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Letzter Tag im SREL-Prozess:Urteil ergeht am 30. April

Letzter Tag im SREL-Prozess: / Urteil ergeht am 30. April
Die CD des Anstoßes: Auch nach dem Prozess bleiben viele Fragen offen. Was Mariotto mit dem Datenträger bezwecken wollte, ist bis heute unklar.  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Einen Freispruch auf ganzer Linie hat die Verteidigung für die drei Angeklagten Marco Mille, Fränk Schneider und André Kemmer gefordert. Die Staatsanwaltschaft gibt sich aufgrund der Verdienste dieser Herren mit einer Geldstrafe zufrieden. Wie das Gericht entscheidet, soll die Öffentlichkeit am 30. April erfahren. Dann nämlich verkündet die 12. Strafkammer ihr Urteil im sogenannten SREL-Prozess. 

Mit den Erwiderungen der Verteidigung und abschließenden Statements der drei Angeklagten ging am Donnerstag der mit Spannung erwartete Prozess um vermeintlich illegale Überwachungsmaßnahmen des Luxemburger „Service de renseignement de l’Etat“ (SREL) zu Ende. Acht Verhandlungen waren angesetzt worden. Im Endeffekt sollten deren sechs reichen, um Zeugen zu hören, die Beweisführung abzuschließen sowie Plädoyers und Strafantrag der Staatsanwaltschaft vorzutragen. Der siebte Prozesstag gestern war dann nochmals den vertretenen Parteien vorbehalten, bevor die Richter am 30. April ihr Urteil verkünden.

Nach dem Strafforderungsantrag der Staatsanwaltschaft sollten die Anwälte der drei Angeklagten am Donnerstag nochmals die Gelegenheit erhalten, auf die verschiedenen Vorwürfe einzugehen. Dabei war es Me Pol Urbany, der mit Substitut Jean-Jacques Dolar am härtesten ins Gericht ging. Wie bereits im Plädoyer verwies der Anwalt des ehemaligen SREL-Agenten André Kemmer erneut auf die Beweispflicht der Staatsanwaltschaft. Diese hätte beweisen müssen, dass die Abhörmaßnahmen nicht von Premierminister Jean-Claude Juncker genehmigt worden seien.

Zur Erinnerung: Seit vergangenem Dienstag müssen sich der ehemalige Direktor des Nachrichtendienstes Marco Mille, dessen Operationsleiter Fränk Schneider und der Ex-Geheimagent André Kemmer vor der 12. Strafkammer des Bezirksgerichts Luxemburg verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, den Geschäftsmann Loris Mariotto zwischen dem 26. und 29. Januar 2007 illegal abgehört zu haben. Mariotto hatte dem Nachrichtendienst einen Datenträger zugespielt, auf dem ein brisantes Gespräch zwischen Großherzog Henri und Premierminister Jean-Claude Juncker enthalten sein sollte. Da die CD – in Geheimdienstkreisen „Frisbee“ getauft – auf den ersten Blick leer erschien, entschied sich SREL-Chef Mille dazu, den Geschäftsmann unter Druck zu setzen und dessen Kommunikationsleitungen abzuhören. Mit der Genehmigung von Premierminister Jean-Claude Juncker, wie die Verteidigung seit Beginn des Prozesses beteuert.

Was dieser während seiner Zeugenaussage auch nicht ausgeschlossen habe, so Me Urbany. Tatsächlich konnte sich Jean-Claude Juncker vor Gericht nicht mehr an die Geschehnisse vor 13 Jahren erinnern. Formell bestritten habe er es aber nicht. Er habe sich vielmehr gewunden und sei bei diesem Punkt ausgewichen. Deshalb sei er jetzt auch regelrecht schockiert, dass die Staatsanwaltschaft in ihrem Strafantrag das Gegenteil behauptet, so der Anwalt.

„Nicht im richtigen Dossier“

Der Anwalt von Marco Mille appellierte indessen an die Justiz, sich über die Politik zu stellen. Leider folge die Staatsanwaltschaft immer noch dem Narrativ des parlamentarischen Kontrollausschusses, der sich auf eine Abschrift des sogenannten „Uhrengespräches“ stützte – mit einer Uhr, die nachweislich manipuliert wurde, so Me Laurent Niedner. Tatsächlich hatte sein Mandant nur wenige Tage nach der Telefonüberwachung ein Gespräch mit Staatsminister Jean-Claude Juncker ohne dessen Wissen aufgezeichnet. Ihm komme es vor, als müsse sich Mille nun deswegen vor Gericht verantworten, wunderte sich Me Niedner.

„Welchen Prozess machen wir hier überhaupt? Die Staatsanwaltschaft ist nicht im richtigen Dossier!“, unterstrich der Anwalt. Dafür aber liefere das Gespräch mit Juncker den unwiderlegbaren Beweis, dass dieser von der Überwachung wusste und die Aktion damit auch gutgeheißen habe.

Me Laurent Ries bedauerte, dass seine formellen Einwürfe im Strafantrag der Staatsanwaltschaft überhaupt nicht berücksichtigt worden seien. Der Substitut habe diesen längst im Voraus verfasst, ohne die Plädoyers der Verteidigung abzuwarten. Sollte sein Mandant, Fränk Schneider, nicht freigesprochen werden, stünde die Frage eines politischen Prozesses im Raum.

Dieser Prozess sei einfach nicht nötig gewesen. Es habe auf der Hand gelegen, dass Juncker die Überwachung genehmigt habe. Allerdings sei es auch schwer gewesen, ein Haar in dieser Suppe zu finden, gab Me Ries zu bedenken. Mariotto habe den Datenträger mit dem vermeintlich brisanten Gespräch zwischen Großherzog Henri und Premier Jean-Claude Juncker außer Land geschafft und einem Anwalt ausgehändigt, der Kontakt mit den italienischen Diensten haben soll.

Diese „heiße Kartoffel“ aber habe niemand aus dem Feuer holen wollen. Mariotto sei beileibe kein Hobbybastler gewesen, sondern ein hochkarätiger Offizier für verschiedene Dienste im Ausland. „Und der SREL ist Mariotto zum Opfer gefallen“, so Me Laurent Ries.

Loris Mariotto sei vielmehr ein Bauernopfer, das auf dem Schachbrett weggeschnippt worden sei, beteuerte hingegen Me Carlo Fritsch als Vertreter der Zivilpartei. Nichts sei unterlassen worden, um seinen Mandanten anzuschwärzen. „Es ist ein Prozess der Manipulation und Desinformation“, so der Anwalt des Geschäftsmannes. Mit dem Ziel, das Gericht im ganzen Wirrwarr in die Irre zu führen.

„Lebenslänglich verurteilt“

Die abschließenden Bemerkungen waren den drei Angeklagten vorbehalten. Marco Mille beteuerte auf ein Neues, dass die Telefonüberwachung von Jean-Claude Juncker befohlen und auch genehmigt worden sei. Die verschiedenen Datenträger habe er später an sich genommen, um sie als mögliche Beweise, etwa im „Bommeleeër“-Dossier, zu sichern. Er verwies erneut auf die gefälschte Abschrift des „Uhrengespräches“. Die richtige Abschrift liefere den nötigen Beweis dafür, dass die Telefonüberwachung nicht illegal gewesen sei.

Fränk Schneider hingegen sieht sich seit 2012 „lebenslänglich verurteilt“. Haarsträubende Gerüchte seien verbreitet worden, um seiner Person zu schaden. „Es ist einfach nur kafkaesk“, so der ehemalige Operationsleiter des Nachrichtendienstes. Die Staatsanwaltschaft müsse doch wissen, wie der Geheimdienst arbeitet. „Und doch kann ich mein Recht auf Verteidigung nicht ganz nutzen, da es noch Geheimnisse gibt, über die ich nicht reden darf“, so Schneider. Er habe immer nur seine Arbeit erledigt. Und das mit dem nötigen Ernst. Also würde es ihm auch im Traum nicht einfallen, vor Gericht etwas zu sagen, das seinem Land Schaden zufüge.

Der ehemalige Geheimagent André Kemmer hatte indessen nur noch eine Bemerkung parat: „Das Ganze ist eine politische Affäre.“ Das Urteil ergeht am 30. April dieses Jahres.