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Angst vor Flüchtlingen: Die Fakten

Angst vor Flüchtlingen: Die Fakten

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Studie: Für den Anstieg der Kriminalität ist eher das Alter als die Herkunft entscheidend.

Von unserem Korrespondenten Werner Kolhoff, Berlin

Mit Beginn des massenhaften Zuzugs von Flüchtlingen nach Deutschland 2015 ist in weiten Teilen der Gesellschaft die Furcht vor einem Anstieg der Kriminalität gewachsen. Vor allem Parteien des rechten Spektrums wie die AfD schüren die Angst vor angeblich kriminellen Ausländern. Andere weisen dies als rassistisch zurück. Das deutsche Familienministerium hat eine Studie zur Gewaltentwicklung in Auftrag gegeben. Unser Korrespondent Werne Kolhoff bewertet die Ergebnisse.

Verhetzung ist es, wenn mit Absicht aus «einem» «viele» gemacht wird. Es wäre Verhetzung, würde man sagen, viele Deutschen schubsten im Suff ihre Kinder aus dem zweiten Stock, wie kürzlich in Ostwestfalen geschehen. Und Volksverhetzung ist es, wenn dann aus «viele» «alle» werden. Es bringen eben nicht alle 15-jährigen Afghanen ihre deutsche Ex-Freundin um. Das hat nur einer getan, in Kandel. Und womöglich tat er es gar nicht, weil er Afghane war, sondern wegen einer jugendlichen narzisstischen Störung.

Und doch findet selbst die etablierte Politik den Fall Kandel einen Grund, nach Röntgenreihenuntersuchungen für ausnahmslos alle minderjährigen Flüchtlinge zu rufen. Es begrapschen auch nicht alle «Migranten» Mädchen auf den Straßen. Trotzdem sprechen die AfD-Politikerinnen Storch und Weidel von «marodierenden, grapschenden, prügelnden, messerstechenden Migrantenmobs». Sie meinen damit alle Zuwanderer. Das ist zu Recht ein Fall für den Staatsanwalt.

In den Echoräumen zählen die Fakten nicht

In den Echoräumen von Twitter und Facebook zählen Fakten nicht. Da lebt jeder in seiner eigenen Parallelgesellschaft. Übrigens auch jene, die unbedingt glauben wollen, es seien nur verfolgte Unschuldslämmer zu uns gekommen. Deshalb ist zu erwarten und zu befürchten, dass die Erkenntnisse des deutschen Kriminologen Christian Pfeiffer und seines Teams in diese Echoräume nicht vordringen. Oder nur selektiv.

Die Studie über Ursachen und Umfang der Flüchtlingskriminalität ist unbequem für alle. Ja, die Flüchtlingskriminalität ist höher. Aber Flüchtlinge sind nicht krimineller, weil sie Flüchtlinge sind. Die Frauen, alten Männer und Kinder unter ihnen sind nicht auffälliger als die einheimische Bevölkerung. Kaum auch die «echten» Kriegsflüchtlinge, die sich anstrengen, dass sie hierbleiben dürfen. Die höhere Bereitschaft zur Kriminalität resultiert v.a. aus dem höheren Anteil junger Männer. Auch deutsche junge Männer haben eine höhere Kriminalitätsbelastung als der Rest der Bevölkerung.

Das ist altersspezifisch. Bei vielen jungen Flüchtlingen kommt noch die Bindungs- und Perspektivlosigkeit hinzu, ganz schlimm bei den jungen Nordafrikanern, die keinerlei Aussicht auf Anerkennung haben. Bei jungen Deutschen in vergleichbarer Situation entlädt sich so etwas – alkoholbedingt – in Hooligan-Krawallen, Beschaffungskriminalität oder rechtsextremen Übergriffen gegen Asylheime. Bei den Nordafrikanern in Raub, Diebstahl und Prügeleien. Zum überwiegenden Teil übrigens zulasten anderer Ausländer.

Emotional aufgeladen

Es gibt keinen Grund, Rabauken weniger streng oder strenger zu behandeln, je nachdem woher sie kommen. Es gibt allen Grund, Polizei und Justiz so gut auszustatten, dass sie Kriminalität, egal von wem sie verübt wird, effektiv verfolgen können. Es gibt zudem allen Grund, Sozialarbeit und Bildung so gut auszustatten, dass Kriminalität im Vorhinein verhütet wird. Prävention und Strafverfolgung sind von jeher das A und O einer guten Sicherheitspolitik.

Im Fall der jungen Flüchtlinge bedeutet das: Nordafrikaner zügiger abschieben als bisher, zur Not mit Rückkehrprogrammen. Und zugleich jenen jungen Flüchtlingen, die hierbleiben dürfen und werden, mehr helfen als bisher. Mit Sprachunterricht, mit Ausbildung – und mit dem Nachzug der Familie. Es ist erstaunlich, dass ausgerechnet konservative Volksparteien wie CDU und CSU das nicht einsehen, aber wenn die Eltern ihren Gören die Ohren selbst langziehen, hilft das immer am besten.

Jedenfalls ist die Studie eine differenzierte Analyse für ein emotional aufgeladenes Problem und gibt darauf differenzierte Antworten. Differenzierung ist in den Echoräumen allerdings noch weniger beliebt als Fakten.

Erkenntnisse aus der Studie zur Gewaltentwicklung

Die Studie legt die Entwicklung in Niedersachsen zugrunde. Dort ist die Zahl der polizeilich erfassten Gewalttaten von 2007 bis 2014 um knapp 22 Prozent zurückgegangen. Nach dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 kehrte sich der Trend um: Die Statistik verzeichnet zwischen 2015 und 2016 eine Zunahme der Gewaltdelikte um über zehn Prozent. Dieser Anstieg ist nach Erkenntnissen der Experten zu über 92 Prozent auf Flüchtlinge zurückzuführen.

Erkenntnisse aus der Studie zur Gewaltentwicklung  
Eine der Ursachen für die höhere Anfälligkeit für Kriminalität im Vergleich zur deutschen Bevölkerung liegt nach Ansicht der Experten in der Altersstruktur. Demnach sind männliche 14- bis 30-Jährige auf der ganzen Welt stärker an Delikten beteiligt als alle anderen Altersgruppen. In der deutschen Bevölkerung fallen weniger als zehn Prozent unter diese Gruppe. Bei den Flüchtlingen sind es mit knapp 27 Prozent mehr als doppelt so viele.

Unterschiede nach Herkunftsländern
Nicht aus allen Ländern kommen gleich viele 14- bis 30-Jährige. Ihr Anteil liegt umso höher, je gefährlicher der Fluchtweg ist, heißt es. Fast jeder zweite Hilfesuchende aus Nordafrika, der über die Mittelmeer-Route nach Niedersachsen gekommen ist, gehört dieser Altersgruppe an. Bei den Flüchtlingen aus Syrien, Irak und Afghanistan ist es nur jeder vierte. Bei den Asylbewerbern aus osteuropäischen Ländern sinkt die Quote auf knapp 15 Prozent. Bei den übrigen Herkunftsländern gehört jeder Dritte zur Gruppe der männlichen 14- bis 30-Jährigen. «Hieraus erwachsen beachtliche Unterschiede in der polizeilich registrierten Gewaltbelastung der vier Gruppen», heißt es in der Studie.

Einfluss der Aussichten auf kriminelles Verhalten
Die Autoren der Studie sehen auch einen Zusammenhang zwischen den Perspektiven der Flüchtlinge und deren Anfälligkeit für Straftaten. So stellten Asylbewerber aus Syrien, Irak und Afghanistan in Niedersachsen knapp 55 Prozent der Flüchtlinge. Ihr Anteil an Raubdelikten von Flüchtlingen betrug knapp 16 Prozent. Dagegen lag der Anteil von Nordafrikanern (Algerier, Marokkaner und Tunesier) bei weniger als einem Prozent der in Niedersachsen registrierten Flüchtlinge. Ihr Anteil an Raubdelikten von Migranten betrug jedoch 31 Prozent.

Gesellschaftliche Normen als Kriminalitätsursache
Eine Ursache für Gewaltkriminalität liegt nach Erkenntnissen der Autoren in der gesellschaftlichen Prägung. Die Flüchtlinge stammten demnach überwiegend aus muslimischen Ländern, die von männlicher Dominanz geprägt seien. Befragungen hätten gezeigt, «dass junge männliche Zuwanderer aus solchen Kulturen sogenannte gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen in weit höherem Maß verinnerlicht haben als gleichaltrige Deutsche». Eine derartige «Machokultur» fördere die Gewaltbereitschaft.

Die Opfer der Straftaten von Flüchtlingen
In Niedersachsen zählten zu den Opfern der Flüchtlingskriminalität nach der Polizeistatistik zu 12,6 Prozent Menschen der eigenen ethnischen Gruppe und zu knapp 20 Prozent Flüchtlinge aus anderen Ländern. Jeweils ein weiteres Drittel waren demnach andere Ausländer oder Deutsche.

ThomasT
6. Januar 2018 - 10.25

Wenn die Kriminalitätsrate wirklich am höheren Anteil junger Männer in der Gesellschaft liegen sollte, frage ich mich wie unsere Gesellschaft die geburtenstarken Jahrgänge ohne Beeinträchtigungen der Sicherheit überstehen konnte.

GuyT
5. Januar 2018 - 15.48

Wer also keine Buddhisten kennt kann keine Aussage zu Buddhismus tätigen.

Methusalem
5. Januar 2018 - 9.54

Die katholische Kirche hat seit dem ersten Kreuzzug in Punkto Feindbild Islam wohl volle Arbeit geleistet. Heute mag sie einen anderen Standpunkt haben, jedoch plappern ironischerweise erzkonservative Ungläubige, Laïzisten und Erleuchtete, leider aber auch Christen und Anhänger anderer Religionen, die mittelalterliche klerikale Gehirnwäsche aus Rom im 21. Jahrhundert immer noch nach, ohne zu überlegen, ohne etwas vom Islam zu wissen, ohne überhaupt einen Muslim persönlich zu kennen. (...)

GuyT
4. Januar 2018 - 17.43

Wer die Entwicklung in D verfolgt sieht, dass es unter der Oberfläche brodelt. Die Versuche der Presse unliebsame Informationen zu verschweigen um keine Ressentiments zu schüren (Paradebeispiel Köln) hat ein tiefes Misstrauen ausgelöst bei vielen Bürgern, besonders solchen die nicht in einer Wohlfühlblase, sprich teuren Wohngegend residieren und nicht tagtäglich die Veränderungen beobachten. Beispielhaft ist die notwendig gewordenen Frauenschutzzonen die in vielgepriesenen offenen Gesellschaft eigentlich grotesk sind. Richtig ist natürlich nicht pauschal zu urteilen denn sebstverständlich resultiert die " höhere Bereitschaft zur Kriminalität v.a. aus dem höheren Anteil junger Männer" was jedoch nichts am Resultat ändert. Zudem ist Tendentiell mit einer Verschlimmerung zu rechnen weil die Polizeiressourcen ausgeschöpft sind.Für die Frauen hat sich viel geändert, denn Sylvester ist relativ ruhig abgelaufen weil z.B in Köln 1400 Polizisten im Einsatz waren und auch weil einfach wenig Frauen noch unterwegs waren. Leider dreht jeder die Statistik, auch Pfeiffer, wie es ins Weltbild passt. Viel Spitzenpolitiker und deren affine Medienleute leben auch in einer Echokammer.

Nello
4. Januar 2018 - 17.20

Ein interessanter Artikel, der in seinem Bemühen um Verharmlosung mir mehr "Angst" einflösst als dass er mich beruhigt.
Die Seitenhiebe auf die AfD sind in diesem Falle unangebracht: diese Partei hat nie behauptet dass Flüchtlinge und Migranten ausnahmslos kriminell seien, und der Beschränkteste hat erkannt dass die Äusserungen von Storch und Weidel sich auf jene Personengruppen bezogen, die tatsächlich an Silvester 2015 in großer Zahl zumindest sexuelle Nötigungen gruppenweise begingen. Die AfD hat stets auf die zu hohe Zuwanderung hingewiesen, und besonders die grosse Zahl an unbegleiteten männlichen Flüchtlingen moniert, was natürlich von Polizei und Politik als "Angstmacherei" abgetan wurde. Jetzt haben wir es schwarz auf weiss, dass diese Sorgen nicht unbegründet waren.

René Charles
4. Januar 2018 - 16.46

@ Monavisa 4. Januar 2018. at 16 h 15 min
" ...." Sie zitieren in der ersten Zeile 2 Damen, davon Frau VON Storch (Adel schützt vor Torheit nicht) aus der 'stark rechtslastigen' politischen Partei -Alternative für Deutschland.- Das wird wohl kaum die letzte ihrer Hasstiraden gegen "Fremde" aller Art gewesen sein. Sie hat sich alle Chancen vertan halbwegs ernst genommen zu werden.

René Charles
4. Januar 2018 - 15.51

"Dagegen lag der Anteil von Nordafrikanern (Algerier, Marokkaner und Tunesier) bei weniger als einem Prozent der in Niedersachsen registrierten Flüchtlinge. Ihr Anteil an Raubdelikten von Migranten betrug jedoch 31 Prozent." ---Ein Prozent Nordafrikaner hat einen Anteil an Raubdelikten von 31 %.---
@ Stiwi 4. Januar 2018. at 13 h 13 min:
Dieser "Scheiss", über den Sie reden, stammt in diesem Fall aus einer Studie Es wird kein Scheiis daraus wenn er an der Theke oder sonstwo OBJEKTIV beurteilt wird

CESHA
4. Januar 2018 - 14.54

Aber viele "Einzelfälle" (etwa 10 pro Tag, die es in die Medien schaffen, über die Dunkelziffer kann man nur spekulieren) ergeben halt "viele", wenn auch nicht "alle".
Und "viele" kriminellen Handlungen bringen es auch mit sich, dass "alle" überprüft werden müssen, und das betrifft nicht nur Migranten, sondern auch "die, die schon länger hier leben" (Zitat Merkel).
Oder haben Sie schon mal versucht, in letzter Zeit eine Prepaid-Karte für Ihr Handy zu kaufen?
Was früher (vor den ganzen terroristischen Anschlägen) problemlos möglich war, geht heute nur noch gegen Vorlage des Personalausweises.

Stiwi
4. Januar 2018 - 13.13

Den grössten mist den der Mensch erfunden hat ist Facebook etc.Früher gingen die typen in die Kneipe und erzählten den Mist ihrem Wirt. Heute posaunen sie ihren scheiss im Facebook twitter insta... etc. Zieht mal einer den Stecker... happy new year

Norbert Muhlenbach
4. Januar 2018 - 12.50

Eine interessante Studie. Endlich liegen Zahlen vor, die das untermauern, was die Menschen schon seit langem spueren. Wann weicht die Naivitaet der der Realitaet? Wann finden sich die Politiker endlich damit ab, dass vieles in sachen Fluechtlingspolitik falsch gemacht wurde?