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Antisemitismus: Konferenz gegen Judenhass für Österreich ist auch Imagepolitur

Antisemitismus: Konferenz gegen Judenhass für Österreich ist auch Imagepolitur

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Ein Zeichen gegen den Antisemitismus aller Schattierungen setzte das EU-Vorsitzland Österreich gestern mit einer internationalen Konferenz gegen Judenhass, die freilich auch der eigenen Imagepolitur diente.

Von unserem Korrespondenten Manfred Maurer

Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte schon im Vorfeld für gute Stimmung gesorgt, wenngleich nicht unbedingt beim Koalitionspartner FPÖ. Sonntagabend empfing er den ungarischstämmigen Milliardär George Soros, um mit diesem die Übersiedelung der vom ungarischen Premier Viktor Orban aus Budapest hinausgeekelten Central-European University (CEU) nach Wien zu besprechen. Soros ist nicht nur Lieblingsfeindbild der magyarischen Rechten, auch Österreichs mitregierende Rechtspopulisten beteiligten sich schon eifrig an der Verbreitung antisemitischer Verschwörungstheorien über den 88-jährigen Holocaust-Überlebenden. FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus etwa wusste im Frühjahr von «stichhaltigen, sich verdichtenden Gerüchten» zu berichten, wonach Soros «Migrantenströme nach Europa unterstützt». Insofern darf Kurz’ Einladung an Soros auch als Nadelstich gegen den Koalitionspartner verstanden werden.

Der Hass-Shitstorm, den das Treffen in sozialen Medien entfachte, illustrierte auch die Dringlichkeit der Konferenz am Mittwoch gegen Antisemitismus und Antizionismus, zu der Kurz Spitzenvertreter der jüdischen Gemeinden, Politiker und Experten in die Wiener Börsesäle geladen hatte. Kurz selbst war als «Verräter» und «Marionette» beschimpft worden, Soros als «Teufel auf Erden», der «in Europa nichts verloren hat». In vielen Postings wurde explizit auf Soros’ jüdische Herkunft verwiesen. Unter den Hasspostern wurde immerhin kein FPÖ-Funktionär entdeckt.

So blieb es dem Gastgeber erspart, sich für seine Koalition mit der FPÖ rechtfertigen zu müssen. Auf der Konferenz durfte sich aber kein FPÖler blicken lassen. Denn nicht nur Israel hält am Boykott der FPÖ-Regierungsmitglieder fest, auch die eingeladenen jüdischen Organisationen hat die demonstrative, bisweilen schon anbiederisch wirkende Israel-Freundlichkeit von FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache nicht von ihrem Boykott der FPÖ abgebracht. Für Ariel Muzicant, den Vizepräsidenten des Europäischen Jüdischen Kongresses (EJC), ist die Distanzierung der FPÖ vom Antisemitismus «noch nicht glaubwürdig genug». Er verweist auf «Hunderte Einzelfälle» seit dem Start der ÖVP-FPÖ-Regierung vor elf Monaten.

Österreichs Juden relativ sicher

Dabei ist Österreich sicher nicht der antisemitische Hotspot Europas, wie Muzicant auch betont. In Sachen Antisemitismus sei die österreichische Situation sogar «Gott sei Dank eine der besten in Europa». Erst am Vortag war eine Umfrage unter jüdischen Führungspersönlichkeiten aus 29 Ländern in Europa bekannt geworden, in der nur 20 Prozent angaben, sich an ihrem Wohnort «sehr sicher» zu fühlen. Vor zehn Jahren waren es noch 36 Prozent gewesen.

Aber Österreich steht wegen seiner Geschichte und des nach 1945 gepflegten Mythos als Hitlers erstes Opfer unter besonderer Beobachtung. Der junge Kanzler Kurz geht denn auch in seiner Rede auf die «besondere Verantwortung» Österreichs wegen der Mittäterschaft in der Shoah ein. Erst wenn Juden in Österreich, Israel und auf der ganzen Welt in Frieden und Freiheit leben können, «sind wir unserer historischen Verantwortung auch wirklich gerecht geworden», so der Kanzler, der es «unglaublich» findet, dass Antisemitismus auch nach der Shoah noch existiere.

Zum immer schon vorhandenen Antisemitismus sei ein «neu importierter» gekommen, sagte er in Anspielung auf Migranten aus islamischen Staaten. Unbestreitbar gibt es unter islamischen Zuwanderern antisemitische Tendenzen, die ihre Wurzeln im Antizionismus haben. Deshalb legt Kurz Wert darauf, dass bei dieser Antisemitismus-Konferenz erstmals explizit auch der Antizionismus angesprochen werde. Antisemitismus und Antizionismus seien «oft zwei Seiten einer Medaille». Er rief die EU daher auf, ihr Stimmverhalten bei UNO-Abstimmungen über Israel zu überdenken. Dieses sei nämlich «nicht immer ganz ausbalanciert gewesen», sprich: zu palästinenserfreundlich. Doch Kurz nützt diesen neuen Antisemitismus gleich auch für eine Rechtfertigung seiner umstrittenen Migrationspolitik. Er verweist auf das Problem eines nicht organisierten Zustroms aus muslimischen Ländern, deren Bewohner «ein anderes Verständnis von Israel» hätten. Deshalb brauche es strengere Regeln für die Migration.

Versuch einer Instrumentalisierung

So mischt sich in das ehrliche, Kurz wohl nicht abzusprechende Bemühen um eine gemeinsame EU-Front gegen den Antisemitismus der Versuch einer Instrumentalisierung dieser Konferenz in eigener Sache. Sie ist Teil des großen, immer wieder von antisemitischen «Einzelfällen» konterkarierten Strebens nach einer Imagepolitur für Österreich im Allgemeinen und die FPÖ im Besonderen. Man will endlich raus aus der braunen Schmuddelecke. Auch FPÖ-Chef Strache kämpft eifrig gegen Antisemitismus – notgedrungen, wenn einer aus den eigenen Reihen einschlägig auffällig wird, besonders eifrig dann, wenn es gegen den muslimischen Antisemitismus geht.

Zumindest teilweise geht Kurz’ Rechnung auf. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu ist zwar nicht persönlich gekommen, lobt aber in einer Videobotschaft die Initiative des EU-Vorsitzenden. Österreich kommt also relativ gut weg. Ansonsten aber zeichnet die Konferenz ein eher düsteres Bild. Auch im Gastgeberland nehme zwar der Antisemitismus zu, «aber wir haben nicht die Gewalt und Morde wie sie in Frankreich, England, Schweden und vielen anderen Ländern passieren», sagt Ariel Muzicant und äußert sich pessimistisch zur Zukunft der Juden in Europa, wenn es keine Trendwende gebe.

Grober J-P.
22. November 2018 - 20.37

Tu felix Austria. Alles Schminke. Mal sehen was danach kommt.