Es sind viele Zuschauer anwesend, als der Vorsitzende Richter Hardt den Saal betritt. Gegenüber der spärlich besetzten Bank der Staatsanwaltschaft wirkt die Seite der Angeklagten geradezu überladen. Drei der vier Angeklagten sind mit Rechtsanwälten und Dolmetschern vertreten. Vor Gericht stehen eine 55-jährige Serbin sowie ihr 71-jähriger Ehemann. Angeklagter Nummer vier, der Sohn der beiden, ist untergetaucht, der Haftbefehl steht offen. Auch die anwesende Verteidigerin hat keine Ahnung, wo ihr Mandant ist. Lediglich seine Ehefrau, eine 28-Jährige in Italien geborene Serbin, ist anwesend, ebenfalls auf der Anklagebank.
Der Staatsanwalt fährt fort, die Anklage zu verlesen: Vor zehn Jahren hat die Hauptangeklagte das erste Opfer, eine junge Luxemburgerin, in der Trierer Fußgängerzone kennengelernt und ihr angeboten, aus ihrer Hand die Zukunft zu lesen. Sie habe dabei die Naivität ihres Opfers ausgenutzt, um ihr weiszumachen, ihre Familie sei von einem tödlichen Fluch befallen. Jedoch solle sie sich keine Sorgen machen, denn durch die magischen Kräfte der Angeklagten könne diese den Fluch auf Bargeld und Wertgegenstände des Opfers umleiten.
Kurz darauf fiel auch der Rest der Familie unter den Bann der Wahrsagerin. Über zehn Jahre lang habe die Frau mithilfe ihrer Familie psychischen Druck auf ihre Opfer aufgebaut, immer wieder Geld gefordert und gedroht, dass andernfalls Familienmitglieder sterben würden. Bei insgesamt 62 Geldübergaben wurden circa 750.000 Euro übergeben.
1991 nach Deutschland geflohen
Die Angeklagten nehmen die Verlesung teilnahmslos hin. Die „Wahrsagerin“ und ihre Schwiegertochter haben kaum schulische Bildung erhalten, können kaum lesen und schreiben. Der Ehemann der Hauptangeklagten kam mit seiner Frau 1991 nach Deutschland, auf der Flucht vor dem Krieg in Jugoslawien.
Nachdem die Personalien geklärt sind, bitten die Verteidiger um eine Unterbrechung der Verhandlung, um mit dem Gericht eine Absprache zu treffen. Nach einer halben Stunde bietet die Kammer der Hauptangeklagten bei einem Geständnis eine Freiheitsstrafe zwischen dreieinhalb und vier Jahren an. Ihren beiden Komplizen drohen Bewährungsstrafen. Darauf gehen alle Angeklagten ein und bekennen sich in allen Anklagepunkten schuldig. Dennoch sollen zumindest einige Zeugen vernommen werden, um einen Eindruck vom Tatgeschehen zu erhalten.
Als erste Zeugin wird die Frau verhört, die 2013 die Wahrsagerin kennengelernt hatte. Die 45-jährige Vertretungslehrerin aus Luxemburg wird von einem Zeugenbeistand begleitet. Sie gibt an, bereits früher Opfer von Betrügereien geworden zu sein. Sie sei sehr leichtgläubig und emotional sensibel. „Wenn ein Arzt sagen würde, ich hätte Krebs, würde ich darunter mehr leiden als unter der Krankheit selbst“, sagt sie aus. Deswegen würde sie auch keine Ärzte mehr besuchen. Bereits am ersten Tag ihrer Begegnung mit der Wahrsagerin habe sie ihr 300 Euro für ein Papier mit Haarlocken gezahlt, um ihre Krankheiten zu heilen.
„Negative Energien“
Das Opfer sagt aus, sie sei massiv unter psychischen Druck gesetzt worden. So habe die Angeklagte eine Krebserkrankung aufgrund eines Fluches vorgetäuscht, den sie von der Familie nehmen wollte. Das schlechte Gewissen sollte das Opfer zu noch mehr Zahlungen animieren. Außerdem hätte sie keine Freunde mehr treffen dürfen, da sie „negative Energien“ hätte aufnehmen können. „Ich habe Corona gar nicht mitbekommen“, sagt die Zeugin aus. Den Schwindel habe sie erst durchschaut, nachdem sie sich in einen Kameruner verliebt habe. Dieser habe sie aufgeklärt, da diese Betrugsmasche in seinem Heimatland sehr verbreitet sei.
Als Nächstes sagt ihr Vater, ein 84-jähriger ehemaliger italienischer EU-Beamter aus. Emotional schildert er die Situation, wechselt immer wieder zwischen Deutsch und Italienisch. Mehr als 600.000 Euro habe allein er der „Wahrsagerin“ gegeben.
Mit einem Urteil wird am 25. Juli gerechnet.
Dieser Artikel erschien zuerst im Trierischen Volksfreund.
" 8 Semester Wahrsagerei studiert haben." Richtig! Wo doch so viele sogar den Doktor-Titel besitzen lt. der Zettel, die des Öfteren in Briefkästen landen. Befremdlich, dass Leute mit Bildung (Lehrerin, EU-Beamter) abergläubisch sind - unverständlich! Bildung schützt anscheinend vor Torheit nicht... .
"Einer selbsternannten Wahrsagerin" Man sollte doch nur diplomierte Wahrsagerinnen engagieren, die mindestens 8 Semester Wahrsagerei studiert haben. .?
Dummheit hat noch immer viel gekostet. Schon damals mit dem Apfel und der sprechenden Schlange.
Im 21.Jahrhundert sollte Blödheit nicht mehr so teuer zu stehen kommen. Amen