Luxemburg-StadtFahrradgeschäft Kontz kehrt in das „Garer Quartier“ zurück

Luxemburg-Stadt / Fahrradgeschäft Kontz kehrt in das „Garer Quartier“ zurück
Die Straßburger Straße im Wandel Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Der Name „Kontz“ wird heute nach wie vor häufig mit der Automarke BMW verbunden, und das obwohl die „Arnold Kontz Group“ die Vertretung der deutschen Marke bereits 2016 abgegeben hat und heute britische Marken verkauft. Am Beginn der Firmengeschichte steht allerdings das Fahrrad. Vor kurzem hat das Unternehmen mitten im Bahnhofsviertel, in der Straßburger Straße, wieder ein Fahrradgeschäft eröffnet. Mit der Rückkehr des Familienunternehmens in das „Garer Quartier“ schließt sich der Kreis einer Geschichte, die vor über 100 Jahren begann.

Die Anwohner und Betreiber von Geschäften im Bahnhofsviertel haben es nicht leicht. Zum ersten macht die Trambaustelle ihnen zu schaffen und zum anderen genießen einige Straßen dort nicht den besten Ruf: Schon mehrere Male haben Bewohner der Straßburger Straße wegen des dortigen Drogenhandels protestiert. Doch es scheint so, als würde die Neugestaltung der Stadt auch eine Gentrifizierung des „Garer Quartier“ mit sich bringen – einen Wandel, den man beispielsweise in der Straßburger Straße beobachten kann, wo das Familienunternehmen „Arnold Kontz“ vor kurzem ein Fahrradgeschäft mit Café im Haus Nummer 3 eröffnet hat.

Auf den zweifelhaften Ruf des Viertels angesprochen, meint der Geschäftsführer der „Arnold Kontz Group“, Benji Kontz, vom nächtlichen Treiben bekomme man tagsüber nicht viel mit. Da sei es jedenfalls „e flotte Quartier“. Man habe das Haus dort gekauft, weil es sich in einem Viertel befindet, das sich mit der Neugestaltung der avenue de la Liberté und der Tram stark verändere. Wichtig für das Unternehmen sei die Nähe zum Bahnhof.

Sport und Lifestyle

Das Image des Fahrrads hat sich zwar über die Jahre verändert, doch Benji Kontz glaubt an seine Zukunft. Die Nachfrage sei groß, und dementsprechend müsse der Kundendienst ausgebaut sein. Zwölf Personen sind mittlerweile im Fahrradbereich der „Kontz Gruppe“ tätig – ein Beweis für den Hype, den es derzeit rund um den Drahtesel gibt, der vor dem Krieg war  ein Fortbewegungsmittel und heute Sportgerät, Transportmittel und Lifestyle-Artikel zugleich ist. Gute Fahrräder können heute teurer sein als Motorräder. „Es gibt Leute, denen ein Scooter von 1.500 Euro zu teuer ist, die sich aber ohne Weiteres ein Fahrrad für 5.000 Euro kaufen“, erzählt Kontz. Richtig teure Räder können bis zu 10.000 Euro kosten. Er selber benutze in der Innenstadt ein Elektro-Fahrrad. „Mit dem Fahrrad weißt du immer genau, wann du ankommst.“

Das Fahrradgeschäft, in dem auch Scooter verkauft werden, ist auf drei Stockwerke verteilt. Im Obergeschoss soll später auch noch eine Wohnung hinkommen. Bei dem Haus handelt es sich um ein „Art Déco“-Gebäude aus dem Jahr 1930. Zwei Jahre dauerten die Renovierungsarbeiten unter der Leitung der Architekten Yvore und Jo Schiltz. Im Erdgeschoss befindet sich das „Café Akor“, das unabhängig vom Fahrradgeschäft funktioniert. “Das Café passt in dieses Viertel mit vielen Restaurants und Kneipen”, sagt Kontz. Der Name des Cafés allerdings wird wohl nur noch den eingefleischten Fans der luxemburgischen Radsportgeschichte ein Begriff sein. Der Name führt nicht nur an den Beginn des heutigen Familienunternehmens Kontz zurück, sondern auch zu den goldenen Zeiten des luxemburgischen Radsports.

Es begann in Paris

Den Beginn der „Liebesgeschichte“ zwischen der Familie Kontz und dem Fahrrad lässt sich auf das Jahr 1910 datieren: Der damals 17-jährige Arnold Kontz (Ur-Ur-Großvater von Benji Kontz) zog nach Paris, um dort eine Ausbildung zum Mechaniker zu machen. Dort lernte er François Faber kennen, seines Zeichens Radrennfahrer, der das Jahr zuvor die Tour de France gewonnen hatte. Der habe seinen Urgroßvater das Radfahren schmackhaft gemacht, erzählt Benji Kontz. 1912 und 1913 nahm Arnold selbst an einigen Rennen teil. 1913 belegte er z.B. den 13. Platz beim Rennen Nancy-Luxemburg, den 26. bei Brüssel-Luxemburg. 1914 wird er sogar im Radfahrerkalender von 1917 der luxemburgischen „Fédération cycliste“ als „Fahrer von selten gesehener Ausdauer“ und als „durchaus tüchtigen Fahrer“ bezeichnet.

1917 kehrte er nach Luxemburg zurück und eröffnete in der Villa Elisabeth (in der rue de Prague) ein Fahrradgeschäft. Dieses Haus wurde 1897 dort errichtet, wo sich früher das Pulvermagazin des Fort Elisabeth befand. Die Familie Kontz betrieb dort ein Café-Restaurant, ab 1900 auch ein Hotel. Im April 1918 schloss Pierre Kontz mit seinem Sohn Arnold einen Vertrag, der Letzterem erlaubte, neben der Villa ein Gebäude zu errichten, wo er eine Fahrradwerkstatt betrieb. 1920 gründete Arnold die Fahrradmarke AKOR (Arnold Kontz Räder). Nicolas Frantz, Sieger der Tour 1927 und 1928 fuhr unter anderem in seiner Amateurzeit mit AKOR-Rädern, bevor er zur Profimannschaft Alcyon wechselte.

Kontz in der Al Avenue

1921 eröffnet Arnold Kontz ein Fahrradgeschäft in der avenue de la Gare, Nr. 33. Die Marke besteht allerdings nur bis 1929, dem Jahr des Börsenkrachs. Infolge der großen Wirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre sieht sich Pierre Kontz, der Vater von Arnold, gezwungen, die Villa Elisabeth zu verkaufen. Das Fahrradgeschäft zieht 1938 ein paar Häuser weiter in die Nummer 16, wo es bis 2006 bleibt.

Der Großvater des heutigen Geschäftsführers, Arnold Kontz (II) (1917-1954),  steigt 18-jährig in das Familienunternehmen ein, zu einer Zeit, in der das Geschäft mit Radiogeräten einen Großteil des Handels ausmachte. Während der Besatzung wird Arnold 1944 von der Gestapo wegen einer Flugblattaktion verhaftet und  ein paar Monate in Hinzert inhaftiert.

Im November 1943 wird Benjis Vater, Tommy, geboren. Wie aus dem Buch zur 100-jährigen Geschichte des Unternehmens zu erfahren ist, erhielt er den Namen zum Gedenken an die englischen Soldaten des Ersten Weltkriegs. Nach der Befreiung fährt die Familie ab 1946 mit dem Verkauf von Radios fort, dann allerdings die der luxemburgischem der Marke Ducal, die aber nur bis 1950 gebaut wurden. Nach dem Krieg begann die Familie Motorräder der Marke Gillet zu verkaufen, ab 1958 auch Fahrräder und Scooter der Marke Peugeot. Damals beginnt die Unterstützung des  „Velo-Sport Dommeldange“, aus dem der „VSD-Peugeot“ wird. Namhafte Fahrer wie Charly Gaul, Erny Kirchen und Lucien Didier fahren für den Club. Die Unterstützung des Radsports wird auch danach weitergeführt, unter anderem bei der „Gala Tour de France“.

1956 kauft die Familie das Haus Nummer 4 in der rue du Fort Bourbon, das zur hinteren Seite mit dem Geschäft in der Al Avenue verbunden war. Von 1959 bis 1961 betrieb das Unternehmen dort für kurze Zeit ein Sportwarengeschäft, bis dieses am Heiligabend 1961 ausgeraubt wurde. Die Familie befand sich im Urlaub und die Räuber fuhren mit einem Lkw am helllichten Tag vor, sodass die Nachbarn an einen Umzug glaubten.

2006 schloss das Geschäft in der Al Avenue. Bereits seit Mitte der 1990er Jahre war ein Teil des Fahrradgeschäftes in die route de Thionville verlagert worden. Nach 12 Jahren ist das Familienunternehmen also nun wieder zurück in dem Viertel, wo alles begonnen hatte.

Benji Kontz: Kurzbiografie

Der Geschäftsführer der „Arnold Kontz Group“ wurde 1980 geboren. Er hat Jura in Paris studiert und ist seit 2005 im Familienunternehmen tätig. 2011 wurde er zum „administrateur délégué“ der Gruppe ernannt. In seiner Freizeit ist er ein begeisterter Fotograf, Kitesurfer und Ornithologe.