Diese ablehnende Haltung der DP bezüglich einer Arbeitszeitverkürzung ist an sich nicht verwunderlich, da sie der Patronatshaltung entspricht. Statt einer Arbeitszeitverkürzung hat Bettel den Arbeitnehmern geraten, individuell mit den jeweiligen Arbeitgebern über die Gestaltung der Arbeitszeit zu verhandeln. Dies entspricht alten liberalistischen Vorstellungen, wonach gesetzliche und kollektivvertragliche Regelungen der Arbeitszeit die individuelle Gestaltungsfreiheit einengen. Dabei sollte man bedenken, dass erst durch die gewerkschaftliche Organisation der Arbeitnehmer und deren Wirken annehmbare Arbeits- und Lohnbedingungen entstanden sind.
Auch heute noch herrscht auf dem Arbeitsmarkt ein Machtungleichgewicht zwischen den abhängig Beschäftigten und den Unternehmern, die infolge einer Kosten-Nutzen-Rechnung rekrutieren und dementsprechend auch Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen regeln möchten. Manche Unternehmer möchten natürlich die Flexibilität in ihrem Sinne nutzen, um die Arbeitszeit der Beschäftigten entsprechend dem jeweiligen Arbeitsvolumen in den Betrieben zu gestalten. Damit würden sie auch das Bezahlen von Überstunden umgehen. Der Vorschlag von Bettel zielt neben anderen Erwägungen auch darauf ab, die Gewerkschaften zu schwächen und gesetzliche und kollektivvertragliche Regelungen durch individuelle Übereinkommen zu ersetzen. Dies entspricht der liberalen Ausrichtung der Europäischen Union nach freier und uneingeschränkter Konkurrenz in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt, wie sie in den Verträgen präkonisiert wird.
Geregelte Arbeitszeitflexibilität gibt es schon
Bei der Diskussion um flexible Arbeitszeitgestaltung darf nicht übersehen werden, dass es heute schon solche Möglichkeiten gibt. Dies betrifft die gesetzliche respektive kollektivvertraglich geregelte gleitende Arbeitszeit, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor. Eine weitere Form flexibler Arbeitszeitgestaltung betrifft die Teilzeitarbeit. Als vor Jahrzehnten erstmals in vielen Bereichen die Möglichkeit zur Halbtagsbeschäftigung eingeführt wurde, wurde dies als Fortschritt dargestellt, da dies vielen Frauen die Möglichkeit gab, Hausarbeit und berufliche Tätigkeit miteinander zu verbinden. Auch damals gab es bereits warnende Stimmen, die zu Recht befürchteten, dass sich hierdurch das klassische Rollenverhältnis in unserer Gesellschaft nicht ändern würde.
Der Mann galt weiterhin als Ernährer der Familie und die Frau sollte sich weiterhin um die Hausarbeit kümmern und ein Zubrot verdienen. Hinzu kommt, dass Teilzeitarbeit weniger Lohn und im Alter eine geringere Pension bedeutet. Auch heute sind es noch vorwiegend Frauen, die teilzeitbeschäftigt sind. Entweder, weil sie keine andere Beschäftigung finden oder weil dies für sie die einzige Möglichkeit darstellt, Hausarbeit und Berufstätigkeit miteinander zu verbinden. Dabei wäre eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung die Alternative, die es Männern und Frauen ermöglichen würde, Hausarbeit und Berufstätigkeit miteinander in Einklang zu bringen. Vom Gleichstellungsministerium werden zurzeit Initiativen ergriffen, um Frauen angesichts der bevorstehenden Wahlen dazu zu bewegen, politisch aktiv zu werden. In dieser Hinsicht wundert es schon, dass von dieser Seite aus keine Initiativen in Richtung Arbeitszeitverkürzung ergriffen werden.
Verbesserung der Lebensbedingungen
Der Kampf um Arbeitszeitverkürzung ist eng verbunden mit der Geschichte der organisierten Arbeiterbewegung. Vor etwas mehr als 100 Jahren ging es darum, den Acht-Stunden-Tag und die 48-Stunden-Woche gesetzlich einzuführen. In weiteren Etappen wurden die 44-, die 42- und schließlich, 1975, die 40-Stunden-Woche bei uns gesetzlich verallgemeinert. Seither gab es keine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit. Zwar wurden allgemein und spezifisch in verschiedenen Sektoren zusätzliche Urlaubs- respektive Feiertage eingeführt.
Dies ist allerdings kein Ersatz für die notwendige Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit. Die enormen Produktivitätsgewinne seit Einführung der 40-Stunden-Woche wurden weder durch Lohnerhöhungen noch durch Arbeitszeitverkürzung in einem gerechten Ausmaß ausgeglichen. Deshalb ist eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich dringend geboten. Eine Arbeitszeitverkürzung wird dazu beitragen, die Arbeitsverhältnisse zu humanisieren. Sie wird es allen arbeitenden Menschen ermöglichen, besser als bisher, sich am sozialen, kulturellen und politischen Leben zu beteiligen und Arbeit und Familie besser miteinander zu vereinbaren.
* Nico Wennmacher ist ehemaliger Präsident des FNCTTFEL-Landesverbands
Ja, Arbeitszeitverkürzung wäre mehr als nur gerecht, allerdings nur für jene, die körperliche Schwerstarbeit leisten, denn die haben oft nichts mehr von ihrer Pension.
Wer weniger arbeiten will, soll auch weniger Lohn erhalten. Wer über die 40Stunden Wochenarbeitszeit kommt, wird ja auch belohnt, sei es durch Überstundenbezahlung oder zusätzliche Urlaubsstunden.