Minister für Tourismus und Ministerin für Kultur haben jeweils für ihre Ressorts ihr Interesse an einer Förderung der Baukultur und der gezielten Darstellung besonders gelungener Projekte, sowohl für die Fachwelt als auch für ein breites Publikum aus dem In- und Ausland, bekundet, ergo siedelt sich die Baukultur an der Schnittstelle zweier politisch relevanter Bereiche an.
Mit von der Partie hätten auch Außenministerium und Wirtschaftsministerium sein können, hat eine rezente Umfrage doch ergeben, dass die Baugenehmigungen letztens um 38 Prozent rückläufig waren und sowohl Architekturbüros als auch Bauhandwerk und Baufirmen sich über ein mögliches Szenario eines schrumpfenden Baumarktes beklagen, ergo eine mögliche offene Krise ins Haus stehen könnte.
To-do-Liste für die Politik
Der OAI hat besagte Sondierung bei und im Sinne der 779 Mitglieder und den in diesem Sektor beschäftigten 5.736 Menschen offiziell vorgestellt, wobei gleichzeitig die vielseitigen Facetten des Sektors und seiner Probleme dargelegt wurden. Um einen konkreten Beitrag zur Besserung der Lage und Perspektiven zu leisten, hat der OAI zwölf Pisten ausgelegt, sozusagen die „To-do-Liste“ für die politischen Parteien und staatlichen Institutionen im Vorfeld der Kammerwahlen 2023.
Diese reichen von dem Ruf nach einem Paradigmenwechsel vom kurzfristigen Profit-Denken hin zu einer Wohlfühlstimmung in der Gesellschaft über die Vereinfachung der Genehmigungsprozeduren und Verbesserung der Fördermaßnahmen bis hin zur Wiederherstellung einer Kultur des Vertrauens und der Garantie für freies Handeln in den einzelnen Fachbereichen, selbstredend unter Berücksichtigung des Gesamtinteresses.
Wenn sich der OAI auf derart politisches Terrain begibt, so nur im Interesse der Anerkennung und Förderung der Baukultur. Das Handbuch „Architectour.lU“ reiht sich in diese Sicht der Dinge ein. 354 Projekte haben die OAI-Mitglieder diesbezüglich eingereicht, eine gemischte Jury hat diese gefiltert und 14 Touren herauskristallisiert, sodass 252 Objekte berücksichtigt wurden, die 102 verbleibenden Projekte werden jedoch parallel zum Handbuch auf der Webseite www.architectour.lu sichtbar gemacht.
Das Salz in der 2023 gekochten Architektur-Suppe sind drei neue Vorhaben, einmal der Zugang via QR-Code auf dem Geoportal, dann die elf Wohnetappen des Minett-Trail, der sich durch elf Süd-Gemeinden schlängelt, und schließlich, wie soll es auch anders im Weinland Luxemburg sein, die Initiative „Wein und Architektur“ (siehe Via Mosel).
Direktor Pierre Hurt kündigt für kommendes Jahr eine Übersicht der künstlerischen Eingriffe „Art in situ OAI“ am Sitz der Vereinigung an. Diese sollen im Guide 2024 ausführlich kommentiert werden. So schließt sich dann der Kreis Architektur und bildende Kunst mit der „Kunst am Bau“.
Besichtigung von 252 Objekten
Dr. Robert Philippart, Initiator der sonntäglichen Architektur-Promenaden in der Hauptstadt und Mitglied der Auswahlkommission, definiert im Guide die Argumente, die bei der Wahl der 14 Touren ins Gewicht gefallen sind, sagt, wie diese sich in die Natur einfügen und welche Rolle das kulturelle Erbe spielt. Ferner dokumentiert er technische Innovationen, die die Baukultur nachhaltig aufwerten oder ganz einfach Sport, Kultur, Tradition, Energieeffizienz und Erscheinungsbild optimal miteinander verbinden.
Das Handbuch bietet dem Leser übersichtlich gestaltete Roadmaps an, die es ermöglichen, sich auf die Touren Luxemburg 1-4, Minett 1-3, Musel 1-2, Sauer, Éislek, Westen, Zentrum und Osten zu begeben. Außerdem gibt es eine Einsicht in die elf Standorte des Minett-Trail und die einzelnen Etappen von „Wein und Architektur“. Da wir nicht alle Touren im Detail ausführen können, seien nachfolgend zwei erwähnt.
Luxemburg IV führt uns von der Hiel-Paart in Clausen ins Neudorf und auf den Kirchberg, wo unter anderem die Nationalbibliothek, der Sitz der KPMG, das Rehazentrum, der Sitz von BGL BNP Paribas, der Serra-Kreis, die Luxexpo The Box, 99 Wohnungen oder die Handwerkskammer angepeilt werden.
Spannend ist auch Minett I mit mehreren Gebäuden im aufstrebenden Viertel Belval, wo die Universität angesiedelt ist, Esch-Zentrum, Lallingen und Beles, darunter einem Seniorenhaus in Sanem. Diese Tour ermöglicht es, recht konzentriert zahlreiche zu unterschiedlichen Zwecken errichtete Gebäude zu erkunden. Andere Touren sind natürlich auch aufschlussreich. Interessierte können diese Einheit anhand von Fotos und Kurzbeschreibungen studieren, bevor sie diesen Vorort besichtigen. „Architectour.lu“ ist auch digital sichtbar, derweil das gedruckte Handbuch eine Liste der OAI-Mitglieder anbietet.
Dieser „Guide d’architecture contemporaine du Luxembourg“ ist eine praktische und wertvolle Quelle und Anleitung für all jene, die in Bauten nicht nur Mauern, Türen, Fenster und Dächer, sondern echtes Kulturgut sehen und sich daran erfreuen können. In Erwartung des Luxemburger Beitrages bei der Architektur-Biennale in Venedig und der in diesem Jahr behandelten, ganz speziellen Thematik empfiehlt sich die Lektüre von „Architectour.lu“. Sie lenkt wohl auch von den akuten Problemen des heimischen Wohnungsmarktes ab.
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