Allein, aber nicht einsamWie Senioren trotz Isolation nicht vereinsamen

Allein, aber nicht einsam / Wie Senioren trotz Isolation nicht vereinsamen
In Zeiten der Isolation ist das Telefon eine der Verbindungen zur Außenwelt für Senioren. Soziale Medien verkürzen für digital-affine ältere Menschen, die allein leben, die Distanz zur Familie und zu Bekannten. Foto: Pixabay

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Abstand halten, zu Hause allein sein, soziale Kontakte auf ein Minimum reduzieren: Möglicherweise trifft gerade die aktuelle Krisensituation Senioren am schwersten. Doch Alleinsein muss nicht immer Einsamkeit bedeuten, sagt Dr. Isabelle Albert, Psychologin an der Universität Luxemburg. Neue Technologien bilden für Senioren eine wichtige Brücke zur Außenwelt, so die Psychologin.

Es gibt nicht die eine Art von Einsamkeit, sagt Dr. Isabelle Albert. Die Psychologin forscht mit ihrem Team am Institut für Lebensspannenentwicklung, Familie und Kultur (Fakultät für Geisteswissenschaften, Erziehungswissenschaften und Sozialwissenschaften) an der Universität Luxemburg. Und es gibt nicht die eine Bevölkerungsgruppe, die besonders davon gefährdet ist. Dennoch erleben häufiger ältere Menschen das Alleinsein als belastend. Nach Angaben von Eurostat leben in Luxemburg über ein Drittel (35,4%) der Menschen ab 65 alleine (EU-Durchschnitt 32,1%). Das Einsamkeitsrisiko bei ihnen erhöht sich durch den Tod des Partners, die Pensionierung, durch den Verlust enger Freunde, durch Erkrankungen, die die Bewegungsfreiheit einschränken, sagt Dr. Albert.

Doch Alleinsein ist nicht mit Einsamkeit gleichzusetzen. Die Wissenschaft unterscheidet zwischen „sozialer Isolation“ und „emotionaler Einsamkeit“. Soziale Isolation ist gegeben, „wenn Menschen wenige oder keine sozialen Kontakte haben. Einsamkeit, wenn Menschen das Gefühl haben, nicht genug soziale Kontakte zu haben oder wenn ihre sozialen Kontakte nicht ihrem Bedürfnis nach Nähe und Verbundenheit entsprechen“, erklärt Dr. Albert weiter.

Soziale Isolation und Einsamkeit hängen zwar zusammen, jedoch erlebt sie jeder unterschiedlich, sagt die Psychologin: „Manche Menschen haben sehr wenige soziale Kontakte, aber fühlen sich nicht einsam. Andere haben einen großen Bekanntenkreis und ein soziales Netzwerk und sind dennoch einsam.“

Entscheidend dafür, ob man sich einsam fühlt, sind die Erwartungen, die die Menschen an ihre sozialen Kontakte stellen, ihre Persönlichkeit und frühere Erfahrungen. „Das Alleinsein kann durchaus positiv erlebt werden – selbst gewählt kann es sogar der Entspannung und Stressreduktion dienen“, erklärt Isabelle Albert. Dennoch warnt die Psychologin davor, Einsamkeit und Isolation zu unterschätzen. Beide Formen können sich unabhängig voneinander negativ auf die physische und psychische Gesundheit auswirken und in seltenen Fällen die Sterblichkeit erhöhen. Außerdem kann das Alleinsein das Risiko für höheren Blutdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schwächung des Immunsystems erhöhen oder für eine schlechtere Schlafqualität, Depressionen, Angstzustände oder kognitive Beeinträchtigungen sorgen.

Brücken zur Außenwelt

Für ältere Menschen könne die jetzige Situation tatsächlich das Gefühl von Einsamkeit verstärken. „Besonders für diejenigen, die schon vor dem Coronavirus unter Einsamkeit litten, verschlimmert dies womöglich die Situation, da die täglichen Kontakte beim Einkaufengehen oder bei Arztbesuchen reduziert sind oder wegfallen. Für diejenigen, die es gewohnt waren, sehr aktiv zu sein, sich mit anderen zu treffen usw. bedeutet die aktuelle Krise ebenfalls eine starke Umstellung.“

Doch gegen das Gefühl der Isolation kann und muss man etwas tun. Soziale Medien und natürlich das Telefon helfen mit, die Verbindung zur Außenwelt zu halten. „Wichtig ist: in Kontakt bleiben und kommunizieren“, betont Isabelle Albert. Ob klassisch am Telefon oder via soziale Medien, den Kontakt zu lieben Menschen zu halten, ist jetzt essenziell. Opa und Oma, die sonst die Kinderbetreuung der Enkel mitgetragen haben, können beispielsweise via soziale Medien und Telefon die Enkel „besuchen“ und so das Gefühl gebraucht zu werden anders erleben. Ob man sich gegenseitig Geschichten über Skype oder FaceTime vorliest, Bilder oder Videos beim Basteln und Backen schickt – Großeltern können so weiter am Leben der Enkel teilhaben und sogar aus der Ferne die Eltern entlasten, so Isabelle Albert.

Das Netz war und ist Luxemburgs Senioren auch vor der Krise vertraut. Studien, sagt Albert, zeigen, dass sie im Internet viel häufiger unterwegs sind als ihre Altersgenossen im EU-Durchschnitt. In der jetzigen Situation bieten soziale Medien eine große Chance, sagt Albert. „Man muss sich nicht unbedingt persönlich treffen, um Nähe zu anderen zu erleben, eingebunden zu sein und sich gegenseitig zu unterstützen.“

Zumal die Reduktion der sozialen Kontakte nicht für eine Person allein gilt. Alle Menschen aus dem eigenen Umfeld, auch Freunde und Bekannte, sind davon betroffen. Das Bewusstsein für „dieses Gemeinschaftsgefühl, dieses Dazugehören, ist sehr wichtig für das persönliche Wohlbefinden. Der Gebrauch der sozialen Medien kann dieses Gemeinschaftsgefühl stärken“, so Dr. Isabelle Albert.

Dr. Isabelle Albert ist Psychologin. Sie arbeitet am Institut für Lebensspannenentwicklung, Familie und Kultur (Fakultät für Geisteswissenschaften, Erziehungswissenschaften und Sozialwissenschaften).
Dr. Isabelle Albert ist Psychologin. Sie arbeitet am Institut für Lebensspannenentwicklung, Familie und Kultur (Fakultät für Geisteswissenschaften, Erziehungswissenschaften und Sozialwissenschaften). Foto: Uni.lu

Uni-Projekt: Hilfe für Senioren

„GoldenMe“ ist ein Start-up von zwei Studenten der Uni.lu. Mara Kroth und Johannes Heuschkel möchten damit ältere Menschen mit Informationen über Veranstaltungen und Aktivitäten versorgen. Kürzlich haben sie im Internet einen Aufruf für Freiwillige gestartet, um Senioren aus der Nachbarschaft beispielsweise Hilfe beim Einkaufen anzubieten.
Mehr Infos: www.goldenme.me.

Meyers Guy
24. März 2020 - 16.51

Die Frage, ob es besser ist lebendig als tot begraben zu werden, sei uns Senioren erlaubt.