„Ja“, sagt die EU-Wettbewerbskommissarin, sie würde Fiona Scott Morton „zu hundert Prozent“ vertrauen. Sonst hätte sie dem Kommissionskollegium die US-Amerikanerin nicht als künftige Chefökonomin für die Generaldirektion Wettbewerb vorgeschlagen. Ob Margrethe Vestager die Bedenken im EP gegen ihre Entscheidung abbauen konnte, ist fraglich, denn es bleiben Unklarheiten.
Fiona Scott Morton ist eine hoch angesehene Wirtschaftsprofessorin, lehrt an der US-Eliteuniversität Yale und hat unter anderem die Obama-Regierung in Sachen Wettbewerbsrecht beraten. Ihre Kompetenz haben die EP-Abgeordneten bei der Anhörung der EU-Kommissarin am Dienstag auch nicht in Abrede gestellt. Im Gegenteil. Allerdings hat Scott Morton auch für Internetriesen wie Apple und Amazon als Beraterin gearbeitet, und das könnte zum Problem werden. Denn zu ihrem Aufgabenbereich soll neben der EU-Verordnung zur Kontrolle drittstaatlicher Subventionen auch die Umsetzung des Gesetzes über Digitale Märkte zählen, mit dem die EU die großen Tech-Unternehmen auf dem europäischen Markt zügeln will, um Fairness und Wettbewerb sicherzustellen. Die EU-Parlamentarier, und wohl nicht nur sie, haben hier einen klaren Interessenskonflikt ausgemacht.
Doch nebenbei spielt auch die Staatsangehörigkeit der berufenen Chefvolkswirtin, die im September ihre Arbeit in Brüssel aufnehmen soll, eine Rolle. Es sei eine Ausnahme gemacht worden, da es sich bei der Kandidatin für den hohen Kommissionsposten nicht um eine EU-Bürgerin handele, gestand Vestager. Neben Scott Morton seien drei EU-Kandidaten in der engeren Wahl gewesen. Ihr sei einer der drei sowie die US-Bürgerin zur endgültigen Auswahl vorgestellt worden, so die Kommissarin. Im März sei zudem festgelegt worden, dass der Posten für alle Nationalitäten offen sein soll.
Interessenskonflikt
Die EU-Wettbewerbskommissarin verteidigte ihre Kandidatin und wies darauf hin, dass sich Fiona Scott Morton bisher für eine starke Rechtsdurchsetzung und Regulierung des Tech-Bereichs eingesetzt habe. Sie habe die bestmögliche Person für den Posten gewollt, weshalb auch bei der Staatsangehörigkeit eine Ausnahme gemacht worden sei.
Zu dem größten Kritikpunkt versicherte Vestager, dass es keinen Interessenskonflikt mit den Big-Tech-Firmen gebe. Fiona Scott Morton habe zudem „keine Entscheidungsgewalt“, sondern sei nur beratend tätig. Allerdings konnte die EU-Kommissarin nicht abschließend erklären, mit welchen Arbeitsbereichen die künftige Chefökonomin aufgrund früherer beruflicher Tätigkeiten und eines eventuellen Interessenskonfliktes nicht betraut werden kann. Zum einen sei eine entsprechende Liste noch in der Ausarbeitung. Womit sich die EU-Kommissarin den Vorwurf einfing, das hätte vor der Einstellung geklärt werden müssen. Zum anderen meinte Vestager, dass sie das vor den EU-Parlamentariern nicht zur Gänze offen legen könne.
Am Dienstag äußerte sich selbst der französische Präsident Emmanuel Macron zur Berufung der US-Amerikanerin und meldete am Rande des EU-Lateinamerika-Gipfels Zweifel an der Eignung von Fiona Scott Morton an. Vor allem von französischen Politikern kommt viel Kritik an der Nominierung, wobei unter anderem eine Nichtvereinbarkeit mit dem Streben nach „strategischer Autonomie“ der Europäer ins Feld geführt wird. Die liberale EP-Abgeordnete Stéphanie Yon-Courtin fragte bei der Anhörung, ob die EU nun auch russische Experten rekrutiere, um die Abhängigkeit von Gas zu beenden.
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