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Horeca-SektorAb auf die Terrasse: Bei „Chez Toni“, „Mess Café“ und „Groupe Aura“  wird wieder serviert

Horeca-Sektor / Ab auf die Terrasse: Bei „Chez Toni“, „Mess Café“ und „Groupe Aura“  wird wieder serviert
Im Reckinger „Mess Café“ klingelte das Reservationstelefon bereits kurz nach der offiziellen Pressekonferenz zu den Exit-Strategien für den Horeca-Sektor Fotos: Laura Tomassini

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Seit Mittwoch herrscht in Luxemburgs Restaurants wieder Betrieb, die Bilanz der Geschäftsführer ist derweilen durchwachsen. Beschränkungen an den Tischen, tückische Voraussetzungen für die Hilfsmaßnahmen und das Ausfallen von Business-Mittagessen sind nur einige der Hindernisse, die der Horeca-Sektor während der Exit-Phase überwinden muss. Dennoch ist die Freude über die Wiedereröffnung in den meisten Betrieben groß, denn wenig Umsatz ist besser als gar keiner.

Es sind komplett unterschiedliche Bilder, die sich einem beim Gang ins Restaurant seit vergangenem Mittwoch bieten. Wo die einen Tische auf der Terrasse beifügen mussten, um dem Ansturm an Gästen gerecht werden zu können, herrscht bei anderen gähnende Leere. Schwierig ist die Krise jedoch für alle, denn der Horeca-Sektor ist von den Folgen mit am schlimmsten betroffen und wird wohl noch Jahre brauchen, um die entstandenen Schäden wieder aufzufangen. „Was die Leute nicht verstehen, ist, dass es egal ist, ob man ein kleines, mittleres oder großes Restaurant führt. Es fallen im Laufe der Zeit immer Investitionen an, wenn man wachsen und seinen Kunden stets einen guten Service bieten möchte und wenn dann die Umsätze bei null liegen, wird es schwer“, sagt Sylvie Ceccacci, die gemeinsam mit ihrem Mann Luigi das Restaurant „Chez Toni“ führt. Seit 1972 ist die Pizzeria in Schifflingen einer der Hotspots für traditionelle italienische Küche im Süden, nun aber spürt die Familie des Hauses die Nebeneffekte von Corona.

Trotz nur wenig Betrieb am ersten Wochenende nach der Wiedereröffnung ist das Team von „Chez Toni“ mehr als motiviert
Trotz nur wenig Betrieb am ersten Wochenende nach der Wiedereröffnung ist das Team von „Chez Toni“ mehr als motiviert

„Vor der Wiedereröffnung war die große Unbekannte, ob die Gäste auch kommen würden. Es waren schlussendlich weniger als erwartet, aber dabei haben mehrere Faktoren eine Rolle gespielt. Nun heißt es abwarten, was die nächsten Wochen bringen“, so der Restaurantbesitzer. Neben dem guten Wetter und der weiterhin bestehenden Angst vor dem Virus ist vor allem die Tatsache, dass nur vier Personen an einem Tisch Platz nehmen dürfen, ein großes Hindernis für die Branche. „Der Pfingstsonntag ist ein Familientag, an dem wir normalerweise Reservierungen für Tische für acht bis zwölf Personen erhalten. Das ist in der jetzigen Phase nicht möglich, sodass sich viele Leute dann lieber zu Hause treffen“, erklärt Luigi Ceccacci. Um die hierdurch verursachten Verluste etwas aufzufangen, hat die Geschäftsführung von „Chez Toni“ beschlossen, den während der Quarantäne angebotenen Liefer- und Abholservice auch weiterhin beizubehalten.

Klarheit erst im September

Doch auch mit Bestellungen für Zuhause schallt die Stille im sonst stets gut gefüllten Restaurant laut. „Am Freitagmittag, wo wir normalerweise immer komplett ausgebucht sind, war viel weniger los, da die gesamten Business-Lunche aufgrund des immer noch vermehrt genutzten Home-Office fehlen. Unsere gesamte Mannschaft ist zwar anwesend, aber es ist definitiv nicht genug Arbeit für 18 Angestellte da“, so Ceccacci. Eine konkrete Bilanz könne man nach nur einem Wochenende jedoch noch nicht ziehen, meint der Wirt: „Ich denke, das wahre Ausmaß wird erst bei der ‚Rentrée‘ im September erkennbar sein.“ Durch die vorgeschriebenen Sicherheitsabstände zwischen den Tischen verliert das Restaurant aktuell rund 40 Prozent der hauseigenen Kapazität und auch die vergangenen drei Monate hinterlassen ein spürbares Loch: „Für uns sind März, April und Mai durch die zahlreichen Kommunionen und Hochzeiten mit die ertragreichsten Monate des Jahres und die Einnahmen fehlen jetzt natürlich.“

Die sonst belebte Terrasse des Schifflinger Familienbetriebs blieb am Montagmittag größtenteils leer
Die sonst belebte Terrasse des Schifflinger Familienbetriebs blieb am Montagmittag größtenteils leer

Dennoch ist das Team von „Chez Toni“ dankbar für den lang ersehnten Start nach der Ausgangssperre, die Erleichterung sieht man den Besitzern trotz Erschöpfung an: „Als der erste Kunde den Raum betrat, hätten wir ihn am liebsten umarmt. Es geht schließlich um unser Metier und wir können nicht einfach den Kopf hängen lassen, schon alleine wegen der Verantwortung unseren Mitarbeitern gegenüber.“ Um auch ihrer Kundschaft die Wiederkehr so angenehm wie möglich zu gestalten, hat sich Familie Ceccacci der Situation angepasst und mit Wegwerf-Sets, Karten via QR-Code und Desinfektionsgels an allen Eingängen des Restaurants aufgerüstet. Nur bei vereinzelten Gästen scheinen die Maßnahmen noch nicht so ganz angekommen zu sein, wie Sylvie Ceccacci verrät: „Viele rufen an, um Tische für größere Gruppen zu reservieren. Wenn man ihnen dann absagen muss, fühlt man sich wie ein Gendarm, was natürlich für die Atmosphäre mit den Kunden nicht förderlich ist.“

Diskussionen um Maskenpflicht

Ähnlich erging es in den ersten Tagen der Wiedereröffnung den Kellnern des „Mess Café“ in Reckingen/Mess. Während hier die Kundschaft wie gewohnt zahlreich erschienen ist, haperte es bei der Maskenpflicht bei so manchem. „Wir müssen die Gäste regelmäßig darauf hinweisen, dass sie schon beim Betreten der Terrasse die Maske tragen müssen und dies auch beim Gang zur Toilette gilt. Es dauert wohl einige Tage, bis jeder sich daran gewöhnt hat, aber es gibt schon mal Diskussionen, weil viele das Tragen des Mundschutzes im Restaurant unlogisch finden, wenn sie doch am Tisch selbst ohne sitzen dürfen“, erklärt Luca Fumarola, dessen Eltern das Restaurant besitzen. Während der Quarantäne hat das Team profitiert, anstehende Arbeiten im Innen- und Außenbereich machen zu lassen. Die Wiedereröffnung kam dann aber doch etwas schneller als geplant: „Hier war noch eine riesige Baustelle, weil wir alles renoviert haben. Auf einige Sachen für die Terrasse warten wir immer noch.“

Die Kundschaft war hingegen von Sekunde eins an wieder präsent – direkt nach der offiziellen Pressekonferenz zu den Exit-Strategien für den Horeca-Sektor klingelte in Reckingen das Telefon. „Die vergangenen Tage waren für uns sehr stressig, da wir für Kleinigkeiten viel mehr hin- und herlaufen müssen, zum Beispiel für die Gabe von Salz oder Parmesan, die wir nun nicht mehr auf die Tische stellen“, so Fumarola. Dennoch will sich die Mannschaft des „Mess Café“ nicht beklagen, denn im Gegensatz zu vielen anderen Restaurants bleibt hier in der Küche keine Pfanne unbenutzt. Zur Freude des Betriebes hat die Gemeinde diesem einen Teil des umliegenden Terrains zur Verfügung gestellt, sodass Fumarola und seine Arbeitskollegen nun ebenfalls auf dem Rasen neben der Terrasse Gäste bedienen dürfen. „So haben wir etwa 80 Plätze draußen und müssen nur im Innern sechs Tische einbüßen“, sagt Fumarola.

Katastrophale erste Bilanz

Weniger ist in Reckingen nur die ältere Stammkundschaft geworden, die sonst besonders sonntagvormittags immer pünktlich am Tresen sitzt. Als einziges Restaurant der Gemeinde macht sich das „Mess Café“ hierüber allerdings aktuell noch wenig Sorgen, sagt Fumarola: „Unsere Mannschaft ist motiviert und die Reservierungen werden von Tag zu Tag mehr, also bin ich diesbezüglich relativ optimistisch. Ich hoffe nur, dass es nicht wieder zu einer Schließung kommen wird, das wäre schlimm für uns alle.“ Mit gemischten Gefühlen blickt auch Patrick Pianon der „Groupe Aura“ in die Zukunft seiner Restaurants. Gleich fünf Lokale – die „Osteria di Niederanven“, die Pizzeria „Ambiente“ in Luxemburg-Stadt, das „Al Treno“ in Wecker, das „Una Storia“ in Echternach sowie die im Oktober eröffnete „Brasserie O‘“ in Niederanven – gehören zur Horeca-Gruppe, allesamt an ganz unterschiedlichen Standorten. „Dadurch ist auch unsere Klientel in jedem Restaurant anders, was die Lage relativ kompliziert macht“, so Pianon.

Dem „Mess Café“ wurde von der Gemeinde Reckingen der umliegende Rasen zur Verfügung gestellt
Dem „Mess Café“ wurde von der Gemeinde Reckingen der umliegende Rasen zur Verfügung gestellt

Eine katastrophale erste Bilanz im städtischen Lokal, das normalerweise zahlreiche Büroangestellte anlockt und nun dem „Télétravail“ zum Opfer fällt, leere Stühle in Echternach, wo sonst Touristen die Terrassen frequentieren, eine Dorf-„Osteria“, die zwar solidarische Kunden vorzuweisen hat, jedoch ebenfalls unter der Angst der älteren Generation leidet – all dies sind die Auswirkungen der Krise, die es nun aufzufangen gilt. „Wir machen aktuell nur etwa 30 Prozent unseres gewohnten Umsatzes, mehr ist nicht drin“, sagt der Geschäftsführer. Die Maßnahmen der Entscheidungsträger verstehe der Restaurateur zwar voll und ganz, jetzt brauche man aber konkrete Umsetzungspläne: „In der jetzigen Phase habe ich die Wahl, meine Mitarbeiter weiterhin im ‚chômage partiel‘ zu lassen oder sie wieder zu 100 Prozent zu bezahlen, was bei diesem Umsatz schnell eine brenzlige Geschichte wird.“ Vor allem die Voraussetzungen für die vom Staat angebotenen Hilfen müssen dringend angepasst werden, meint Pianon: „Das Hilfspaket von 1.250 Euro je Monat pro arbeitendem Angestellten bzw. 250 Euro pro Mitarbeiter, der weiterhin in Kurzarbeit bleibt, erhält man nur, wenn man unter 75 Prozent des normalen Umsatzes bleibt. Es wird jetzt also ein Jonglieren mit Personal.“

Fahrt mit gezogener Handbremse

Zu den Tücken des angebotenen sechsmonatigen „Fonds de relance et de solidarité“ gesellt sich die Tatsache, dass fast die gesamten Urlaube der Beschäftigten noch ausstehen und auch die „charges patronales“ nur zeitlich begrenzt ausgesetzt werden können: „Auf der einen Seite sind wir natürlich froh, wieder öffnen zu dürfen, denn sonst wäre die Lage noch schlimmer, andererseits sind wir gezwungen, teilweise mit gezogener Handbremse zu fahren, um angehäufte Schulden in Grenzen zu halten.“ Dass Arbeitskräfte erhalten werden sollen, will Pianon gerne unterzeichnen, doch wie steht es mit den Kosten für die Gesellschaften? „Wir haben Glück, dass unsere Restaurants vor der Krise gut gelaufen sind und sind auch gewollt, das Spiel mitzumachen. Vieles ist aktuell aber noch ein großes Fragezeichen und da die Entscheidungen stets von heute auf morgen fallen, lässt sich auch quasi nichts ordentlich vorbereiten“, beklagt der Gastronom.

Die erst im Oktober eröffnete „Brasserie O‘“ in Niederanven hat fortan nur noch abends für ihre Kundschaft geöffnet
Die erst im Oktober eröffnete „Brasserie O‘“ in Niederanven hat fortan nur noch abends für ihre Kundschaft geöffnet

Das Resultat all dieser Faktoren ist für Pianon mehr als besorgniserregend, vor allem da auch intern die Probleme nicht ausbleiben. „Ich habe leider das Gefühl, dass wir als Unternehmer zwar gewollt sind, alle nötigen Bemühungen aufzubringen, um die Wiedereröffnung zu ermöglichen, dieser Wille beim Personal allerdings nicht unbedingt vorhanden ist. Dazu muss man auch sagen, dass von den Gewerkschaften enormer Druck ausgeübt wird und bei 85 Mitarbeitern ist dies deutlich zu spüren“, so der Geschäftsführer. Diskussionen um Urlaubstage, der Pfingstmontag, der als Feiertag ausbezahlt werden muss, ungeklärte Modalitäten für die staatlichen Beihilfen – alles Dinge, die Fragen aufwerfen und in einer schon schwierigen Situation für Zweifel sorgen. „Die schwerste Zeit kommt jetzt erst“, meint der Restaurateur bedrückt. Schon in den ersten Tagen nach dem Exit-Start muss die „Groupe Aura“ den Gürtel enger schnallen, denn wo vorher „full house“ herrschte, waren am Wochenende nur einige Tische besetzt.

Die Gefahren des Home-Office

„Die nächste Frage stellt sich dann, wenn wieder anfangen wird, in den Büros zu arbeiten. Falls die Firmen weiterhin das Home-Office akzeptieren, hat dies dramatische Konsequenzen für die gesamte Wirtschaft. Dann wird es weniger Verbraucher geben, die ausgestellten ,Chèques repas‘ werden nicht mehr benutzt und es wird einfach generell an Kaufkraft fehlen“, befürchtet Pianon. Um das künftige Ausmaß der Krise wenigstens etwas erahnen zu können, hat die Leitung der „Groupe Aura“ Studien für ihre Lokale durchgeführt und die Berechnungen auf Basis der angefragten Hilfen simuliert. Für viel Spekulation fehlt es allerdings an den nötigen Details: „Wir benötigen mehr Informationen darüber, was die Hilfspakete genau beinhalten und wie sie berechnet werden. Erst dann können wir sagen, wie die Situation für uns aussieht. So wie es jetzt ist, gestaltet sich das Ganze noch als zu komplex, um eine wirkliche Bilanz ziehen zu können.“