Das Corona-Tagebuch (4)Mittwoch, 18. März: Die Luft ist raus

Das Corona-Tagebuch (4) / Mittwoch, 18. März: Die Luft ist raus
Home-Office in der Küche statt Marathontraining Foto: privat

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Das Coronavirus beherrscht das Leben in Luxemburg. Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Eigentlich  genau der richtige Zeitpunkt, um seine Gedanken mal wieder in einem Tagebuch niederzuschreiben. Was fällt uns auf, was empfinden wir und was erwarten wir? Das Corona-Tagebuch des Tageblatt gibt Einblick in diese Gedankenwelt.

Liebes Tagebuch. Lang ist’s her. Vermutlich habe ich 2019 nicht einmal meinen ersten Halbmarathon erwähnt. Durch die Straßen der Hauptstadt quälte ich mich vergangenen Juni bei einer Affenhitze (nicht aber im Affenzahn) den Kirchberg hinauf und prahlte, dass ich meine Bestzeit in diesem Jahr verbessern würde. Nun, mehrere Dinge haben mich das Coronavirus und dessen Folgen bereits jetzt gelehrt: Viele von uns wissen gar nicht, was Qualen bedeuten. Nicht ehe man in den sozialen Medien Videos von Menschen sieht, die sich wegen Toilettenpapier an die Gurgel gehen oder sich ihre Wasserflaschen eigenständig und mit Gewalt aus dem Lager eines Supermarkts abholen wollen. Von der „Toilettenbrillen-Challenge“, also dem Ablecken des Sitzes, gar nicht erst zu sprechen. Stand die Schaukel früher etwa zu nah an der Hauswand? Man hat nur noch einen Gedanken: vor Fremdschämen im Erdboden zu versinken. Ähnliches Kopfschütteln lösten in den vergangenen Tagen bei mir übrigens auch Spielplatz-Treffen aus. Wegen des Verhaltens dieser unbelehrbaren Menschen stehen möglicherweise unsere restlichen Freiheiten (wie alleine durch die Natur zu joggen), die wir trotz aller Einschränkungen noch haben, auf der Kippe. 

Meine Töchter hatten nicht das „Glück“ und den Freigang, um ihre Klassenkameraden zum Rumtoben zu treffen, sondern die gar nicht mal so abwegige Aufgabe, sich bei Sonnenschein im Garten (den ich innerhalb von drei Tagen sehr zu schätzen gelernt habe) mit sich alleine zu beschäftigen. Das müsste ich viermal pro Woche eigentlich auch. So will es der Trainingsplan. Zu „normalen“ Zeiten sprich bis letzte Woche war dies recht simpel: Man nehme genau diese zwei aufgedrehten Kleinkinder zur Frühstückszeit (womöglich haben sie gerade erst ihren Orangensaft umgekippt), dazu die Schuldgefühle beim Anblick der leeren Tüte Chips vom Vorabend: Fertig ist der Lack. Für eine Stunde raus an die frische Luft. Danach ist die Laune üblicherweise besser. Kaum etwas übertrifft das Gefühl der Vollendung, als nach 10 Kilometern in der freien Natur die Pulsuhr zufrieden zu stoppen, ausgenommen einer Riesenportion Schlagsahne auf dem Schokoladeneis. 

Doch seit Dienstagmorgen ist der Wurm drin. Die Motivation ist im Keller, die letzte Trainingseinheit ein Desaster, der 2020er-Halbmarathon in Gedanken so weit weg wie noch nie. Zum Teufel mit dem Trainingsplan! An alle fleißigen Leichtathleten, die gerade entrüstet ihre Hände auf dem Kopf zusammenschlagen: Bitte nicht ins Gesicht fassen. Anders als vor zehn Monaten ist es mir persönlich aber mittlerweile völlig „wurscht“, wie lange ich am 23. Mai unterwegs wäre, um die gleiche Distanz zu absolvieren. Ich würde leiden, mich irgendwie ins Ziel schleppen. Aber es gibt wichtigere Dinge im Leben. Gerade habe ich vom zweiten Todesfall hierzulande erfahren.

Wird der ING Night Marathon abgesagt? Kopf und Motivationslevel gehen davon aus. Schade, ja, schlimm, nein. Kommt die Lust am Laufen nach einer Woche zurück? Möglich wär’s. Solange ich mich nur über unverbesserliche Mitmenschen aufregen muss, statt um das Überleben von Familienangehörigen zu bangen, gehöre ich zu den Glücklichen. Jetzt geht es bekanntlich darum, die Füße stillzuhalten. Home-Office, gelassen bleiben (trotz des neuen Spaghetti-Flecks auf dem Wohnzimmer-Teppich) und ansonsten Nichtstun sind angesagt. Denn es hilft dabei, dass jeder in ein paar Wochen wieder in seinem Lieblingsrestaurant schlemmen darf, ich wieder über Fußballspiele statt kulinarische Exkurse schreiben kann und der Nachwuchs nicht mehr nach dem „Warum“ fragen muss.

Und damit das klar ist: 2021 werde ich meinen schnellsten Halbmarathon laufen. 

Das Tageblatt-Tagebuch

Das Leben ist, wie es ist. Corona hin oder her. Klar, die Situation ist ernst. Aber vielleicht sollte man versuchen, ein wenig Normalität in diesem Ausnahmezustand zu wahren. Deshalb veröffentlicht das Tageblatt seit Montag (s)ein Corona-Tagebuch. Geschildert werden darin persönliche Einschätzungen, Enttäuschungen und Erwartungen verschiedener Journalisten.

Wie schützt man sich am besten vor einer Ansteckung?

Die Schutzmaßnahmen sind die gleichen wie bei anderen Infektionen der Atemwege: Hände regelmäßig und gründlich waschen, in den Ellbogen oder in ein Papiertaschentuch niesen und das Taschentuch sofort in einem abgedeckten Mülleimer entsorgen, Händeschütteln und Küssen vermeiden, von engem Kontakt mit kranken Menschen absehen, zu Hause bleiben, wenn man krank ist, und es unterlassen, das Gesicht mit den Händen zu berühren.

Seit dem 2. März 2020 ist eine Hotline für die Öffentlichkeit unter der Nummer 80 02 80 80 in Betrieb.

Menschen mit Symptomen einer Infektion oder solche, die aus einem Risikogebiet zurückkehren, sollen nicht zum Arzt oder in die Notaufnahme gehen, sondern die Nummer 80 02 80 80 (oder im Notfall 112) anrufen. Darüber hinaus sollten sie von Besuchen bei gefährdeten Personen absehen.

Das Coronavirus im Steckbrief

– Name: Coronavirus, Covid-19
– Übertragungsweg: Tröpfcheninfektion
– Am meisten betroffene Körperregion: Lungen
– Symptome: trockener Husten, Fieber, Atemnot
– Inkubationszeit: bis zu 14 Tagen
– Gefährlich besonders für ältere Menschen oder Personen, die schon (schwere) gesundheitliche Probleme haben