Polizisten leben gefährlich. Was im Ausland längst der Fall ist, gilt zunehmend auch für Ordnungshüter im Großherzogtum. Drohungen und Angriffe gegenüber Beamten nehmen zu, während der Respekt gegenüber Autoritätspersonen abnimmt. Gleichzeitig melden sich bei der Generalinspektion der Polizei immer mehr Bürger, die sich über das Benehmen vereinzelter Polizisten beschweren. Aus diesem Grund habe man sich nun dazu entschlossen, einen weiteren Punkt des Koalitionsvertrages umzusetzen und die sogenannten Bodycams einzuführen, so Polizeiminister Henri Kox („déi gréng“) gegenüber dem Tageblatt.
„Unsere Beamten waren in den letzten zwei Jahren Situationen ausgesetzt, die sich zunehmend zugespitzt haben. Ich denke da an die jüngsten Proteste gegen die Covid-Maßnahmen oder andere Stresssituationen, wie der Waffengebrauch im Anschluss an eine Verfolgungsjagd in Ettelbrück oder die Auseinandersetzungen mit Polizisten beim großherzoglichen Palast an Nationalfeiertag“, betont Kox. Im Ausland hätten die entsprechenden Dienste sehr gute Erfahrungen mit Bodycams gemacht. „Deshalb sind wir zum Schluss gelangt, dass die Kameras durchaus von Vorteil für Beamte der administrativen Polizei sein könnten“.
Der Minister hofft vor diesem Hintergrund auf einen abschreckenden, deeskalierenden Nutzen dieser Bodycams. So könne man davon ausgehen, dass allein schon die Präsenz einer Kamera abschreckend wirken dürfte. Gleichzeitig dienen Aufnahmen, die das Geschehen realitätsnah wiedergeben, einer gewissen Transparenz. „Nach dem Anstieg der Übergriffe galt unsere erste Sorge natürlich unseren Beamten. Davon abgesehen sind die Aufnahmen sowohl Belastungs- als auch Entlastungsmaterial. Etwa, wenn sich Bürger mit Beschwerden an die IGP wenden. Dann können die Bilder auch von IGP-Ermittlern ausgewertet werden“, erklärt Kox.
Bilanz nach zwei Jahren
Das Gesetzesprojekt befindet sich aktuell auf dem Instanzenweg. Sechs Millionen Euro will die Regierung zunächst in die neue Maßnahme investieren. Wie viele Kameras schlussendlich angeschafft werden, steht noch nicht fest. Er hoffe, so Kox, dass der Text spätestens im Früjahr 2023 vom Parlament verabschiedet wird. Anschließend kann das Projekt ausgeschrieben werden. Es gebe auch schon Vorstellungen, wie die Geräte auszusehen haben, so Kox. Spätestens 2024 sollen die ersten Beamten mit Bodycams auf Patrouille gehen.
Wichtig sei ein regelmäßiges Monitoring. Deshalb sei im Gesetz auch vorgesehen, dass nach zwei Jahren eine erste Bilanz gezogen wird: „Wie oft werden die Bodycams gebraucht? Welche Beschwerden wurden festgestellt? Welchen Nutzen konnten Ermittler aus den Aufnahmen ziehen? Antworten auf solche Fragen sind wichtig, um das Projekt gegebenenfalls technisch oder juristisch nachzubessern“, erklärt der Minister. Eine umfassende Begleitung sei deshalb genauso wichtig wie die Umsetzung selbst.
Was letztere angeht, so werden in einer ersten Phase die Beamten der „Police administrative“ mit Bodycams ausgerüstet. Dabei handelt es sich in erster Linie um Streifenbeamte und Polizisten in Uniform. Juristisch besteht allerdings auch die Möglichkeit, dass Ermittlungsbeamte der Kriminalpolizei Kameras tragen können. Dies sei jedoch von den entsprechenden Umständen abhängig, so Kox.
Die Kameras werden gut sichtbar im Brustbereich der Uniform getragen – gegebenenfalls sogar mit einem schriftlichen Hinweis. Wenn Beamte eine Aufzeichnung starten, müssen sie Umstehende in der Regel darüber in Kenntnis setzen. Gleichzeitig soll an einem hörbaren Signal und einem Leuchtpunkt zu erkennen sein, dass die Kamera in Betrieb ist. Nur in Ausnahmefällen können Beamte auf diese Signale verzichten, wie Strategiedirektor Alain Engelhardt im Gespräch mit dem Tageblatt erklärt. Etwa, wenn Beamte aus einsatz-technischen Gründen ihre Präsenz nicht verraten wollen.
Ständig in Betrieb
Bodycams sind in der Regel ständig in Betrieb. Allerdings werden die Aufzeichnungen alle 30 Sekunden überspielt – es sei denn, der Aufnahmeknopf wird bewusst vom Beamten betätigt. Auf diese Weise werden immer auch die 30 Sekunden vor Start eines Einsatzes aufgezeichnet. „Das hilft beispielsweise, die Stimmung vor einer Auseinandersetzung getreuer wiederzugeben“, erklärt Engelhardt.
Auf der Dienststelle werden die Aufnahmen auf einen gesicherten Server überspielt, zu dem nur bestimmte Personen Zugang haben. Aufzeichnungen, die keine juristischen Folgen haben, werden nach 28 Tagen automatisch gelöscht. Dies sei etwa der Fall, wenn sich eine Situation nach Einschalten der Kamera beruhigt und keine weiteren Prozeduren vonseiten der Beamten eingeleitet werden müssten, so Engelhardt. Im Fall einer Straftat aber werden die Aufzeichnungen bis nach Abschluss eines Verfahrens gespeichert – wie andere Beweisstücke auch.
Auch der Zugang zu den Aufnahmen ist streng geregelt. So kann zunächst nur der betroffene Polizist selbst auf die Bilder zugreifen. „Das ermöglicht den Beamten, den Tathergang für ihren Bericht zu rekonstruieren oder Ausschnitte an den Untersuchungsrichter weiterzuleiten“, so Engelhardt. Die Originalaufnahme werde dadurch aber nicht beeinträchtigt.
Ansonsten bedürfe es einer Sondergenehmigung des Generaldirektors, um auf Aufzeichnungen zugreifen zu können. „Dafür muss es dann aber schon einen ganz guten Grund geben“, erklärt der Strategiedirektor. Eine weitere Ausnahme gibt es dennoch: „Aufnahmen der Bodycams sollen auch zu Schulungszwecken eingesetzt werden können. In dem Fall aber müssen die Protagonisten unkenntlich gemacht und die Aufnahmen nach zehn Jahren wieder gelöscht werden.“
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