COSL und OlympiaDie Arbeit beginnt von vorne

COSL und Olympia / Die Arbeit beginnt von vorne
Bei Heinz Thews klingelt derzeit andauernd das Telefon Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Heinz Thews hätte eigentlich nach den Olympischen Spielen in Rente gehen wollen. Nach der Verschiebung von Tokio 2020 auf kommendes Jahr steht der Sportdirektor des Nationalen Olympischen Komitees vor neuen Herausforderungen.

Tageblatt: Herr Thews, wie sieht derzeit Ihr Corona-Alltag aus?

Heinz Thews: Ich habe früher bereits sehr viel telefoniert, aber jetzt bin ich eigentlich ständig am Telefon oder in einer Videokonferenz. Wir versuchen derzeit, den finanziellen Schaden zu vermeiden und die Athleten zu organisieren. Sie haben viele Fragen und wir müssen herausfinden, was wir ihnen bieten können. Wir versuchen, die Situation generell zu lösen, aber auch individuell. Es ist auch wichtig, die Athleten richtig zu informieren, damit ihr Wissensstand sich nicht auf die Nachrichten aus den sozialen Medien beschränkt. Derzeit warten wir auf neue Termine. Die Planung der nächsten Monate hängt von diesen ab. Damit verbunden sind auch die Zukunft und die Berufsplanung der Sportler. Es hängt ein riesiger Rattenschwanz daran.

Eigentlich hätten Sie in diesem Jahr in Rente gehen sollen. Nun ist die Verschiebung der Olympischen Spiele dazwischen gekommen. Werden Sie das Nationale Olympische Komitee COSL auch 2021 in Tokio als Sportdirektor und „Chef de mission“ vertreten?

Das ist eine Thematik der dritten oder vierten Kategorie. Derzeit genießt diese Entscheidung keine Priorität. Viele Szenarien sind möglich und das COSL wird zum gegebenen Zeitpunkt eine Lösung dafür finden. Im Moment ist es wichtiger, dass unsere Athleten gesund bleiben. Die Leichtathleten Charles Grethen, Lena Kieffer und Vera Hoffmann befanden sich bis Donnerstag im Höhentrainingslager in den USA. Ich hoffe, dass sie wohlbehalten nach Luxemburg zurückkehren.

Es scheint so, als wäre die Suche nach einem Nachfolger für Sie bisher erfolglos verlaufen?

Das kommt darauf an, aus welchem Blickwinkel man das sieht. Das COSL bemüht sich derzeit um eine Strukturerweiterung. Es sollen mehr Leute an den Projekten mitarbeiten. Unter anderem läuft momentan eine Ausschreibung für einen Juristen. Es gibt keine große Hektik, weil das COSL derzeit andere Prioritäten hat. Das Nationale Olympische Komitee hat die Situation im Griff und sucht parallel zu den Planungen für Tokio 2021 nach einem neuen Sportdirektor.

Laut Internationalem Olympischem Komitee könnte Tokio 2021 im „Frühsommer“ stattfinden. In diesem Zeitraum würden auch die Spiele der Kleinen Staaten stattfinden. Drohen die JPEE im kommenden Jahr auszufallen?

Es müssen etliche Kompromisse gemacht werden, um im Sinne der Athleten zu handeln. Das betrifft auch den Kalender. Auch die großen Fernsehanstalten, welche die Rechte an den Spielen besitzen, haben ein Wörtchen mitzureden. In Tokio und der Region muss geschaut werden, wann die Infrastruktur im kommenden Jahr zur Verfügung steht. Die Messehalle ist zum Beispiel sehr oft ausgebucht. Es gibt eigentlich zwei Alternativen, was das Datum angeht. Im April/Mai wäre das Wetter komfortabler und der Marathon könnte in Tokio ausgetragen werden. Für die Organisatoren ist es wichtig, diesen Wettbewerb wiederzubekommen (Anm. d. Red.: der Marathon war in Sapporo vorgesehen, wegen der hohen Temperaturen im Juli in Tokio). Die zweite Möglichkeit wäre, die Spiele an einem ähnlichen Termin wie in diesem Jahr auszutragen. Sebastian Coe, der Präsident des Leichtathletik-Weltverbands, hat bereits Bereitschaft signalisiert, die Termine seiner Sportart anzupassen (Anm. d. Red.: die WM findet Anfang August 2021 in Eugene/USA statt). Um auf die JPEE zurückzukommen: Wenn die Olympischen Spiele genau auf den Termin der Spiele der Kleinen Staaten fallen, dann müssen sie wohl verschoben werden. In zwei Wochen haben wir eine Videokonferenz mit den NOKs der anderen kleinen Staaten. Bis dahin wissen wir vielleicht mehr.

Gestern gab es eine Videokonferenz mit dem IOC und fast 100 anderen Nationalen Olympischen Komitees. Was gibt es Neues?

Uns wurde noch einmal bestätigt, dass die Qualifikationsplätze bestehen bleiben. Das ist eine gute Nachricht für uns. Derzeit sind 57 Prozent der Plätze vergeben. Das IOC wird in naher Zukunft an den Kriterien für die Sportler arbeiten, die ihre Qualifikationsphase noch nicht abgeschlossen haben. Alle Qualifikationswettbewerbe wurden gecancelt und werden wahrscheinlich vier Monate vor dem Start der Spiele 2021 nachgeholt werden. Spätestens Ende April wird alles auf dem Tisch liegen. Spätestens an Ostern wird das IOC den neuen Termin für die Spiele mitteilen – wenn nicht sogar früher. Die Baustellen sind die Belegung der Hotels, der Wettkampfstätten und des Olympischen Dorfes. Das Village befindet sich auf der Insel Harumi und diese Gegend ist sehr begehrt. Nach den Spielen wollen die Menschen so schnell wie möglich ihre neue Wohnung dort beziehen.

Schwimmer Raphaël Stacchiotti wollte eigentlich nach Tokio mit dem Hochleistungssport aufhören. Tischtennis-Spielerin Ni Xia Lian feiert am 4. Juli 2021 ihren 58. Geburtstag. Gibt es noch andere Athleten, für die die Spiele in Tokio zu spät kommen könnten?

Um Ni Xia Lian mache ich mir keine Sorgen. Sie hat ja bereits angekündigt, dass sie sich auf  Paris 2024 vorbereiten will, wenn die Gesundheit mitspielt. Um andere Athleten mache ich mir da mehr Sorgen. Fechterin Lis Fautsch hat ja bereits klar gesagt, dass sie ins Berufsleben einsteigen wird. Wie viele Athleten bis 2021 wegfallen könnten, ist derzeit schwer abzuschätzen.

Wie verändert die Verschiebung der Olympischen Spiele Ihre Planungen?

Alles muss neu organisiert werden und die Zeit bis zum nächsten olympischen Termin ist diesmal deutlich kürzer. Wir wissen heute noch nicht, wann wieder ein geregeltes Leben ohne Restriktionen möglich ist. Auf der Welt gibt es derzeit unterschiedliche Trainingsbedingungen, und diese Situation wird noch länger andauern. Zudem muss das Anti-Doping-System wieder greifen. Irgendwann muss es einen Reboot geben und ab dem Moment müssen die Prozeduren wieder normal abrufbar sein.  

Das Internationale Olympische Komitee IOC wurde für seine späte Entscheidung, die Spiele zu verlegen, stark kritisiert. Was ist Ihre Meinung dazu?

Ich habe eine andere Meinung als der Mainstream. Die Führungsetage des IOC habe ich bisher nie als blind oder nicht clever kennengelernt. Im Gegenteil: Sie sind sehr smart. Olympische Spiele sind wie ein Riesentanker auf See. Man kann nicht einfach die Bremse ziehen und dann steht alles. Die Verantwortung gegenüber den Athleten ist groß und es ist ein extrem komplexes Gefüge mit sehr vielen Stakeholdern. Durch die täglichen Wasserstandsmeldungen wurde die Position des IOC nicht besser und der Druck wuchs an. Irgendwann war der Druck so groß, dass das IOC eine Entscheidung mitteilen musste. Hätte man Thomas Bach und seiner Mannschaft drei Wochen mehr Zeit gelassen, hätten sie sofort ein fertiges Package mit einem neuen Termin präsentieren können. In ihrem ganzen Handeln habe ich beim IOC eine Fürsorge für die Athleten erkannt.

Olympische Spiele sind wie ein Riesentanker auf See. Man kann nicht einfach die Bremse ziehen und dann steht alles.

Heinz Thews, COSL-Sportdirektor

Henry Edward
29. März 2020 - 17.38

Nobody cares.

de Schmatt
29. März 2020 - 13.20

Vielleicht gibt es ja auch einen Luxemburger, der die Fähigkeiten hat, die Nachfolge des scheinbar " unersetzbaren " Herrn Heinz Thews anzutreten?