LeichtathletikWilfried Serge Hua Koffi über Usain Bolt, Olympia 2016 und seinen Job in Luxemburg

Leichtathletik / Wilfried Serge Hua Koffi über Usain Bolt, Olympia 2016 und seinen Job in Luxemburg
Serge Hua Wilfried Koffi nimmt eine gewohnte Pose ein – doch vor allem das Outfit hat sich in den letzten Jahren geändert  Foto: Editpress

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Er war einst der schnellste Mann Afrikas, duellierte sich mit Usain Bolt und arbeitet nun in Luxemburg. Serge Hua Wilfried Koffi hat als einer der ersten Sportler seines Landes Sport mit Studium verbunden – und das mit Erfolg. Doch sein Weg von der Elfenbeinküste nach Luxemburg war nicht nur von Gelingen geprägt. 

Das breiteste Lächeln überkommt Hua Wilfried Serge Koffi, wenn er an die Afrika-Meisterschaft von 2014 zurückdenkt. Koffi befindet sich im 45.240 Plätze umfassenden Stade de Marrakech in Marokko im Finale des 100-Meter-Sprints. Der Ivorer kommt nicht gut aus dem Block, hat zu Beginn Rückstand auf seine Konkurrenten aus Ghana und Nigeria. Stück für Stück arbeitet sich der Sprinter nach vorne – am Ende gewinnt er mit 0,02 Sekunden Vorsprung. Seine Zeit von 10,05 Sekunden reicht nicht nur zum Titel des schnellsten Manns Afrikas, sondern auch zu einem neuen Landesrekord – der erst im Juli 2019 gebrochen wurde. „Es war ein Traum“, erinnert sich Hua Koffi. „Weil ich auch einige Stunden vorher das Finale über die 200 Meter gewonnen hatte.“

Schnell wurde Koffi in seiner Heimat populär – Ende des Jahres 2014 wurde er in der fußballverrückten Elfenbeinküste sogar zum Sportler des Jahres gewählt und setzte sich unter anderem gegen Yaya Touré durch. Seine steigende Bekanntheit nutzte der Sprinter, um seinen Landsleuten ein bis dahin unübliches Modell in der Elfenbeinküste zu präsentieren: Die Verbindung von Profisport und Studium. „Ich möchte den Leuten zeigen, dass dies möglich ist. Nach der sportlichen Karriere verzweifeln viele.“ 

Heute verbringt der 32-Jährige seine Mittagspausen gelegentlich am Flughafen Findel. Koffi arbeitet als Investmentmanager bei Luxembourg Investment Solutions, lebt mit seiner Frau und seiner Tochter in Trier. Seine Frau lernte er während seines Studiums in Schanghai kennen, sie nahm einen Job im Großherzogtum an, Koffi folgte ihr. Dass er irgendwann mal in einem Büro mit einem Schreibtisch-Job sitzen sollte, gehörte zum Plan des Ivorers.

Beginn mit 21 Jahren

Eigentlich, so erzählt der 32-Jährige, wollte er einen anderen sportlichen Weg einschlagen. „Ich hatte den Traum, wie jeder Junge in meinem Land, Fußballprofi zu werden“, erklärt Koffi. „Ich spielte an meiner Schule in einer Mannschaft, die aber nicht besonders gut war.“ Mit diesem Team sollte er bei den Westafrikanischen Universitätsspielen in Nigeria 2008 antreten, doch ein Mitschüler redete auf ihn ein. „Er sagte, dass wir im Fußball über 50 Leute sind, die spielen möchten. In der Leichtathletik hat ihnen eine Person gefehlt, um in der Staffel antreten zu können.“ Koffi versuchte sich also mit 21 Jahren zum ersten Mal in der Leichtathletik. „Ich kam in Nigeria an und kannte absolut nichts über diese Sportart“, blickt er lachend zurück. Er startete über 100 Meter, 200 Meter, im Weitsprung, lief die Staffeln über 4×100 und 4×200 Meter. „Es gab keine Tartan-, sondern nur eine Aschenbahn“, erklärt der Ivorer. „Es regnete so sehr, dass die Bahn sehr matschig war und viele Löcher hatte.“ Eine Medaille sprang für den Athleten nicht heraus, doch Koffi überzeugte mit seiner Leistung und schlug einige Sprinter. 

2012 holte er dann seine erste Bronzemedaille bei den Afrika-Meisterschaften. Es folgten eine Bronzemedaille bei der Sommer-Universiade 2013 im russischen Kasan und dann ein doppelter Erfolg bei den Afrika-Meisterschaften 2014 über 100 und 200 Meter. „Es war Wahnsinn“, erinnert er sich. Mit der grün-weiß-orangenen Flagge auf dem Rücken drehte Koffi die obligatorische Ehrenrunde – ein Gefühl, das ihn bis heute nicht loslässt. Ein professionelles Training hatte er bis dahin nie – von 8 bis 18 Uhr ging er zu Uni, abends zum Training. „Sehr anstrengend“, wie er sagt. Doch für die Olympischen Spiele 2016 in Rio legte er eine Studienpause ein – um sich voll auf den Sport zu konzentrieren. Etwa drei Wochen vor Olympia, für das er sich sportlich bereits qualifiziert hatte, startete er als Titelverteidiger bei den Afrika-Meisterschaften in Südafrika. „Ich hatte kurz vorher irgendwas gegessen, was mich vergiftet hat“, erklärt Koffi. „Als amtierender Meister musste ich aber antreten. Über die 200 Meter lief ich, aber über die 100 ging es dann einfach nicht mehr.“ Koffi verbrachte kurz vor dem Highlight seiner Karriere viel Zeit in einem Krankenhaus. In Rio angekommen, sei er „überhaupt nicht in Form gewesen“. Es folgte die logische Konsequenz, Koffi schied über die 100 und 200 Meter im Vorlauf aus. „Es war eine ‚Contre-Performance’ bei einem Rennen, an dem dir so was nicht passieren darf“, blickt Koffi enttäuscht zurück. „Ich wollte unbedingt ins Finale – letztendlich war mein sportliches Abschneiden eine große Enttäuschung.“

Knackpunkt London 2017

Nur ein Jahr später folgte mit der Weltmeisterschaft in London ein weiterer Knackpunkt in seiner sportlichen Karriere. Im Halbfinale über die 200 Meter regnet es derartig, dass Koffis Bahn voller Wasser ist. „Das Wasser floss Richtung Rasen“, sagt Koffi. „Bahn zwei und drei waren komplett überflutet, die anderen waren trockener.“ Koffi hatte erneut kein Glück, wieder gab es keine Teilnahme an einem großen Finale. „Das war der Moment, in dem ich ans Aufhören dachte“, gibt er zu. Im selben Jahr absolvierte er ein Praktikum in Luxemburg. „Ich hätte noch ein oder zwei Jahre dranhängen können – aber ich wollte meine Karriere beschleunigen.“ Bereuen tut Koffi, bis auf eine Sache, nichts an seiner sportlichen Karriere. „Ich wäre gerne unter zehn Sekunden gelaufen – zwei Hundertstel fehlen, das ist schon ärgerlich.“ 

Vor der WM in London bereitete sich Koffi u.a. im Stade Josy Barthel auf die WM vor. Er absolvierte ein Praktikum und lernte durch einen Kollegen Charel Grethen, den luxemburgischen Mittelstreckenläufer, kennen. Von Bob Bertemes habe er mal gehört, ansonsten sei ihm der luxemburgische Sport eher unauffällig begegnet.

Durch die Doktorarbeit hatte Koffi keine Zeit, in der Wintervorbereitung des Kreisligisten SV Hetzerath mitzutrainieren. Seit Sommer hält er sich in der neunten deutschen Fußballliga fit. Rechtsaußen sei seine Position – für einen Sprinter geeignet. „Ich versuche, über rechts zu laufen, um dann meine Stürmer mit einer präzisen Flanke anzuspielen“, sagt Koffi. Das Fußballtraining mache großen Spaß und sei im Vergleich zu seinem Leichtathletik-Training „sehr einfach“. Kreisliga eben: Training mit den Leuten aus dem Dorf, um danach mit den Kollegen das eine oder andere Bier zu trinken. „Nach dem Training nicht“, schränkt Koffi lachend ein. „Aber am Wochenende trinke ich gerne mal ein Bier mit den Leuten aus der Mannschaft.“ Für Koffi neue, interessante Aspekte.

Doch auch mit zwei etwas unangenehmeren Umständen muss er, gerade sonntags, zurechtkommen: Den Gegenspielern und den Schiedsrichtern. „Sie gehen gegen mich schon sehr hart ins Tackling, und mit den Schiedsrichtern, das ist manchmal wirklich nicht einfach.“ Wer eben nicht in der besten Liga spiele, bekomme eben auch nicht die besten Schiedsrichter. Tatsächlich war es so, dass Koffi zu Beginn oft Abseits gepfiffen bekam – weil die Schiedsrichter nicht glauben konnten, dass er so schnell hinter den Verteidigern sein würde. „Darüber hat sich mein Trainer schon sehr oft aufgeregt, aber mittlerweile hat sich das rumgesprochen, die Schiris achten darauf.“ Auch die Bundesliga würde er, wenn die Zeit es zulasse, verfolgen. Sein Lieblingsclub ist gerade der, der für Koffi wohl am schwierigsten auszusprechen ist: „Monsch, Mänj..“, nach dem zweiten Anlauf umgeht er den Vereinsnamen und sagt: „Der Club, bei dem der Sohn von Lilian Thuram spielt“, lacht er – Borussia Mönchengladbach. 

Serge Hua Wilfried Koffi hat etwas geschafft, was in seinem Land außergewöhnlich ist. Mit der Verbindung von Sport und Studium gilt er als Vorreiter dieses Prinzips. Drei bis vier Mal reist er im Jahr zurück in seine ivorische Heimat, um den Nachwuchsathleten sein Modell vorzustellen. Dann erzählt er auch von der Afrika-Meisterschaft 2014 und schwelgt wieder in Erinnerungen. 

Nach seiner sportlichen Karriere hat sich Koffi für einen Job als Investment-Manager in Luxemburg entschieden. 
Nach seiner sportlichen Karriere hat sich Koffi für einen Job als Investment-Manager in Luxemburg entschieden. 

Steckbrief

Name: Hua Wilfried Serge Koffi
Geboren am: 12.10.1987 in Abidjan, Elfenbeinküste
Sprachen: Französisch, Englisch, Chinesisch, etwas Deutsch
Größe Erfolge: Afrikanischer Meister über 100 und 200 Meter 2014, Gold bei der Sommer-Universiade 2015 in Gwangju (KOR), Sportler des Jahres der Elfenbeinküste 2014
Studium: Seit 2010 Investment-Management an der Shanghai University – Doktorthese abgegeben
Aktueller Beruf: Investment-Manager bei Luxemburg Investment Solutions

„Er hatte die jamaikanische Lockerheit“ – Koffi über Bolt

2013 haben sich die Wege von Hua Wilfried Serge Koffi und Usain Bolt zum ersten Mal gekreuzt. Bei der WM in Moskau wurden die beiden Sprinter in denselben Vorlauf gezogen. „Ich konnte es kaum fassen, neben Bolt zu laufen“, erklärt Koffi. Doch die Euphorie war durch eine Verletzung im Knie etwas gedämpft. „Mein Trainer sagte zu mir, dass ich zu diesem Lauf antreten muss, selbst wenn ich die 100 Meter gehen würde“, sagt Koffi. „Ich war mit zwei Freunden in diesem Vorlauf und sobald wir Bolt sahen, achteten wir auf jede seiner Bewegungen. Was er vor dem Lauf tat, wie er sich warmmachte oder wie er mit den Kameras spielte.“ Während sich die Sprinter eine Stunde vorher aufwärmten, begann der Jamaikaner sein Programm 15 Minuten vor dem Lauf. „Er hatte diese jamaikanische Lockerheit“, erklärt Koffi. „Während des Laufs überwog die Freude, die ich hatte. Ich wurde am Ende Sechster, Bolt Erster.“