheinlich längste Werbefilm der Welt
Barbie (Margot Robbie, die Hauptfigur des Films) hat ein Problem. Mitten auf der perfekten Party mit perfekten Freunden nach einem perfekten Tag denkt sie ans Sterben Photo: AFP/Jung Yeon-je

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Das ganze Internet ist rosa: Von Google über Airbnb hin zur Dating-App Bumble hat das Marketing von Mattel keine Mühe gescheut, den Hype zu befeuern. Die Kernthese: Barbie wird endlich feministisch. Aber auch mit kluger Story und witzigen Dialogen kann Greta Gerwig nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie eigentlich einen zweistündigen Imagefilm produziert hat.

Vorneweg: Wenn Sie der Meinung sind, ein Film sollte Sie einfach unterhalten, lesen Sie nur diesen Absatz. Greta Gerwig hat einen kurzweiligen, bunten Film über Barbie gedreht. Margot Robbie und Ryan Gosling liefern nicht nur erstklassige Schauspielerleistungen ab, sie sehen auch noch extrem gut aus. Will Ferrel ist witzig. Es gibt auch noch eine rührende Nebengeschichte von einer Mutter, deren zerrüttete Beziehung zu ihrer Teenager-Tochter geheilt wird. Viel Spaß im Kino – wir reden jetzt über den Film.

Barbie (die Puppe) hat einen Imageschaden. Dabei begann sie als emanzipative Erfolgsgeschichte 1959: Eine „erwachsene“ Puppe, mit denen junge Mädchen etwas anderes als Mama spielen konnten. Ende der 60er wurde sie zum Hassobjekt des Feminismus – und die Kritik ist bis heute nicht abgerissen. Barbie vermittelt unrealistische Schönheitsideale, setzt wahlweise junge Mädchen unter Erfolgsdruck oder verstärkt vorhandene Rollenbilder. Wie begegnet man diesen Vorwürfen? Beim Spielzeughersteller Mattel hatte jemand die zündende Idee: Lassen wir doch eine Feministin einen Film über Barbie drehen!

Niemand geringeres als Greta Gerwig konnte man für das Projekt gewinnen, die mit „Lady Bird“ und „Little Women“ in den letzten Jahren gleich zwei Oscar-Nominierungen auf dem Zettel hat. Produziert hat den Film neben David Heyman („Harry Potter“, „Once upon a time in Hollywood“) auch Margot Robbie, die die titelgebende Hauptrolle übernimmt und mit „I, Tonya“ auch schon Erfahrungen im neuen, feministischen Kino mitbringt. Das merkt man dem Film an: Die Schauspielerleistungen von Robbie und ihrem Co-Star Ryan Gosling sind mehr als solide, das Filmset ist ein postmoderner Albtraum in Pink, die Dialoge sind witzig und teilweise gewollt flach, die Erzählerin (Helen Mirren im englischen Original) stichelt noch gegen die Regie und schafft damit die selbstironische Meta-Ebene, die spätestens seit Marvels „Deadpool“ ihren festen Platz im Mainstream-Kino hat. Und storytechnisch erzählt der Film eine der ältesten Geschichten der Menschheit: Die Vertreibung aus dem Paradies.

Cellulite und Todesgedanken

Barbie (Margot Robbie, die Hauptfigur des Films) hat ein Problem. Mitten auf der perfekten Party mit perfekten Freunden nach einem perfekten Tag denkt sie ans Sterben. Damit löst sie bei ihren Freunden Fassungslosigkeit aus. Aber nicht genug damit: Am nächsten Tag brennt ihr Toast an, die Milch ist abgelaufen, sie entdeckt Cellulite am Bein und hat plötzlich Plattfüße – heißt, nicht mehr die perfekten Füße für High-Heels. Es ist, als hätte sie vom Baum der Erkenntnis genascht: Die Perfektion ist dahin, das schnöde Menschsein ereilt das pinke Barbieland. Was kann man dagegen tun? Barbie sucht Hilfe bei der „komischen Barbie“ (Kate McKinnon), eine Art Orakel von Delphi im Barbieland, die sie in die Menschenwelt schickt, um dort ihr Problem zu lösen. Ken (Ryan Gosling) versteckt sich im Auto und wird von Barbie eher widerwillig mitgenommen.

Während Barbie in der Menschenwelt ihre Besitzerin Gloria (America Ferrera) trifft und, konfrontiert mit ihrem Imageproblem, in eine Sinnkrise stürzt, entdeckt Ken das Patriarchat und erkennt die Chance, endlich aus Barbies Schatten heraustreten zu können. Er reist also zurück nach Barbieland und verschwört sich mit den anderen Kens, um die Barbies zu Hausfrauen, Dienstmädchen und emotional abhängigen Freundinnen zu machen. Barbie reist mit ihrer Besitzerin und deren Tochter zurück, verfolgt von der Führungsriege von Mattel und in Barbieland kommt es zum Showdown.

Die Schlüsselfigur des Films ist dabei Gloria. Sie, die früher mit ihren Barbies gespielt hat und im Hier und Jetzt bei Mattel arbeitet, projiziert ihre selbstempfundene Unzulänglichkeit in ihre Barbiezeichnungen. Im Gespräch mit Barbie thematisiert sie dann schließlich die „kognitive Dissonanz“ der Frau im Patriarchat: Erfolgreich im Beruf sein und sorgende Mutter, schön und, natürlich, sexy und moralisch einwandfrei – die Liste ist lang. Durch die Konfrontation mit dieser Dissonanz erkennt nicht nur Barbie die Komplexität des Problems (und dass auch Barbieland nur das auf links gedrehte Zerrbild dieses Problems ist), sondern Gerwig erklärt damit auch offen, dass das Projekt „Empowerment durch Barbie“, das Mattel versucht, in der Welt, in der Barbie existiert, zum Scheitern verdammt ist.

Pinkwashing

In der Hinsicht kann man Gerwig nicht den Mut absprechen, sich derart offen mit dem wichtigsten Geldgeber des Films anzulegen. Dass Mattel diese Kritik trotzdem zugelassen hat, ist leider kein Anzeichen dafür, dass sie ihre Rolle als Erschaffer unrealistischer Mädchenträume in irgendeiner Weise infrage stellen. Die Führungsriege von Mattel weiß: Auch schlechte Werbung ist gute Werbung. Und Greta Gerwig hat für Barbie den wahrscheinlich längsten Werbefilm der Welt gedreht.

Denn nichts verkauft sich einem „woken“ Publikum besser als ernst gemeinte Selbstkritik. Der Film inszeniert sehr glaubwürdig eine vermeintliche Reflexion der eigenen Macht und der mit ihr geschaffenen Zwänge – und diese Glaubwürdigkeit entsteht, weil Gerwig es ernst meint. Aber ein Barbieprodukt, welches einen aufgeklärten Feminismus propagiert, ist letztlich so glaubwürdig wie eine Delegation der Taliban, die sich für religiöse Toleranz einsetzt. Selbst wenn ein ernstgemeinter Erkenntnisprozess dem vorgeschaltet war, wird diese neue Wahrheit auf vergiftetem Boden nicht gedeihen. Es ist anzunehmen, dass Mattel die treffende Analyse von Marshall McLuhan kennt: „The medium is the message“ – das Medium ist die Botschaft. Und das Medium ist ein sehr pinker, sehr unterhaltsamer und sehr kluger Film – aber immer noch ein Film über die Menschwerdung einer Plastikpuppe, die man für Preise ab 10 Euro aufwärts bei Amazon kaufen kann und über die jährlich zwei bis drei Animationsfilme produziert werden, die nicht den Anspruch haben, feministisch zu sein. Es ist letztlich eine große Pinkwashing-Kampagne. Das sollte man im Hinterkopf behalten, während man im Kino über Margot Robbie und Ryan Gosling lacht. Besonders über Ryan Gosling.

plop
2. August 2023 - 17.39

Idee ass net schlecht. Leider verstinn dei meescht Leit dat net an verfaalen einfach dem Hype. Elo gin masseg rosa Klamotten kaaft an High-heels, esouvewi Poppen etc. Wahrscheinlech gin elo um Immobilienmaart mei rosa Haiser gebaut.