CoronavirusReportage aus dem Hôpital Kirchberg: Wie ein Krankenhaus in den Krisenmodus versetzt wird 

Coronavirus / Reportage aus dem Hôpital Kirchberg: Wie ein Krankenhaus in den Krisenmodus versetzt wird 
Besucher werden vor dem Eingang vom Krankenhauspersonal gecheckt Foto: Editpress/Alain Rischard

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Im Kirchberg-Hospital gibt es einen ersten Coronafall. Das Krankenhaus ergreift Maßnahmen: Vor dem Eingang werden Zelte aufgebaut, Besucher werden befragt, ihre Körpertemperatur wird gemessen. Unter dem Personal herrscht zeitweise Ratlosigkeit. Unsere Reporterin ist mittendrin.

In Zeiten der Corona-Pandemie kann ein normaler Krankenhausbesuch zu einem Abenteuer werden. Stündlich trudeln neue Nachrichten ein, Veranstaltungen werden abgesagt, die Zahl der Infizierten wird nach oben korrigiert. Vor Ort ergibt sich ein Bild reger Betriebsamkeit, durchsetzt mit Unschlüssigkeit und Verwirrung. Eine Chronik.

10.30 Uhr

Vor dem Parkhaus des Krankenhauses auf dem Kirchberg hat sich ein Stau gebildet. Männer mit gelben Westen winken die Fahrzeuge weiter – es soll niemand mehr ins Parkhaus einfahren. Der Haupteingang der Klinik ist noch frei zugänglich, drinnen wirkt alles normal. Zwei Männer stehen an einem Stand von „Médecins sans frontières“ und wollen Spender gewinnen. Auch in der Oberweis-Filiale rechts neben dem Eingang läuft alles wie gehabt.

Eine Push-Nachricht. Medien melden, dass sich zwölf weitere Personen in Luxemburg mit dem Coronavirus infiziert haben. Eine Infektion soll im Krankenhaus auf Kirchberg stattgefunden haben. 

10.40 Uhr

Zehn Minuten später, erster Stock. Ein Arzt kommt in den Wartesaal und informiert eine Patientin, dass es noch etwas dauern könnte, bis sie drankommt. „Ich kann auch ein andermal wiederkommen“, erwidert die junge Mutter, die ihr Neugeborenes in den Armen hält. Sie solle lieber hier bleiben, rät der Arzt. Niemand wisse, wie es weitergehe und ob sie so bald einen neuen Termin bekommen würde. „Wir haben die Anweisung, alle unsterilen Orte des Krankenhauses dichtzumachen“, sagt der Mann in dem weißen Kittel.

Währenddessen klingelt im Sekretariat das Telefon. Eine Patientin will ihren Termin absagen. „Kein Problem“, erwidert die Frau am Schalter. Angesichts der aktuellen Situation sei das nur verständlich. Einige Ärztinnen und Ärzte laufen durch die Flure, während die Drehtür am Eingang des Krankenhauses weiterhin seelenruhig ihre Runden dreht. Von Zugangssperren ist kurz nach 11 Uhr noch nichts zu sehen.

11.20 Uhr

„Wir lassen niemanden mehr rein“, ruft eine Frau in blauem Ärzteanzug durch den Flur, vorbei an den Sitzbänken, auf denen die Patienten auf ihren Arzttermin warten. Daraufhin beschließt die junge Mutter, das Krankenhaus mit ihrem Kind zu verlassen, so wie es ihr vom Personal angeraten wurde.

Die Sekretärin macht sich inzwischen daran, die Termine für den restlichen Tag abzusagen. Geschlossen ist das Krankenhaus aber immer noch nicht – zwei neue Patientinnen nehmen im Wartesaal Platz. Das Telefon klingelt ununterbrochen: „Ich kann nicht mehr, die Leute erzählen mir alle das Gleiche“, sagt die Sekretärin zu ihrer Kollegin. „Ich will ihnen lieber keinen Termin vor Juni geben“, sagt sie zum Patienten am Telefon.

12.00 Uhr

Vor dem Haupteingang bauen Arbeiter Zelte auf. „Dort soll die Temperatur aller gemessen werden, die reinkommen  – oder besser gesagt reinkommen müssen“, erklärt ein Arzt.

Seine Sekretärin war am Morgen völlig von der Situation überrascht worden. „Diese drastischen Maßnahmen kamen so plötzlich“, sagt sie. Sie habe heute noch alle Termine für die nächsten Tage absagen müssen. Damit habe sie nicht gerechnet. 

Anthony Vanucci und El Oumar Aboubakar sammeln eigentlich Spenden für „Médecins sans frontières“
Anthony Vanucci und El Oumar Aboubakar sammeln eigentlich Spenden für „Médecins sans frontières“

„Vorhin stand ein Mann hier mit Maske und er wurde vom Arzt abgeholt“, sagt Anthony Vanucci von „Médecins sans frontières“. Gemeinsam mit seinem Kollegen El Oumar Aboubakar steht er seit Dienstag im Eingang des Krankenhauses auf Kirchberg. Heute seien viel weniger Menschen gekommen als an den anderen Tagen.

Das Desinfektionsmittel im Eingangsbereich ist leer. „Schon seit heute Morgen“, sagen die beiden Männer. Nachgefüllt wurde bisher nicht.

12.30 Uhr

Ein Dutzend Männer bauen im Eiltempo ein Zelt vor dem Eingang des Krankenhauses auf. Nicole Schiltz-Gries sitzt mit ihrem Mann beim Oberweis und beobachtet das Geschehen. Das Seniorenpaar macht sich Sorgen. „Als ich gehört habe, dass die Zahl der Infizierten sich von gestern auf heute so erhöht hat, habe ich mich erschrocken“, sagt sie. Vor allem, weil sie und ihr Mann in die Risikogruppe fallen. Eigentlich würden sie es derzeit vermeiden, aus dem Haus zu gehen, aber der heutige Arztbesuch habe sein müssen. Beide wohnen in einem Altenheim in Wasserbillig. Dort werde gut auf die Bewohner achtgegeben.

„Die Regierung hat zu langsam reagiert“, findet Nicole Schiltz-Gries. Auch, dass jetzt noch Menschen unkontrolliert ein- und ausgehen, versteht sie nicht. Am Eingang stehen zwar zwei Sicherheitsdienstmitarbeiter – die sehen aber nur beim Zeltaufbau zu.

Nicole Schiltz-Gries und ihr Mann machen sich Sorgen
Nicole Schiltz-Gries und ihr Mann machen sich Sorgen Foto: Melody Hansen

Neben ihrem Tisch unterhält sich ein Arzt mit zwei anderen älteren Menschen. „Anscheinend sollen auch die Schulen schließen“, sagt er ihnen. Im vierten Stock gebe es wohl einen Corona-Fall, sagt ein anderer.

Unterdessen ist das Zelt fast fertig aufgebaut. Nachdem Anthony Vanucci mehrmals nachgefragt hatte, wurde auch die Flasche mit dem Desinfektionsmittel im Eingang endlich aufgefüllt.

13.00 Uhr

Beim Oberweis sitzen immer noch Gäste. Sie essen ein Brötchen, trinken einen Kaffee oder ein Glas Wasser und beobachten das Geschehen draußen. „Wir warten auf Anweisungen“, sagt ein Mitarbeiter. Im Moment sei alles noch etwas schwammig, aber es sehe nicht so aus, als würden sie schließen.

Ein Mann mit einem Rolltisch bringt heiße Getränke und Pappbecher zum Zelt. Eine Stärkung für die Arbeiter, die kurz darauf ein zweites Zelt in Angriff neben.

Die Drehtür hat aufgehört zu drehen. Ein rot-weißes Band versperrt den Eingang. Wer hinein oder hinaus will, muss jetzt durchs Zelt. Eine Frau, die gerade reinkommt, sagt, sie sei noch nicht kontrolliert worden. „Erst wenn das zweite Zelt auch steht, fangen wir mit der Temperaturmessung an“, erklärt ein Sicherheitsbeauftragter.

13.20 Uhr

Ein Sonnenstrahl bahnt sich den Weg durch die dichte Wolkendecke. Im ersten Stockwerk versammeln sich Krankenschwestern. Der Notflügel ist wie ausgestorben. „Die Menschen werden im ersten Zelt befragt, im zweiten wird dann ihr Fieber gemessen. Haben sie eine erhöhte Temperatur, bringen wir sie außen rum in die Notaufnahme“, sagt der Securityangestellte.

14.00 Uhr

Das zweite Zelt steht. Die Sonne hält sich wacker am Himmel, während die ein- und ausgehenden Menschen sich fleißig die Hände desinfizieren. Fieber gemessen wird immer noch nicht.

Zwei Krankenwagenfahrer holen sich gerade einen Kaffee beim Oberweis. Mit Coronainfizierten waren sie ihres Wissens noch nicht in Kontakt. Beide sichern nur den Patiententransport zwischen den Krankenhäusern – mit einem herkömmlichen Krankenwagen. „Für Coronapatienten gibt es einen speziell isolierten Wagen ohne Belüftung, der sie zum CHL bringt, wo sie entgegengenommen werden“, erklären die Pfleger. Auf dem Kirchberg bleibe in der Regel niemand, der sich angesteckt hat.

Ein Schild an der Tür des Krankenhauses
Ein Schild an der Tür des Krankenhauses Foto: Melody Hansen

14.30 Uhr

Zwei Angestellte des Krankenhauses bringen Schilder an den Türen an. Darauf steht, dass die Besucherzahl ab sofort auf einen Gast pro Patient reduziert wird. Besucher sollen sich bei ihrer Ankunft mit dem Pflegebüro in Verbindung setzen. Unterdessen werden Tische und Stühle hinaus in die Zelte gebracht. Heizstrahler werden installiert.

Claude Schummer, Generaldirektor des Hôpital Robert Schuman, erklärt, dass es am Freitag mit den Eingangskontrollen losgeht. Nur kurze Zeit später wird diese Entscheidung revidiert: Die Kontrollen laufen ab sofort. „Es war wohl alles schneller funktionsbereit als erwartet“, sagen Krankenhausmitarbeiter.

Im ersten Zelt werden Besucher unter die Lupe genommen, im zweiten Patienten. Dort werden sie von einer Krankenschwester empfangen, die ihre Temperatur misst. Dann müssen sie ein Formular ausfüllen. Auf dem Papier stehen fünf Punkte: Fieber, Husten, akute Atembeschwerden, Grippesymptome (Halsschmerzen, laufende Nase) – und der Kontakt mit einer Person, die positiv auf das Coronavirus getestet wurde oder aus einem Risikogebiet zurückgekehrt ist. Treffen bei einem Besucher zwei dieser Dinge zu, wird er nicht ins Krankenhaus eingelassen. Ist dies bei einem Patienten der Fall, muss er einen Mundschutz anlegen und sich die Hände desinfizieren, bevor er das Gebäude betreten darf.

15.00 Uhr

Sarah und ihre Mutter sind unter den ersten Patienten, die am Donnerstag kontrolliert werden. Sie sind gerade unterwegs zu einem Termin beim Kardiologen. Beide dürfen ohne Atemmaske herein. Sarah findet es gut, dass diese Maßnahmen nun getroffen werden. „Das müsste an viel mehr Orten gemacht werden“, sagt sie. Allen voran in Schulen: Kinder würden sich untereinander dermaßen schnell anstecken. Eine Gefahr, die die Behörden ihrer Meinung nach unterschätzen.

Mit den Maßnahmen will das Krankenhaus in erster Linie die Risikopatienten, die sich im Krankenhaus befinden, schützen, sagt Klinikchef Schummer. Darunter würden unter anderem Geriatrie- und Chemopatienten fallen – und die, die auf der Intensivstation liegen. „Wir rufen die Menschen dazu auf, das Krankenhaus zu vermeiden, wenn es nicht unbedingt sein muss“, sagt der Generaldirektor. Eine Delegation aus dem CHL würde am nächsten Tag vorbeikommen, um sich ein Bild von den Maßnahmen auf Kirchberg zu machen. „Ich denke, dass sie diese dann auch umsetzen werden.“ Am Freitag soll der Krankenhausbetrieb laut Schummer dann so normal wie irgend möglich weiterlaufen.

Wie schützt man sich am besten vor einer Ansteckung?

Die Schutzmaßnahmen sind die gleichen wie bei anderen Infektionen der Atemwege: Hände regelmäßig und gründlich waschen, in den Ellbogen oder in ein Papiertaschentuch niesen und das Taschentuch sofort in einem abgedeckten Mülleimer entsorgen, Händeschütteln und Küssen vermeiden, engen Kontakt mit kranken Menschen meiden, zu Hause bleiben, wenn man krank ist, und davon absehen, das Gesicht mit den Händen zu berühren.

Seit dem 2. März ist eine Hotline für die Öffentlichkeit unter der Nummer 8002 8080 in Betrieb.

Menschen mit Symptomen einer Infektion oder solche, die aus einem Risikogebiet zurückkehren, sollen nicht zum Arzt oder in die Notaufnahme gehen, sondern die Nummer 8002 8080 (oder im Notfall 112) anrufen.

Das Coronavirus im Steckbrief

– Name: Coronavirus, Covid-19
– Übertragungsweg: Tröpfcheninfektion
– Am meisten betroffene Körperregion: Lungen
– Symptome: trockener Husten, Fieber, Atemnot
– Inkubationszeit: bis zu 14 Tagen
– Gefährlich besonders für ältere Menschen oder Personen, die schon (schwere) gesundheitliche Probleme haben

Guy Guth
13. März 2020 - 18.58

Unerklärlich ist jedoch dass vor dem Krankenhaus auf Kirchberg sowie am heutigen Freitag vor dem CHdN auch ein Zelt aufgerichtet wurde um den Besuchern jener Krankenhäuser das Fieber zu messen. Im Escher CHEM sowie im CHL passiert jedoch nichts in dieser Richtung. Das verstehe wer will oder kann!

Risikopatient
13. März 2020 - 10.53

haha, hiren infizéierten frontalier infirmier hat awer "kee kontakt mat patienten...", wéi ass dén arme patient hospitalisé scho pour deeg dann ugestach ginn ? net vum hl geescht...

Uhrig
12. März 2020 - 19.32

Nëmmen 39% vun den Infizéierten hu Féiwer, dann déngt dat och net vill.

Tun
12. März 2020 - 17.13

Ich sehe, die tragen Chirurgenmasken, die verhindern bloß, dass man in eine offene Wunde hustet, an der Seite kommen die Tröpfcheninfektionen problemlos rein. Das wurde doch mehrmals von Virologen besprochen.