Am Freitag wurde das Hotel «Le Cigalon» im Müllerthal heftig von den Regenmassen des Unwetters getroffen. Große Teile des Gebäudes wurden dabei regelrecht verwüstet. Im Erdgeschoss stand das Wasser über einen Meter hoch. Seitdem laufen die Aufräumarbeiten – hauptsächlich durch freiwillige Helfer und Familienangehörige.
Genau vor 62 Jahren
Am 1. Juni 1956 öffnete das Hotel «Le Cigalon» seine Türen im Müllerthal. Genau 62 Jahre später wurde das Hotel überflutet. Die Mutter von Rita Kunnert hatte das Hotel damals eröffnet. «Meine Mutter steht unter Schock. Sie kann es einfach nicht glauben, dass nun ihr gesamtes Werk zerstört wurde. Es hat ihr regelrecht die Sprache verschlagen. Auch wollte sie sich mit eigenen Augen ein Bild von der Verwüstung machen, aber davon habe ich ihr abgeraten», sagt Corinne Kunnert, die Schwester von Rita Kunnert.
Im Jahr 1985 war das gesamte Hotel rundumerneuert worden und noch im Januar dieses Jahres wurde der Barbereich neu eingerichtet.
«Die Arbeit von 36 Jahren wurde binnen einer halben Stunde zerstört», sagt der Inhaber des Hotels «Le Cigalon», Philippe Stoque. Der Schock und die Verzweiflung stehen ihm immer noch ins Gesicht geschrieben. Seine Ehefrau Rita Kunnert erklärt, dass ihr Mann sie in der Nacht zum 1. Juni geweckt habe, weil es einen lauten Knall gab. «Wir sahen nach, was passiert war. Als wir die Treppe hinuntergingen, stand das Wasser bereits bis zur siebten Stufe. Binnen einer knappen halben Stunde hatte sich das gesamte Erdgeschoss mit Wasser und Schlamm gefüllt. Die ersten Gedanken waren natürlich bei unserem Personal, das im Untergeschoss übernachtet», erzählt die Ehefrau.
Sofort alarmierten die Hoteleigentümer die Rettungsdienste; fast wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt. «Erst als es in den Morgenstunden hell wurde, sahen wir das Ausmaß der Verwüstung», erzählt Rita Kunnert mit Tränen in den Augen. Der Schock sitzt tief.
Auch eine Woche nach der Katastrophe ist die Zerstörung noch deutlich sichtbar. Zahlreiche freiwillige Helfer sind vor Ort, um dem Hotelbesitzer zur Hand zu gehen. «Mein Sohn ist Polizist und einzelne Polizeibeamte des CI Luxemburg hatten sich entschlossen, bei der Säuberung des Hotels dabei zu sein. Am Wochenende nach der Katastrophe waren teilweise bis zu 100 Leute hier, um uns zu helfen. Wir haben natürlich dafür gesorgt, dass Essen und Getränke zur Verfügung standen. Wir haben Pizza bestellt, hoffen aber stark, dass sich das Ministerium in den nächsten Tagen um das Catering kümmert», sagt Rita Kunnert.
Regen verursachte sehr hohen Schaden
Bisher waren bereits jede Menge Gutachter vor Ort, um den Schaden zu schätzen. Eine definitive Summe kann aber noch nicht genannt werden. «Alles ist kaputt. Die gesamte Küche ist verwüstet. Wir müssen als Hotelbetreiber selbstverständlich strenge hygienische Kriterien erfüllen, um die Küche betreiben zu dürfen», sagt Rita Kunnert. Alles ist zerstört. Die Wände sind völlig durchnässt. Die Fenster und Türen sind zerkratzt. Alles muss erneuert werden. Der Gutachter, der am Dienstag vor Ort war, erklärte dem Tageblatt gegenüber, dass es wenigstens zehn Wochen dauern werde, bis die Küche wieder einsatzbereit ist.
Allerdings zieht sich die Verwüstung durch das gesamte Erdgeschoss. Wann das Hotel wieder seine Türen öffnet, kann niemand abschätzen. Es wird Wochen dauern, wenn nicht gar Monate. Die finanziellen Verluste sind immens.
Philippe Stoque und Rita Kunnert übernachten zurzeit im ersten Stockwerk des Hotels. «Wir können nirgendwo hin, denn einzelne Fenster und Türen sind kaputt und wir müssen aufpassen, dass keine Fremden eindringen, um Wertsachen zu klauen», gibt Rita Kunnert zu bedenken. Strom gibt es momentan in dem Haus nicht. «Am ersten Abend hatten mein Ehemann und ich ein Candlelight Dinner. Im Kerzenlicht haben wir uns dann ein Stück Fleisch gegrillt», sagt die Eigentümerin des Hotels.
Die, die freiwillig mit anpacken
Die Helfer sind bereits morgens um 8.00 Uhr vor Ort, um so schnell wie möglich voranzukommen. Bevor die Arbeiten losgehen, wird ein Infopunkt organisiert, um die Arbeiten zu koordinieren. Am Dienstag sollte beispielsweise das Erdgeschoss von den Schlammmassen befreit werden. Gleiches Szenario nach der Mittagspause. Um 14.30 Uhr heißt es: «Wir brauchen vier bis fünf Leute, die in der Küche die Fliesen von den Mauern reißen. Auch die Küchengeräte müssen rausgetragen und in die Waschstation gebracht werden.» Kurz danach geht die Arbeit los.
700 Kilometer
Der Schwager der Eigentümerfamilie lebt momentan 700 km weit weg, in der Auvergne (F). «Sofort nachdem ich von der Katastrophe gehört hatte, sind wir losgefahren. Auch wenn ich zurzeit gesundheitlich nicht sehr gut drauf bin, wollen wir unsere Familie unterstützen und dort helfen, wo wir können», sagt Michel.
Jean-Luc, selbst bei der Feuerwehr in Nommern aktiv, wollte bereits am Wochenende helfen. Sein Kommandant hat dem zugestimmt. Auch Georges, ein Freund des Sohnes der Eigentümerfamilie, ist seit Samstag dabei. «Ich hatte am Samstag Frühschicht und danach machte ich mich sofort auf den Weg, um zu helfen. Auch an meinen freien Tagen werde ich weiter hier im Einsatz sein.»
«Die Solidarität ist sehr groß. Das hatte ich nicht erwartet. Ich kenne Luxemburg nicht von dieser Seite», erklärt Chris, der Sohn von Rita Kunnert und Philippe Stoque. Auch die Beschäftigungsinitiative «ProActif» hat entschieden, Arbeiter ins Hotel zu schicken, um bei den Aufräumarbeiten zu helfen: «Ich sah eine Katastrophe vor Ort. Wir wollen weiterhin helfen, um das Hotel wieder auf Vordermann zu bringen», sagt Giuseppe.
Nicole gehört zum Personal des Hotels. Zum Zeitpunkt der Katastrophe hatte sie eigentlich frei. «Ich wollte trotzdem meinem Arbeitgeber helfen und bin nun seit einigen Tagen hier im Einsatz.» Alex kennt die Familie schon seit einigen Jahren: «Wenn meine Hilfe gebraucht wird, bin ich selbstverständlich für die Familie da.» Jim, ebenfalls im Rettungswesen tätig, erklärt, dass man in einer ersten Phase versuchen werde, das Erdgeschoss vom Schlamm zu befreien: «Erst dann sehen wir, wie es in Zukunft weitergeht.»
Sowohl Louise als auch ihre Tochter Nathalie sind Freunde der Eigentümerfamilie des Hotels. «Sofort als wir von der Überschwemmung gehört hatten, habe ich Rita kontaktiert. Wir wohnen zwar in Deutschland, doch wir haben nicht gezögert und unsere Hilfe angeboten», sagt Louise. Auch ihre Tochter Nathalie sagt: «Wir helfen dort, wo wir können. Momentan sind wir dabei, Kleinkram vom Schlamm zu befreien und
abzuwaschen.»
Aufruf über Facebook
Der Sohn der Eigentümerfamilie, Fabien Stoque, hat eine Facebook-Gruppe gegründet. Hier findet man die Infos, welche Materialien vor Ort gebraucht werden und wie viele Leute tagtäglich im Einsatz sind. «Ich bin sehr glücklich über die große Solidarität. Tausend Dank an alle Helfer, die auf freiwilliger Basis arbeiten», sagt Fabien Stoque.
Tonnenweise Schlamm
Mit den Wassermassen ist ebenfalls tonnenweise Schlamm in das Hotel eingedrungen. «Dadurch, dass Bäume mitgeschwemmt wurden, sind die Fenster des Hotels zertrümmert worden. Alles ist mit Schlamm bedeckt. Im Inneren des Hotels mussten die Helfer sogar eine ganzen Baum zersägen, um ihn hinauszuschaffen», sagt die Schwester der Eigentümerin, Corinne Kunnert.
„Zone sinistrée“
Die Eigentümerin des Hotels «Le Cigalon» hat dem Tageblatt gegenüber erklärt, dass die Areale rund um das Hotel nun als sogenannte «zone sinistrée» ausgewiesen wurden. Dies bedeute, dass die Versicherung für die Schäden aufkommen werde. Doch vorerst muss das Ausmaß des Schadens geschätzt werden. Wie hoch der Schaden genau ist, kann noch niemand sagen. Sicher ist aber, dass sich der Sachschaden mindestens im sechsstelligen Bereich bewegt.
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