Leben mit der AusgangssperreEindrücke aus Madrid, wo Drohnen die Menschen überwachen

Leben mit der Ausgangssperre / Eindrücke aus Madrid, wo Drohnen die Menschen überwachen
Der Paseo de la Castellana, eine der Hauptstraßen in der Innenstadt von Madrid: Zur Bekämpfung der sich rasch ausbreitenden Coronavirus-Epidemie hat die spanische Regierung am Samstagabend eine zweiwöchige Ausgangssperre ausgerufen Foto: Manu Fernandez/AP/dpa

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„Das Härteste“, prophezeit Regierungschef Pedro Sánchez, „haben wir noch vor uns“. Doch schon jetzt dürfen die Spanier wegen des Coronavirus kaum mehr vor die Tür. Bei der Überwachung soll das Militär der Polizei helfen.  

„Braucht jemand Hilfe? Ich kaufe für Sie ein und gehe mit Ihrem Hund Gassi“, steht auf einem Zettel, der an der Haustür klebt. In Notstandszeiten wächst die Solidarität der Nachbarn. Und Spanien befindet sich derzeit im Notstand. Das Coronavirus hat das ganze Land, in dem 47 Millionen Menschen leben, lahmgelegt.

Neuerdings patrouillieren sogar Soldaten. Zum Beispiel in der Virus-Hauptstadt Madrid, dem spanischen Zentrum der Epidemie. Die Militärs sollen der Polizei helfen, die Ausgangssperre zu überwachen, die seit einigen Tagen gilt. Nur aus zwingenden Gründen dürfen die 3,3 Millionen Madrid-Bewohner noch vor die Tür. Der Kauf von Lebensmitteln und das Gassigehen mit den Vierbeinern gelten als solche unaufschiebbaren Gründe.

Wahrscheinlich gehen deswegen plötzlich manche spanischen Männer, die bisher zu Hause lieber die Füße hochlegten, richtig gerne einkaufen. Seit die Corona-Epidemie sie zur Arbeit im Home-Office zwang, ist der Weg zum Supermarkt für viele die einzige Möglichkeit, um sich die Füße vor der Tür zu vertreten.

Auch wenn der kleine Shopping-Ausflug nicht unbedingt ein schönes Erlebnis ist: Erst muss man vor der Tür Schlange stehen, weil der Wachmann die Kunden nur in kleinen Gruppen einlässt. Dann spritzt eine Angestellte Desinfektionsgel auf die Hände und befiehlt: „Gummihandschuhe anziehen!“ Auf einem großen Schild steht: „Bitte halten Sie zu anderen Menschen 1,50 Meter Sicherheitsabstand.“

Strenge Regeln, wohl hohe Dunkelziffer

Drinnen, im Ladenlokal, der nächste Schrecken: ganze Gänge mit leeren Regalen und Kühltruhen. Es gibt kein Fleisch, kein Obst, kein Reis, keine Nudeln. Auch dort, wo sonst Paletten mit Toilettenpapier stehen, sieht man nur den grauen Boden. Lediglich ein paar Rollen mit Sandpapierqualität sind noch zu haben.

„Da müssen Sie früher kommen“, antwortet die Kassiererin genervt auf die Frage, warum viele Basisgüter ausverkauft sind. „Heute Morgen war hier die Hölle los“, sagt sie. Zum Abschied mahnt die Kassenfrau noch: „Vergessen Sie nicht den Bon. Den brauchen Sie vielleicht, wenn Sie auf der Straße kontrolliert werden.“

Die ersten Tage haben sich noch ein paar Mutige zum Joggen oder zum Spazierengehen rausgewagt. Doch seit bekannt wurde, dass die Sicherheitskräfte kein Auge zudrücken, ist dies vorbei. Um niemanden in Versuchung zu führen, sind sogar die Parks geschlossen und werden mit Drohnen überwacht. Wer ohne triftigen Grund draußen erwischt wird, dem drohen mindestens 100 Euro Geldbuße.

Derweil steigt die Zahl der bestätigten Corona-Fälle in Spanien weiter mit Riesenschritten: Gestern wurden rund 14.000 Infizierte gemeldet – die meisten Kranken gibt es in Madrid. Die Regierung räumte ein, dass man mangels ausreichender Tests mit einer hohen Dunkelziffer rechne. Zudem gab es bisher im Zusammenhang mit dem Virus 600 Tote – die meisten mit Vorerkrankungen. Entspannung ist vorerst nicht in Sicht. „Das Härteste“, prophezeit Regierungschef Pedro Sánchez, „haben wir noch vor uns.“

Irene
18. März 2020 - 18.25

"Ich kaufe für Sie ein und gehe mit Ihrem Hund Gassi“ Wenn ohne Hund die Sicherheitskräfte über einen herfallen ist das kein Wunder.