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PolenKaczynski muss seinen Propagandachef absetzen

Polen / Kaczynski muss seinen Propagandachef absetzen
Präsident Andrzej Duda bemängelt die Berichterstattung des Staatsfernsehens über seinen Wahlkampf Foto: AFP/Wojtek Radwanski

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Vier Jahre lang hat Jacek Kurski die Drecksarbeit der rechtsnationalen Regierungspartei in Polen gemacht. Der Chef des Staatsfernsehens TVP hat gegen Flüchtlinge, Richter, Liberale, Brüssel und auch renitente Politiker in den eigenen Reihen wettern lassen oder gleich selbst zum Mikrofon gegriffen. Seit Montag ist nun Kurskis Propagandamacht gebrochen.

Der von der Kaczynski-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) dominierte „Nationale Medienrat“ hat am Wochenende in einer geheimen Abstimmung beschlossen, dass Jacek Kurski seinen Chefsessel sofort verliert.

Kurskis jäher Fall ist die Folge von Flügelkämpfen innerhalb der PiS, die sich zuletzt bei einem Sondergesetz zur Finanzierung des Staatsfernsehens mit seinen vielen Regionalprogrammen Bahn gebrochen hat. Um eine im April erwartete Zahlungsunfähigkeit abzuwenden, wollte Parteichef Jaroslaw Kaczynski, Polens starker Mann ohne Amt und Würden, eine einmalige Kompensationszahlung von umgerechnet rund 460 Millionen Euro aus der Staatskasse überweisen. Kompensiert werden sollten damit massive Gebühreneinbußen bei den Rentnern, die aus wahltaktischen Gründen gratis Staatsfernsehen schauen können. Im Mai stehen in Polen Präsidentschaftswahlen an.

Staatspräsident Andrzej Duda, der erneut für die PiS ins Rennen steigt, hatte in der vergangenen Woche sein Veto gegen das Sondergesetz nicht ausgeschlossen. Er würde darauf verzichten, wenn TVP-Chef Kurski abberufen werde, ließ Duda am Freitag wissen. Laut Insidern soll daraufhin der vor Wut schäumende Kaczynski – Duda unterschreibt normalerweise alle von Kaczynski gewünschten Gesetze sofort – seinen Regierungschef Mateusz Morawiecki zum neuen Präsidentschaftskandidaten erhoben haben. Doch Morawiecki weigerte sich und stellte sich anlässlich einer nächtlichen Pressekonferenz demonstrativ hinter Duda. Zum Putsch-Triumvirat gegen Kaczynski gesellte sich am Wochenende auch noch Vize-Regierungschef Jaroslaw Gowin, ein gewendeter Liberaler.

Kaczynski konnte damit zum ersten Mal seit seiner Machtübernahme 2015 seine Personalentscheidungen nicht forcieren, sondern musste der möglichen Abwahl des ihm treu ergebenen TVP Chefs Hand bieten. Denn Polen ist unter der PiS-Regierung derart autoritär geworden, dass selbst der „Nationale Medienrat“ nichts unternimmt, ohne Kaczynskis Zustimmung.

Keine Sonderzahlung

Dudas Aufstand gegen die Sonderzahlung einer derart hohen Summe für TVP dürfte in seiner Unzufriedenheit über die bisherige Wahlkampfberichterstattung liegen. Zwar schickt TVP ein Team auf jeden auch noch so entlegenen Duda-Auftritt in der Provinz, wo die meisten PiS-Wähler wohnen, doch sind diese Reportagen oft wenig prickelnd. Neuere Umfragen lassen Zweifel zu, ob Favorit Duda im Mai wirklich eine zweite Runde gewinnen könnte, sollte sie nötig werden.

Schon seit Längerem war zudem bekannt, dass Duda nicht viel von dem etwa gleichaltrigen Kurski als Person hält – und umgekehrt. Bei Kurskis Absetzung mitgemischt hat indirekt auch die liberale und linke Opposition. Der neuerdings von der Opposition beherrschte Senat hatte nämlich gefordert, die 460 Millionen Euro besser im unterfinanzierten Gesundheitswesen für die Früherkennung von Krebs einzusetzen, statt sie an TVP zu überweisen. Duda nahm dieses Argument indirekt auf und forderte zu den 2 Milliarden Zloty für TVP weitere 3 Milliarden Zloty für die Krebsprophylaxe. Auch dies musste ihm Kaczynski am Monatg zähneknirschend zugestehen.

Kurskis Nachfolger ist derweil noch nicht bekannt. Er werde nach den Präsidentschaftswahlen durch die Hintertür erneut TVP-Chef, spekulierte am Montag die Boulevardzeitung Fakt. In der Tat war am Montag noch keine Ausschreibung des einflussreichen TVP-Chefpostens in Sicht. „Das ist alles eine Farce, um die Unabhängigkeit des Präsidenten zu simulieren“, kommentierte in der konservativen Tageszeitung Rzeczpospolita Präsidentschaftskandidat Szymon Holownia.