In der europäischen Politik ist Antonio Tajani vor allem als EU-Kommissar für Verkehr und Infrastruktur, später für Unternehmen und Industrie sowie als Präsident des EU-Parlaments bekannt. Nur wenige wissen, dass seine politische Karriere mit der Gründung der Forza Italia 1993 und an der Seite ihres „ewigen“ Vorsitzenden Silvio Berlusconi begann. Anders als der charismatische und stets von Skandalen umwitterte Berlusconi hielt sich Tajani stets im Hintergrund auf. In den 1980er-Jahren wurde Tajani von seinem politischen „Förderer“ Berlusconi entdeckt. Damals war der studierte Jurist und Reserveoffizier der italienischen Luftwaffe als Auslandsjournalist bei der konservativen Tageszeitung Il Giornale tätig, die bald einer der Grundbausteine des Medienimperiums Berlusconis werden sollte.
Bereits 1993 gehörte Tajani zu den Gründungsmitgliedern der Forza Italia, an deren Spitze sich Berlusconi 1994 erstmals zum Ministerpräsidenten Italiens wählen ließ. Der frisch gebackene Premier ernannte Tajani zum ersten Pressesprecher. Gleichzeitig wurde Tajani Koordinator der Forza Italia für die Region Latium.
Immer der Partei verpflichtet
Tajani trat in den Reihen der Forza Italia nicht so spektakulär auf wie die ewige „Graue Eminenz“ Berlusconis, Marcello Dell’Utri. Doch obwohl nicht so wie die beiden Chefpolitiker medienwirksam in Affären um Mafia und die Loge P2 verwickelt, dürfte auch Tajani um alle Vorgänge gewusst haben und involviert gewesen sein. Stets erwies er sich als treuer Parteisoldat, folgte Berlusconi in dessen Popolo della Libertà und arbeitete sich so still an die Spitze der Forza Italia empor.
Als Berlusconi 2018 gesundheitlich zu schwächeln begann, erwählt er Tajani als einen der möglichen Nachfolger an der Spitze der Mitte-rechts-Partei. Am 5. Juli 2019 wurde Tajani schließlich offiziell zum Vizepräsidenten der Forza Italia ernannt. In der Folge zog er bei den siegreichen Wahlen der Rechtskoalition unter Giorgia Meloni als Ministerkandidat der Forza Italia in die Regierung ein. Seither bekleidet Antonio Tajani das Außenamt und ist ebenfalls stellvertretender Ministerpräsident.
Während eine Direktwahl ins italienische Parlament fehlschlug, wurde er im Jahr 1994 erstmals in Europäische Parlament gewählt. Er war Berlusconis Ohr in Europa und gestaltete in der EU-Kommission erhebliche Wirtschaftsfragen im Sinne Roms mit. Als sich der Sozialdemokrat Martin Schulz entschloss, für die Bundestagswahl 2017 das Amt in Straßburg niederzulegen, konnte sich Antonio Tajani in der Wahl zum Parlamentspräsidenten durchsetzen.
Als Krisenmanager erfolgreich?
Giorgia Meloni hat mit großem Pomp das Staatsbegräbnis für Silvio Berlusconi angeordnet und gegen den Widerstand der Opposition und weiter Kreise der italienischen Öffentlichkeit durchgeführt. Doch insgeheim dürfte sie zufrieden sein, dass der „Querulant“ Berlusconi – unter anderem belastete seine Männerfreundschaft zu Wladimir Putin die aktuelle italienische Außenpolitik – nicht mehr an den politischen Entscheidungen Roms beteiligt ist. Antonio Tajani ist als Chefdiplomat und überzeugter Europäer deutlich leichter vor den gemeinsamen Karren zu spannen.
Fraglich ist, ob es Tajani auch gelingen wird, Forza Italia aus dem nun schon länger andauernden Umfragetief herauszuholen. Zwar legte die Partei in der politischen Gunst unmittelbar nach dem Tode des „Cavaliere“ um einige Punkte zu, doch eigentlich könnte sie nur etwa sieben Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen. Eine Zahl, die immerhin ausreicht, für die politische Macht der amtierenden Rechtskoalition das Zünglein an der Waage zu sein, doch nicht wirklich, um politische Entscheidungen maßgeblich zu beeinflussen. Aufgabe Antonio Tajanis wird es nun sein, die Forza Italia als ein bürgerliches Sammelbecken der politischen Mitte zu reaktivieren. Finanziell und medienpolitisch dürfte es dabei keine Schwierigkeiten geben: Die Familie des Parteigründers Berlusconi hat in einem Brief an den Parteitag am vergangenen Wochenende deutlich ihre Unterstützung zugesagt. Und da zwischen den rechten Positionen von Melonis postfaschistischen Fratelli d’Italia und der Lega Salvinis einerseits und des sozialdemokratisch ausgerichteten Partito democratico Elly Schleins andererseits eine gewaltige Lücke klafft, könnte Tajani die Chance nutzen. Ob es ihm gelingt, die Partei zu konsolidieren, werden die kommenden Monate zeigen.
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