SREL-Prozess, Tag 6Staatsanwaltschaft fordert Geldstrafe, Verteidigung will Freispruch

SREL-Prozess, Tag 6 / Staatsanwaltschaft fordert Geldstrafe, Verteidigung will Freispruch
Me Pol Urbany (rechts) hat in seinem Schlussplädoyer einen Freispruch auf ganzer Linie für seinen Mandanten André Kemmer (links) und die zwei Mitangeklagten gefordert Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Zum Abschluss des sogenannten SREL-Prozesses hat die Staatsanwaltschaft lediglich eine angemessene Geldstrafe für die drei Angeklagten beantragt. Wegen ihrer Verdienste sei von einer Haftstrafe abzusehen, so der Substitut. Die Verteidigung fordert indessen einen Freispruch für Ex-SREL-Chef Marco Mille, Operationschef Fränk Schneider und den ehemaligen Geheimagenten André Kemmer.

Nicht sein Mandant, sondern Loris Mariotto sei der eigentliche Übeltäter in dieser gesamten Affäre. Das befand Me Pol Urbany, der Anwalt von Ex-Geheimagent André Kemmer, zum Auftakt des sechsten Verhandlungstages im sogenannten SREL-Prozess. Kemmer musste sich in den letzten Tagen vor der 12. Strafkammer des Bezirksgerichts Luxemburg unter anderem wegen einer illegalen Abhörmaßnahme auf den Geschäftsmann Loris Mariotto im Januar 2007 verantworten. Das zusammen mit seinen ehemaligen Vorgesetzten, dem damaligen Geheimdienstchef Marco Mille und Ex-Operationschef Fränk Schneider.

Eigentlich hätte die ganze Sache rasch über die Bühne gehen müssen, meinte Me Pol Urbany in seinem Schlussplädoyer. Und doch sei der verdienstvolle Kriminalbeamte, der einst zum „Service de renseignement de l’Etat“ (SREL) abgestellt worden war, seit 2013 suspendiert. „Das muss man sich mal vorstellen“, so der Anwalt, der kein Verständnis dafür zeigte, dass Kemmer überhaupt auf der Anklagebank Platz nehmen musste. Dieser habe sich stets verdient gemacht und einen guten Job erledigt.

„Weshalb also dieser Prozess?“, so Me Urbany mehrmals. Doch sicher nicht, weil Kemmer eine Kopie des sogenannten Uhrengesprächs an sich genommen hatte, um den Inhalt vor ungewollten Ohren im Nachrichtendienst zu schützen. Kemmer habe dies mit dem Wissen seines Vorgesetzten Marco Mille getan und später auch Premierminister Jean-Claude Juncker gebeichtet. Als Kemmer den Nachrichtendienst im Juli 2008 verlassen musste, habe Mille die CD nicht zurückverlangt. Kemmer habe den Datenträger daraufhin ins Staatsministerium gebracht. Deshalb sei in diesem Punkt von einem Freispruch auszugehen.

Auf der anderen Seite werde Loris Mariotto als armes Opfer dargestellt, dem übelst mitgespielt worden sei. Er sei vielmehr der Strippenzieher gewesen, unterstrich Me Urbany. Zwei Mitarbeiter des Hofes hätten den Sicherheitsspezialisten mit der Bitte aufgesucht, eine Aufnahme zu entschlüsseln, auf der ein Gespräch zwischen Großherzog Henri und Ex-Premierminister Jean-Claude Juncker zu hören gewesen sein soll. „Doch was macht der Geschäftsmann? Heimlich fertigt er eine Kopie an“, so Me Urbany. „Er hat Daten geklaut. Schlimmer noch: Er hat mit Staatsgeheimnissen Hehlerei betrieben!“ Mariotto habe nicht nur den Geheimdienst informiert, sondern sich auch an RTL gewendet. „Er war es, der etwas in die Gänge bringen wollte“, so der Anwalt der Verteidigung. Damit habe Mariotto sein Recht auf Privatsphäre verwirkt.

„Ein juristischer Trugschluss“

Dabei sei die Abhörmaßnahme keinesfalls illegal gewesen, betonte Me Urbany, der in diesem Zusammenhang an die allgemeinen Prinzipien der Beweispflicht erinnerte. Die Staatsanwaltschaft müsse belegen, dass der damalige Premierminister Jean-Claude Juncker der Telefonüberwachung nicht zugestimmt habe. Der einzige Zeuge der Staatsanwaltschaft sei in seinen Aussagen jedoch formell gewesen und habe gesagt, er erinnere sich nicht mehr an die Geschehnisse vor 13 Jahren. Dem Gespräch vom 31. Dezember, das von Ex-SREL-Chef Marco Mille heimlich mit einer Uhr aufgezeichnet wurde, sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass Juncker von der Überwachung wusste.

Es liege auf der Hand, dass eine Genehmigung vorlag, so das Fazit des Verteidigers. Ein Freispruch für die drei Angeklagten sei ebenso offensichtlich. Dabei habe Kemmer auch nie etwas anderes getan, als einen Befehl seiner Vorgesetzten auszuführen. Die Strafverfolgung gegen den früheren Geheimagenten sei nichts anderes als ein juristischer Trugschluss. „Ein Irrweg“, so Me Urbany.

Einen Freispruch für seinen Mandanten forderte indessen auch Me Laurent Ries. In seinem rechtlich-technisch angehauchten Plädoyer erinnerte der Anwalt daran, dass der ehemalige Operationschef Fränk Schneider von Anfang an seine Unschuld beteuert hatte und zu keinem Zeitpunkt nachvollziehen konnte, wieso er überhaupt angeklagt sei. Wenn überhaupt, habe er nur Befehle ausgeführt. Und es sei nicht seine Pflicht gewesen, die Anordnungen seines Vorgesetzten infrage zu stellen, wie selbst Schneider während der Verhandlung mehrmals betont hatte.

„A qui profite le crime?“, laute die eigentliche Frage in diesem Prozess. „Wer hat den meisten Nutzen aus den Geschehnissen gezogen?“, so der Anwalt, der starke Zweifel an Jean-Claude Junckers Erinnerungslücken hegte. Fränk Schneider habe immer wieder seine Unschuld betont und sei aufgrund der gesamten Sachlage auch freizusprechen, forderte Me Laurent Ries.

Märchen, Witz oder Falle?

Dass es sich bei dem Verfahren um einen „speziellen Prozess“ handelt, war auch Substitut Jean-Jacques Dolar nicht entgangen. Ob es nun ein Märchen sei, ein Witz oder eine Falle: „Wir wissen es nicht“, begann der künftige beigeordnete Staatsanwalt seinen Strafforderungsantrag. Mit teils surrealen Geschichten habe das SREL-Trio die unterschiedlichsten Hypothesen erstellt, die dann zu einem illegalen Lauschangriff führen sollten, der nach wenigen Tagen abrupt abgebrochen worden sei. Daraufhin habe der damalige Direktor des Nachrichtendienstes die Spuren verwischen wollen: So sei weder die „Fiche technique“ des Abhörtechnikers unterschrieben worden, noch habe Mille das zuständige Richtergremium informiert.

Für den Substitut sei es ersichtlich, dass keine Genehmigung für den Lauschangriff auf Mariotto vorgelegen habe. Auch wenn der ehemalige Direktor des Nachrichtendienstes das Gegenteil behauptet. Mille stütze sich auf ein Gespräch mit dem damaligen Regierungschef, das er am 31. Januar 2007 ohne dessen Wissen mit einer präparierten Uhr aufgezeichnet hatte. In Schlüsselmomenten aber sei dem Staatsminister kein „Ja“ zu entnehmen, so der Vertreter der Staatsanwaltschaft. Juncker habe der Überwachung nicht zugestimmt. Wäre es so gewesen, könnte er sich sicher daran erinnern, habe dieser höchstpersönlich vor Gericht zu Protokoll gegeben.

Im sogenannten Uhrengespräch sei denn auch vieles unlogisch und sonderbar. Unverständlich sei, warum Mille nicht einfach einen Bericht verfasst habe, um Juncker nachträglich um grünes Licht zu bitten. „Das wäre doch einfacher gewesen, als ihn mit einer präparierten Uhr aufzuzeichnen“, so Jean-Jacques Dolar. Der Umstand, dass Mille nach dem Abbruch der Überwachung den Antrag seines Technikers nicht unterzeichnen wollte, lasse vor diesem Hintergrund nur einen Schluss zu: „Es lag keine Genehmigung vor“, erklärte der Substitut.

Was weitere Straftaten angeht, die dem Trio zur Last gelegt werden können, sei es ersichtlich, dass Mariottos Privatsphäre durch den Lauschangriff erheblich beeinträchtigt worden sei. In diesem Fall sei eine Person illegal mit einer speziellen Apparatur überwacht worden. Auch hätten Mille und Kemmer gegen Datenschutzbestimmungen verstoßen, indem sie Datenträger an sich genommen hätten.

„Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es sich um eine schwerwiegende Affäre handelt“, so der Vertreter der Staatsanwaltschaft abschließend. Die drei Angeklagten seien auch in sämtlichen Punkten zu verurteilen. Wegen ihrer Verdienste aber wolle die Staatsanwaltschaft von einer Freiheitsstrafe absehen. Gefordert wurde lediglich eine angemessene Geldstrafe.

Zum Abschluss des Prozesses erhalten die Vertreter der Verteidigung am Donnerstag nochmals die Gelegenheit, auf den Strafantrag der Staatsanwaltschaft einzugehen.