Auf den Spuren von Egan Bernal: Das Team Luxemburg bei der 56. Tour de l’Avenir

Auf den Spuren von Egan Bernal: Das Team Luxemburg bei der 56. Tour de l’Avenir

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Wer es hier schafft, über den wird man auch in Zukunft noch reden. Die Tour de l’Avenir ist zweifelsohne das wichtigste U23-Rennen im Radsportkalender. Vor zwei Jahren setzte sich kein Geringerer als Egan Bernal, Tour de France-Sieger 2019, durch. Das Team Lëtzebuerg setzt in diesem Jahr seine Hoffnungen in Michel Ries, den Zehnten des letzten Jahres.

Im Überblick

Das luxemburgische Team:

Ken Conter, Colin Heiderscheid, Arthur Kluckers, Cédric Pries, Michel Ries, Maxime Weyrich

Die Etappen 2019:

15.8.: Marmande – Marmande (129 km)
16.8.: Eymet – Bergerac (Teamzeitfahren, 32 km)
17.8.: Montignac-Lascaux – Mauriac (162 km)
18.8.: Mauriac – Espalion (158 km)
19.8.: Espalion – Saint-Julien-Chapteuil (159 km)
20.8.: Saint-Julien-Chapteuil – Privas (124 km)
21.8.: Ruhetag
22.8.: Grésy-sur-Isère – La Giettaz (104 km)
23.8.: Brides-les-Bains – Méribel/Col de la Loze (23 km)
24.8.: Villaroger – Tignes (67 km)
25.8.: Saint-Colomban-des-Villards – Le Corbier (78 km)

Die letzten Sieger:

2018: Tadej Pogacar (SLO),
2017: Egan Bernal (COL),
2016: David Gaudu (F),
2015: Marc Soler (ESP),
2014: Miguel Angel Lopez (COL),
2013: Ruben Fernandez (ESP),
2012: Warren Barguil (F),
2011: Esteban Chaves (COL),
2010: Nairo Quintana (COL),
2009: Romain Sicard (F)

Ein Blick ins Palmarès reicht aus, um die Bedeutung der Tour de l’Avenir im internationalen Radsport erahnen zu können. Felice Gimondi (1964), Joop Zoetemelk (1969), Greg Lemond (1982), Miguel Indurain (1986) oder Laurent Fignon (1988) sind nur einige Tour-de-France-Sieger, deren Namen man auch in der Siegerliste der 1961 erstmals ausgetragenen Rundfahrt wiederfindet.

Zwischenzeitlich wurde das mittlerweile zehntägige Rennen auch als „Trophée Peugeot de l’Avenir“ oder „Tour de la Communauté européenne“ ausgetragen, trägt seit 1992 jedoch den heutigen Namen „Tour de l’Avenir“. Das aktuelle Konzept, bei dem nur noch Nachwuchsfahrer zwischen 19 und 23 Jahren teilnehmen dürfen, ist seit dem Jahr 2007 gültig.

Beste Bergfahrer 

An Prestige hat die Tour de l’Avenir jedoch bei weitem nicht eingebüßt, denn Jahr für Jahr kommen hier die besten Nachwuchsfahrer der Welt zusammen, und wer sich durchsetzt, dem steht hinsichtlich einer großen Radsportkarriere nichts mehr im Weg. Bestes Beispiel ist da der Kolumbianer Egan Bernal, der nur zwei Jahre nach seinem Gesamtsieg bei der Tour de l’Avenir in diesem Jahr die Tour de France für sich entscheiden konnte. Und auch der letztjährige Sieger, der Slowene Tadej Pogacar, konnte in diesem Jahr mit dem Gewinn der Kalifornien-Rundfahrt bereits ein World-Tour-Rennen für sich entscheiden.

Das Profil der Tour de l’Avenir sorgt dafür, dass die besten Bergfahrer am Ende hier auf dem Treppchen stehen, denn die Entscheidung fällt im Hochgebirge, in den Alpen. So dürfte sich in diesem Jahr der Gesamtsieg auf den drei letzten Etappen entscheiden. Am 23. August, auf dem 8. Teilabschnitt, stehen zwar nur 23 Kilometer auf dem Programm, doch diese extrem kurze Etappe besteht ausschließlich aus dem Col de la Loze – 2.300 Meter hoch, mit einer Durchschnittssteigung von 10 Prozent.

Team Lëtzebuerg

Einen Tag später müssen die Fahrer 67 Kilometer, mit drei Bergwertungen der zweiten und einer der ersten Kategorie, bewältigen. Diese Etappe endet in Tignes mit einem acht Kilometer langen Anstieg (durchschnittlich 6,5 Prozent). Die Rundfahrt endet schließlich am Sonntag in einer Woche in Le Corbier, wenn noch einmal vier Bergwertungen, u.a. der Col du Glandon (9,5 km, durchschnittlich 8,1 Prozent) auf dem Programm stehen.

Ein Profil demnach, das beim Team Lëtzebuerg Michel Ries entgegenkommen müsste. Der 21-Jährige bewies mit seinem 10. Rang im vergangenen Jahr, dass er im Gebirge durchaus in der Lage ist, mit den Besten mitzuhalten. Dass die Form stimmt, unterstrich er nicht zuletzt im vergangenen Monat, als er bei einem schwierigen Etappenrennen in Italien, dem „Giro Ciclistico della Valle d’Aosta Mont Blanc“, einen Tagessieg feiern durfte.

 

Von Jenny Zeyen


„Am Berg sind die Beine entscheidend, nicht die Taktik“

Im letzten Jahr sicherte sich der Luxemburger Michel Ries bei der Tour de l’Avenir einen Platz in den Top Ten (Platz 10). Vor dem Start der diesjährigen Auflage unterhielt sich das 21-jährige Nachwuchstalent mit dem Tageblatt über seine bisherige Saison, die Chancen auf eine weitere Top-Platzierung bei der wichtigsten U23-Rundfahrt und das kommende Jahr.

Von unserem Korrespondeten Mario Nothum

Tageblatt: Wie ist das Straßenrennen bei der Europameisterschaft am letzten Samstag aus Ihrer Sicht gelaufen?

Michel Ries: Der Rundkurs in Alkmaar war durch den Regen gefährlicher geworden. Für die meisten war das Rennen schnell gelaufen, da wir schon nach einem Kilometer durch einen Sturz im Peloton ausgebremst wurden. Auf dieser Strecke hatte ich sowieso nicht die größten Ambitionen. Es ging mir vor allem darum, kein Risiko einzugehen und eine intensive Trainingseinheit hinsichtlich der anstehenden Tour de l’Avenir zu absolvieren.

Bei der Vuelta Asturias, Anfang Mai in Spanien, sind Sie auf der zweiten Etappe schwer gestürzt und mussten eine Zwangspause einlegen. Trotz dieses Rückschlags saßen Sie recht schnell wieder im Rennsattel.

In der letzten Abfahrt befand ich mich in der Verfolgergruppe, die um Platz 10 fuhr, und kam in einer Kurve zu Fall. Dabei hab ich mir das Schulterblatt sowie einige Rippen gebrochen. Nach kurzer Zeit habe ich zu Hause auf der Rolle trainiert und konnte schon nach fünf bis sechs Wochen wieder draußen fahren. Mitte Juli galt es dann, den Rennrhythmus wiederzufinden. Mit der Landesmeisterschaft hab ich den Wettbewerb wieder aufgenommen.

… und wenig später beim Giro della Valle d’Aosta zugeschlagen.

Seit meiner Verletzung hatte ich dieses Rennen, eine der wichtigsten und schwersten U23-Rundfahrten überhaupt, immer im Hinterkopf. Nach den Meisterschaften habe ich einen privaten Lehrgang in den französischen Alpen absolviert. In Italien konnte ich mit meinem Solosieg auf der dritten Etappe, mit Zielankunft am Berg, meine gute Form unter Beweis stellen.

Inwiefern ist dieses Rennen mit der Tour de l’Avenir vergleichbar?

Bei der Tour de l’Avenir sind die besten Espoirs allesamt am Start. Demnach ist das Leistungsniveau dort noch etwas höher. Bei der Tour in Italien geht es praktisch jeden Tag in die Berge, ähnlich wie auf den letzten vier Etappen der Tour de l’Avenir. Die ersten Streckenabschnitte sind weniger anspruchsvoll, wenngleich weitaus hügeliger, als dies im vergangenen Jahr der Fall war. Das Mannschaftszeitfahren am zweiten Tag wird von großer Bedeutung sein.

Letztes Jahr wurden Sie ausgezeichneter Zehnter in der Gesamtwertung. Was haben Sie sich diesmal vorgenommen? Einen Etappenerfolg?

Natürlich ist es mein oberstes Ziel das Erreichen einer guten Platzierung. Auf den ersten Etappen und vor allem beim Teamzeitfahren gilt es so wenig Zeit wie möglich zu verlieren. Wenn man eine Top-10-Platzierung anstrebt, muss man in den Bergen sowieso vorne mit dabei sein. Wenn sich die Möglichkeit eines Etappensieges ergibt, werde ich bestimmt nichts unversucht lassen.

Sie haben sich seit Ihrer Zeit bei Kometa ständig weiterentwickelt und sind mittlerweile kein Unbekannter mehr im Peloton. So einfach lässt man Sie sicherlich nicht davonfahren?

Über die Jahre hinweg kennt jeder jeden. Es wird nicht einfach, sich abzusetzen. Auf den richtigen Moment kommt es an. Nach 10 oder 20 Kilometern, in denen es ständig bergauf geht, sind die Beine entscheidend, nicht die Taktik. Am Ende setzt sich immer der Stärkste durch.

Bei Trek-Segafredo konnten Sie schon letztes Jahr Luft bei einem World-Tour-Team schnuppern. Durch Ihre guten Resultate mangelt es Ihnen bestimmt nicht an Kontakten. Sieht man Sie kommende Saison bereits in einer Topmannschaft?

Ich hab schon den einen oder anderen Kontakt. Gegen Ende jeder Saison werden die Teams natürlich besonders aktiv. Ich mache mir zurzeit keinen Kopf, auch wenn mein Kontrakt bei Kometa Ende des Jahres ausläuft. Bei den Rennen gebe ich mein Bestes, der Rest kommt dann automatisch. Diese Saison konnte ich die Leistungen von 2018 bestätigen, deswegen bin ich nicht gestresst. Sicherlich hat der Etappensieg beim Giro della Valle d’Aosta einiges an Druck weggenommen.

Wie geht es nach der Tour de l’Avenir weiter?

Ich werde dann einige kleinere Rennen bestreiten, um mich auf die WM in Großbritannien vorzubereiten. Die Strecke dort kommt mir allerdings weniger entgegen, als dies für meine Mannschaftskollegen Kevin Geniets und Pit Leyder der Fall ist.