EditorialFinanzprodukte sind nicht essbar

Editorial / Finanzprodukte sind nicht essbar
Die Lebensmittelautonomie in Luxemburg ist verschwindend gering, die Landwirtschaft ist viel zu einseitig auf die Milch- und Fleischproduktion ausgerichtet Foto: Editpress/Isabella Finzi

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Die Coronakrise hat Europa fest im Griff. Auch in Luxemburg überschlagen sich seit Tagen die Ereignisse. Die Zahl der Infizierten steigt exponentiell an, jeden Tag ergreift die Regierung neue und drastischere Maßnahmen, um die Verbreitung des Virus einzudämmen und die Bevölkerung bestmöglich zu schützen. Um den Zusammenbruch des Wirtschaftssystems zu verhindern, ruft sie den Notstand aus und beschließt Steuererleichterungen und finanzielle Hilfen.

In den traditionellen und neuen Medien werden die Geschehnisse ausführlich geschildert und kommentiert. Täglich  melden sich Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen zu Wort und geben ihre Einschätzung zur aktuellen Lage und zum weiteren Verlauf der Pandemie ab.

Die Coronakrise bestimmt zurzeit fast exklusiv den Alltag der Menschen. Doch niemand weiß, wie sich die Lage in den kommenden Wochen entwickeln wird. Sicher ist nur, dass zwischenmenschlicher Kontakt möglichst vermieden werden soll, weil das Virus nur auf diese Weise übertragen wird. Um verlässliche Vorhersagen über den Verlauf der Pandemie anzustellen, fehlt es aber an zuverlässigen und vergleichbaren Daten.

Diese Unvorhersehbarkeit erzeugt bei vielen Menschen große Verunsicherung. Bleibt die Grundversorgung mit lebensnotwendigen Gütern wie Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Medikamenten gewährleistet? Die Politiker und Handelsverbände beschwichtigen, es gebe keinen Grund zur Panik. Die Lager seien gefüllt, für Nachschub sei gesorgt.

Trotzdem fällt es vielen Menschen schwer, diesen Bekundungen Glauben zu schenken. Und nicht ganz zu Unrecht. Dank seines vollkommen überdimensionierten Banken- und Finanzplatzes kann Luxemburg sich zwar seit Jahren mit dem „AAA“ sämtlicher wichtiger Ratingagenturen brüsten. Erst vergangene Woche haben sie dem Land seine Widerstandsfähigkeit gegen die Coronakrise bescheinigt. Doch in dem aktuellen Krisenkontext stellt sich die Frage, was diese Bescheinigung wert ist. Sollte der internationale Warenverkehr im Laufe dieser oder einer zukünftigen Krise einmal ausgesetzt werden (müssen), kann die Versorgung mit grundlegenden Gütern in Luxemburg nicht lange aufrechterhalten werden.

Denn das Land produziert kaum selbst. Die Lebensmittelautonomie ist verschwindend gering, die Landwirtschaft ist viel zu einseitig auf die Milch- und Fleischproduktion ausgerichtet. Das Handwerk wurde jahrzehntelang nicht ausreichend gefördert, die Produktion lebenswichtiger Güter wurde ins Ausland verlagert. Fast die gesamte Grundversorgung kann nur durch Importe aufrechterhalten werden. Das Einzige, was Luxemburg wohl noch in ausreichendem Maße selbst herstellt, ist Milch, Bier, Wein und Zigaretten. Und selbst dafür sind die Produzenten zum größten Teil auf Rohstoffe aus dem Ausland angewiesen.

Alleine schon wegen seiner geringen Größe wird Luxemburg den vollständigen Grad der Selbstversorgung nie erreichen können. In einer Europäischen Union mit freiem Warenverkehr ist eine vollkommene Subsistenzwirtschaft auch weder notwendig noch erstrebenswert.

Luxemburg sollte aber seine Lehren aus der Coronakrise ziehen und seine Lebensmittelautonomie in den kommenden Jahren deutlich erhöhen. Selbst in weniger schwierigen Zeiten kann sie eine zusätzliche Absicherung bieten und dabei helfen, die Grundversorgung über einen gewissen Zeitraum zu garantieren. Darüber hinaus leistet die lokale und regionale Produktion einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel, der inzwischen zwar etwas in den Hintergrund gerückt, aber längst noch nicht gewonnen ist. Und nicht zuletzt schafft sie – im Gegensatz zum Finanzplatz – sinnvolle und identitätsstiftende Arbeitsplätze.

Wie schützt man sich am besten vor einer Ansteckung?

Die Schutzmaßnahmen sind die gleichen wie bei anderen Infektionen der Atemwege: Hände regelmäßig und gründlich waschen, in den Ellbogen oder in ein Papiertaschentuch niesen und das Taschentuch sofort in einem abgedeckten Mülleimer entsorgen, Händeschütteln und Küssen vermeiden, engen Kontakt mit kranken Menschen vermeiden, zu Hause bleiben, wenn man krank ist, und vermeiden, das Gesicht mit den Händen zu berühren.

Seit dem 2. März 2020 ist eine Hotline für die Öffentlichkeit unter der Nummer 8002 8080 in Betrieb.

Menschen mit Symptomen einer Infektion oder solche, die aus einem Risikogebiet zurückkehren, sollen nicht zum Arzt oder in die Notaufnahme gehen sollen, sondern die Nummer 8002 8080 (oder im Notfall 112) anrufen sollten. Darüber hinaus sollten sie von Besuchen bei schutzbedürftigen Personen absehen.

Das Coronavirus im Steckbrief

– Name: Coronavirus, COVID-19
– Übertragungsweg: Tröpfcheninfektion
– Am meisten betroffene Körperregion: Lungen
– Symptome: trockener Husten, Fieber, Atemnot
– Inkubationszeit: Bis zu 14 Tagen
– Gefährlich besonders für ältere Menschen oder Personen, die schon (schwere) gesundheitliche Probleme haben

horst
23. März 2020 - 18.19

@Clemi "Sehr gut! es braucht überall mehr lokale und regionale produktion. " Schön und gut, aber was nützt das, wenn, wie in Düdelingen, der Markt abgeschafft wird?

Luss
19. März 2020 - 23.57

@Florence lesen Sie weiter oben die fettgedruckte Zeile

Lucilinburhuc
19. März 2020 - 22.35

“Identitätsstiftende Arbeitsplätze.“ sind doch Utopie! Identität in Luxemburg wird durch dein Erscheinungsbild und das viele Blech deiner Karosse bestimmt. Alles andere ist Wunschdenken. Vielleicht führt diese Krise zur Einsicht und Umdenken. Nur, seien wir doch ehrlich, es ist viel einfacher ein paar neue Steuergesetze zu verabschieden und den damit neu geschaffenen Rahmen durch ausländischen Unternehmen zum Leben zu bringen, wie Arbeitsintensive traditionelle und schlecht bezahlte Berufen wiederzubeleben.

florence
19. März 2020 - 19.58

@Luss "Im Tageblatt werden zum Thema Landwirtschaft nur mehr Artikel verfasst wenn das Thema Biolandwirtschaft oder Artikel wo der konventionellen Landwirtschaft am Zeug geflickt werden kann." Mit "konventioneller Landwirtschaft" meinen Sie sicher die tausenden von Bauplätzen, pardon Kuhwiesen, die von den Bauern belegt werden, die wir kräftig subventionieren müssen und an dem produzierten Tierdrüsen-Sekrets die Bauern nach eigenen Angaben nichts verdienen. Dann können sie es auch gleich aufgeben, dann bauen wir da ein paar moderne Dörfer hin.

Le méchant z.Z London
19. März 2020 - 19.32

Die aktuelle Krise zeigt zu recht wo es hapert in Luxemburg:...bezahlbarer Wohnraum, eine eigene Lebensmittelproduktion in Sachen Grundnahrungsmittel, ein eigenes autonomes Gesundheitswesen; ohne auf Grenzgänger angewiesen zu sein...usw wenn die Politik, d.h. die Regierung also handeln will es gibt genügend Probleme , also angreifen , lösen, l' art de gouverne,r c'est l'art de pévoir....oder?

Robert Irmhof
19. März 2020 - 18.04

Liewensmettel-Autonomie? Wéi wir et, wann mer mol Wunnengen fiir iwwer 50.000 (ex-)Grenzgänger bauen, dass se net 3-4 Stonnen ennerwee sin all Dag, oder guer net méi rakommen. Déi Völkerwanderungen sin dach e Witz, just fiir dass den Immobiliepräiss keen Cent rof geet.

Luss
19. März 2020 - 17.16

Im Tageblatt werden zum Thema Landwirtschaft nur mehr Artikel verfasst wenn das Thema Biolandwirtschaft oder Artikel wo der konventionellen Landwirtschaft am Zeug geflickt werden kann.

J.Scholer
19. März 2020 - 14.33

Mit Interesse habe ich Ihren Artikel , wie ich hoffe noch viele Mitbürger, gelesen und eigentlich habe ich mir geschworen in dieser schwierigen Zeit weder Vorwürfe , Kritik vergangener Politik , noch aktueller Entscheidungen zu äussern.Es ist nicht der Zeitpunkt solche Diskussionen zu führen, denn im aktuellen Jetzt kann jede gutgemeinte , Entscheidung unseres Krisenmanagement sich positiv oder negativ entwickeln, diese Situation ist Lernphase im Kampf gegen etwas Unbekanntes, Unerforschtes.Ich verfolge schon seit mehren Monaten die Entwicklung dieser Krankheit in China, trotz meinen vielen gelesenen Hintergrundberichten ,Vorwarnungen hegte ich Zweifel an der weltweiten Ausbreitung . Erst heute wird mir richtig bewusst , dass vieles was ich gelesen habe, weder Panikmache oder Angstmache war. Nun bin endlich über ein langen Umweg zum eigentlichen Punkt gekommen, ein kleiner Aufruf an den Journalisten. Natürlich müssen Sie informieren ,aber im Rückblick kleiner Exkurs ,die USA haben zum größten Teil den Vietnamkrieg durch die Berichterstattung der Presse verloren.Wollen wir diesen Krieg gegen das Virus verlieren? Wollen Sie, ich nicht . Jeder nicht gründlich überlegte kleinste Satz, Äußerung kann in Bevölkerungsgruppen zu Panik , Angst ,irrationalen Handlungen führen. Beispiel:Hamsterkäufe.Leider gab es eine Zeit wo Durchhalteparolen zu Propagandazwecken eingesetzt wurden. Wir wollen dies nicht, aber ich glaube aktuell haben auch Journalisten im Kampf gegen das Virus eine wichtige Rolle zu übernehmen.Einerseits unser Krisenmanagement ,die Bürger zu stützen , andererseits mit , leider der ernsten Situation, angepassten Formulierungen, Äusserungen bedacht unter den Bürgern das irrationale Handeln zu verhindern. Trotz Informationspflicht, Pressefreiheit, glaube ich ist weniger , mehr und auch wenn wir in den Bereich der orchestrierten Propaganda rücken, wäre mir dies lieber.Den Bürger mit aufmunternden Durchalteworten , weniger beunruhigenden Informationen zu füttern und so vielleicht nicht Situationen zu erschaffen, die dem Krisenmanagement zusätzliche Sorgen bereiten. Eine Information kann Dominoeffekt haben, siehe Nachrichtensender die am Anfang dieser Pandemie das Thema Versorgung durch Grundgüter ausschlachteten.

Clemi
19. März 2020 - 14.27

Sehr gut! es braucht überall mehr lokale und regionale produktion. vielleicht kommt das alles nach einer krise diesen ausmasses auch leichter in die gänge, stichwort "we need system change, not climate change"... denn unter verschiedenen gesichtspunkten ist zu hoffen, dass nach corona wirklich nichts mehr ist wie es vorher mal war