Zahlen in Corona-ZeitenBargeld abgelehnt – Polizei eingeschaltet

Zahlen in Corona-Zeiten / Bargeld abgelehnt – Polizei eingeschaltet
Laut Gesetz darf der Euro in Luxemburg nicht als Zahlungsmittel abgelehnt werden. Viele Ladenbesitzer aber sorgen sich um die Gesundheit ihrer Angestellten und wollen den Kontakt mit dem Kunden auf ein Minimum reduzieren. Deshalb nehmen sie nur noch Bankkarten an. Foto: Fabian Strauch/dpa

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Immer mehr Geschäfte lehnen Banknoten und Münzen als Zahlungsmittel ab. Aus Sicherheitsgründen, betonen die Inhaber. Damit schaffen sie eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, entgegnen Kritiker. Dass nicht jeder Kunde eine Bankkarte hat, zeigt ein Beispiel aus Wiltz. Dort musste gestern die Polizei eingreifen. Ohne Erfolg: Die Unternehmensführung setzt sich über geltende Gesetze hinweg und lehnt Bargeld weiter ab.

Die Entscheidung zahlreicher Unternehmen und Geschäftsleuten, in Zeiten der Corona-Krise auf Bargeld als legales Zahlungsmittel zu verzichten, sorgt für Diskussionen in Luxemburg. In Wiltz wurde gestern sogar die Polizei eingeschaltet, nachdem die Angestellten einer Bäckerei Euro-Scheine abgelehnt hatten. Laut Strafgesetzbuch ist das nämlich verboten. Die Leitung des Unternehmens verweist allerdings auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter und weigert sich, das Gesetz zu befolgen.

Tatsächlich spaltet der Verzicht auf Bargeld die Gemüter. So haben sich in den letzten Tagen zahlreiche Zentralbanken und Forschungsanstalten zu diesem Thema geäußert und versucht, die Sorgen und Ängste der Bevölkerung in dieser Hinsicht zu zerstreuen. Die Europäische Zentralbank, die Luxemburger Zentralbank und die Deutsche Bank haben Mitteilungen veröffentlicht, wonach es keine Belege dafür gebt, dass das Coronavirus übers Bargeld übertragen werden kann. Im Vergleich zu anderen Flächen wie Türknäufen, Geländern, Einkaufskörben oder Zahlungsterminals sei die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung über Geldscheine oder Münzen „sehr unwahrscheinlich“, teilt auch das deutsche Robert-Koch-Institut mit.

Das Luxemburger Finanzministerium hat sich einerseits diesen Befunden angeschlossen, andererseits auch für Verständnis für die Entscheidung der Geschäftsleute geworben. Man sei sich bewusst, dass sich die Angestellten einfach sicherer fühlten, wenn sie nicht mit Papiergeld hantieren müssten, so ein Sprecher. Nichtsdestotrotz müssten die Unternehmen eine Alternative für den Notfall vorsehen, sollten Menschen nicht mit Karten zahlen können. Denn: „Der Euro ist ein gesetzliches Zahlungsmittel. Bargeld soll und muss auch angenommen werden“, so der Sprecher des Finanzministeriums, der in diesem Zusammenhang auf verschiedene EU-Direktiven und Auszüge aus dem Luxemburger Strafgesetzbuch verweist.

Strafbar macht sich demnach, wer in der EU nachweislich echte Euro-Scheine oder -Münzen als Zahlungsmittel ablehnt. Die gesetzliche Basis dafür schafft Artikel 128 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union: Im Kapitel über die Währungspolitik wird festgelegt, dass Euro-Banknoten den Status eines gesetzlichen Zahlungsmittels haben. Die EU-Kommission geht in einer gesetzlich bindenden Empfehlung vom 22. März 2010 noch einen Schritt weiter. Darin wird festgehalten: „Die Annahme von Euro-Banknoten und -Münzen als Zahlungsmittel bei Einzelhandelstransaktionen sollte die Regel sein. Eine Ausnahme davon ist nur aus Gründen im Zusammenhang mit dem Grundsatz von Treu und Glauben möglich, z.B. wenn der Einzelhändler über kein Wechselgeld verfügt.“

So lange keine gegensätzliche Verfügung des nationalen Gesetzgebers vorliegt, dürfen Händler auch in Luxemburg Euro-Bargeld als legales Zahlungsmittel nicht ablehnen. Das Strafgesetzbuch sieht im Artikel 556, Paragraf 4 sogar ein Bußgeld zwischen 25 und 250 Euro für Geschäftsleute vor, die Bargeld ablehnen, so lange dies nicht gefälscht ist oder anderslautende Entschlüsse der Regierung vorliegen.

Angestellte müssen Geld vorstrecken

Auf diesen Artikel bezog sich gestern auch ein verantwortlicher Mitarbeiter von „Liewen dobaussen“. Die Vereinigung wurde 1987 gegründet, um chronisch psychisch Kranke im Alltag zu unterstützen. Zu diesem Zweck unterhält die Initiative gleich mehrere Wohnheime, in denen rund 60 Personen mit einer gewissen Betreuung ein relativ geregeltes Leben führen können. Da die Bewohner aber keine Bankkarten erhalten, könnten sie in verschiedenen Läden keine Lebensmittel mehr kaufen, so der Betreuer gegenüber dem Tageblatt. Stattdessen erhalten die Betroffenen in der Regel ein Taschengeld, mit dem sie persönliche Einkäufe erledigen können. „Was aber nun in vielen Läden nicht mehr angenommen wird“, so der junge Mann.

Auch habe die Vereinigung selbst keine Möglichkeiten mehr, Lebensmittel für die Wohngemeinschaften einzukaufen: „Die Einkäufe wurden immer mit Bargeld aus der Vereinskasse bezahlt. Dieses wird aber in Wiltz beispielsweise nur noch an den Selbstzahlautomaten im Supermarkt angenommen. Nur, dass das Brot aufgrund von Hamsterkäufen immer gleich vergriffen ist. Und die Bäckerei nimmt kein Bargeld entgegen“, so der Betreuer.

Es bleibe den Pflegern also nichts anderes übrig, als die Rechnungen mit der eigenen, privaten Bankkarte zu begleichen. Da es sich aber mitunter um größere Summen handelt, könnte diese Lösung so manchen Angestellten am Ende des Monats in finanzielle Schwierigkeiten bringen. „Eine unserer Mitarbeiterinnen hatte gestern Einkäufe für über 300 Euro. Eine andere Angestellte zahlt bereits seit Tagen für die Verpflegung der Bewohner. Allein 60 Euro am Tag“, rechnet der junge Mann vor.

Bargeld über Nacht wertlos

Zwar bestehe die Möglichkeit, sich das vorgestreckte Geld sofort zurückzahlen zu lassen. „Doch komme hier wieder die Vereinskasse ins Spiel. „Mit Bargeld, das aufgrund der Entscheidung vereinzelter Geschäftsleute quasi über Nacht wertlos geworden ist“, so der Betreuer, der den Verantwortlichen unterstellt, eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zu schaffen: „Einerseits die Privilegierten mit ihren Bankkarten und andererseits die Schutzbedürftigen oder weniger bemittelten Menschen, deren Bargeld nun wertlos ist.“

Er verstehe zwar die Sorge der Angestellten, doch müssten unbedingt Alternativen für den Notfall geschaffen werden. „Unsere Bewohner sind schutzbedürftige Menschen, die zwar ein legales Zahlungsmittel besitzen, sich dennoch keine Lebensmittel kaufen können“, so der Pfleger. Er sei sogar von Geschäftsleuten gefragt worden, ob es sich bei den Bewohnern um gefährliche Menschen handele.

In Wiltz mussten die Bewohner des Wohnheims von „Liewen dobaussen“ gestern ohne Einkäufe wieder von Dannen ziehen. Die Angestellten einer Bäckerei wollten den Betroffenen das Bargeld nicht abnehmen. Sie weigerten sich auch dann noch, als der Betreuer den Angestellten die aktuelle Gesetzeslage unterbreitete, um den Bewohnern zu helfen. Aus Solidarität zu den eigenen Schutzbefohlenen hat der junge Mann daraufhin die Polizei eingeschaltet. Diese sei äußerst zuvorkommend gewesen und habe viel Verständnis für die Lage der Betroffenen aufgebracht.

Dennoch wollten die Angestellten nicht einlenken. Die Beamten hätten über Telefon Kontakt mit der Leitung des Unternehmens aufgenommen und die entsprechenden Gesetze erklärt. Die Führung habe diese auch zur Kenntnis genommen. Allerdings werde man sich weigern, diesen Folge zu leisten. „Aus Gesundheitsgründen und zum Schutz der Angestellten“, soll ein Beamter die Verantwortliche des Unternehmens zitiert haben. „Eine fadenscheinige Ausrede“, erwidert hingegen der Betreuer von „Liewen dobaussen“: „Die Angestellten hatten weder Masken noch Schutzhandschuhe oder Plexiglasscheiben, wie sie in vielen Läden bereits angebracht wurden. Damit sollte man doch anfangen, anstatt aufs Geld zu verzichten. Fakt ist, dass sich die Unternehmensleitung wissentlich über das Gesetz stellt und eine Zwei-Klassen-Gesellschaft fördert.“

Keine andere Wahl

Viele Menschen haben gar keine andere Wahl, als Bargeld zu nutzen. Neben älteren Menschen sind in erster Linie Schutzbedürftige aus Pflegeanstalten, Wohnheimen und anderen Initiativen betroffen, die aus welchen Gründen auch immer keine Debit- oder Kreditkarten erhalten. Gleiches gilt für Arbeitslose, Revis-Empfänger oder Menschen, die sich zuletzt in finanziellen Schwierigkeiten befanden. Verschiedenen Betroffenen wird zwar eine Karte ausgehändigt, jedoch wurde diese in vielen Fällen nur für die Nutzung an einem Bankomaten freigeschaltet.

Probleme bereitet diese Maßnahme auch schutzbedürftigen oder gefährdeten Menschen, die nicht aus dem Haus dürfen. Ihnen wird bekanntlich geraten, sich die notwendigen Güter und Lebensmittel von Freunden, Familienmitgliedern oder Freiwilligen liefern zu lassen. Doch stellt sich auch dort die Frage nach der Bezahlung: Bargeld können die Betroffenen nicht nutzen. Allerdings werden wohl nur die wenigsten ihre Bankkarte mitsamt des PIN-Codes herausrücken – nicht zuletzt auch, weil dies eigentlich strengstens verboten ist.

Das weiß auch der Luxemburger Konsumentenschutz: Die „Union luxembourgeoise des consommateurs“ (ULC) hat die Besitzer von Lebensmittelläden, Bäckereien oder Apotheken deshalb am Montag dazu aufgerufen, Betroffenen im Notfall entgegenzukommen. Nach wie vor gebe es viele Menschen, die nicht im Besitz von Bankkarten seien. Laut Gesetzgebung gebe es keine legale Basis, um Bargeld als Zahlungsmittel abzulehnen.

Zwar fordere man Personen mit Bankkarten aus sanitären Gründen dazu auf, diese auch zu nutzen: „Jedoch darf dem Verbraucher das Bezahlen mit Bargeld nicht verweigert werden“, schreibt die ULC in einer Mitteilung. Es sei die Pflicht des Konsumentenschutzes, die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, dass es laut Gesetz keine legale Basis gibt, um Bargeld als Zahlungsmittel abzulehnen. Deshalb fordert die ULC die Regierung dazu auf, sich in dieser Hinsicht klar und deutlich zu positionieren.

„Wichtig sind in dieser Krisensituation die Solidarität zwischen den Menschen und mehr Verständnis zwischen Verbrauchern und Händlern“, so das Fazit des Konsumentenschutzes. „Darum appelliert die ULC an beide Seiten, in der Corona-Krise vernünftig miteinander umzugehen.“

Harry Hirsch
15. August 2020 - 14.54

Ekliges Bargeld, das krank macht? Karten und Lesegeräte sind steril? UV-Licht und Silbermünzen machen jedes Bargeld rein. Es geht doch um Besteuerungamöglichkeiten, wer aber eh ein armes Würstle ist, das auf der Bezieherseite der Steuern steht, findet bargeldlos super...

Michael Bücken
31. März 2020 - 11.07

Mit Karte bezahlen ist nicht besser, wenn man seine Pin eintippt, wo vorher hunderte andere drauf gepatscht haben.

Fernand
26. März 2020 - 9.52

@Leila "Krank wurde ich noch nie von Münzen oder Scheinen" Woher wollen Sie das wissen? Holen Sie Ihre Krankheiten immer aus der Apotheke ab? " habe nicht die Gewohnheit, meine Hände abzulecken." Auch nicht den Daumen, um die Zeitung umzublättern, die Sie gerade bar gekauft haben, und sich die Augen zu reiben weil Sie die Brille vergessen haben?

Leila
25. März 2020 - 23.53

Klar, je gläserner der Bürger ist, um so besser! Doch das checken die fortschrittlichen Verfechter der Kreditkarten nicht! Mich berührt es nicht als ewiggestrig von Naivlingen bezeichnet zu werden, weil für mich immer noch im Alltag Bares Wahres ist. Krank wurde ich noch nie von Münzen oder Scheinen - habe nicht die Gewohnheit, meine Hände abzulecken.

BillieTH
25. März 2020 - 8.56

Mit das Ende vom Bargeld hatte Big Brother wirklich gewonnen. Dass sollen wir unsere Politiker und die EZB niemals erlauben.

Gerner
24. März 2020 - 21.18

"Eine Ausnahme davon ist nur aus Gründen im Zusammenhang mit dem Grundsatz von Treu und Glauben möglich, z.B. wenn der Einzelhändler über kein Wechselgeld verfügt.“ Na dann, weg mit dem Wechselgeld und alles ist in Butter.

Fernand
24. März 2020 - 21.12

Es gibt seit vielen Jahren Bankkarten und Kreditkarten die aufgeladen werden, für Kinder und Fälle wie diese. Nur weil hierzulande ein paar Ewiggestrige noch wursteln wie anno dazumal müssen die Leute doch das eklige Bargeld nicht annehmen. Passt euch an und gebt den Leuten aufladbare Karten.