SREL-Prozess, Tag 3Das „Gespräch mit der Uhr“ soll die Angeklagten entlasten

SREL-Prozess, Tag 3 / Das „Gespräch mit der Uhr“ soll die Angeklagten entlasten
Seine Stimme stand am Donnerstag im Mittelpunkt: Am dritten Verhandlungstag wurde das Band mit der Unterredung abgespielt, die Ex-SREL-Chef Marco Mille im Januar 2007 mit dem ehemaligen Premierminister Jean-Claude Juncker aufgenommen hatte.  Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Der dritte Verhandlungstag im sogenannten SREL-Prozess stand ganz im Zeichen des „Gesprächs mit der Uhr“. In der Unterredung zwischen Jean-Claude Juncker und Ex-SREL-Chef Marco Mille vermutet die Verteidigung den Beweis, dass der Premierminister von der auf Loris Mariotto zielenden Abhöraktion im Januar 2007 wusste. Demnach sei die Überwachung nicht illegal gewesen, so das Argument. 

„Was habt ihr herausgefunden?“ Es dauert knapp 20 Minuten, bis Jean-Claude Junckers Stimme ein erstes Mal auf dem Band zu hören ist. Die Frage gilt dem ehemaligen Chef des „Service de renseignement“ (SREL) Marco Mille, der seinem politischen Vorgesetzten am 31. Januar 2007 von der Abhöraktion gegen Loris Mariotto berichten sollte. Was der ehemalige Premierminister zu diesem Zeitpunkt aber nicht wusste: Mille war dabei, das Gespräch mit einer präparierten Uhr aufzuzeichnen.

Auch wenn es sich im Kern nicht um diese Tat handelt, so stand die Unterredung am dritten Verhandlungstag doch erneut im Mittelpunkt. Laut Anwalt Laurent Niedler soll die Aufnahme nämlich beweisen, dass Jean-Claude Juncker sehr wohl von der Abhöraktion wusste, die sein Mandant mit Fränk Schneider und Laurent Kemmer ausgeführt hatte. Auf Antrag der Verteidigung wurde der Mitschnitt am Donnerstag öffentlich in der Sitzung abgespielt.

Wegen des Abhörens von Mariotto müssen sich Mille, Schneider und Kemmer seit Dienstag vor der 12. Strafkammer des Bezirksgerichts Luxemburg verantworten. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, den Lauschangriff ohne entsprechende Genehmigung des Staatsministers durchgeführt zu haben.

Eigentlich scheint die Sachlage klar, dreht sich die Verhandlung doch einzig und allein um die Frage, ob der Lauschangriff genehmigt wurde oder nicht. In der Praxis aber gestaltet sich die Wahrheitsfindung weitaus komplexer. So muss der Antrag für eine Abhörmaßnahme in der Regel von einem speziellen Richtergremium bewilligt und im Anschluss noch vom Staatsminister persönlich gutgeheißen werden. Nur in dringenden Fällen genügt zunächst die Erlaubnis des Premierministers.

Genau das sei in diesem Fall auch passiert, hatte Mille bereits am Mittwoch zu Protokoll gegeben. Der Geheimdienst habe rasch handeln und Mariotto telefonisch unter Beobachtung stellen müssen. Mille habe Juncker angerufen, der denn auch seine Zustimmung gegeben habe. Nur kann sich der ehemalige Staatsminister 13 Jahre nach den Geschehnissen nicht mehr an dieses Gespräch erinnern. Er wolle es nicht ausschließen, hatte Juncker am Mittwoch vor Gericht ausgesagt. Es wundere ihn aber, keine Erinnerung mehr daran zu haben: Schließlich habe er fest vorgehabt, Mariotto abhören zu lassen, so Juncker vor Gericht.

Damit wäre die Prozedur aber noch nicht komplett gewesen: Die Dringlichkeitsanfrage hätte nach Einwilligung des Premiers noch nachträglich von einem Richtertrio beglaubigt werden müssen. Genau das ist in diesem Fall aber nicht passiert. Weil die Abhöraktion am Wochenende nicht die erhofften Resultate erbrachte, sei diese am Montagmorgen wieder abgebrochen worden. Zumindest für Ex-SREL-Chef Marco Mille schien damals kein Grund mehr vorgelegen zu haben, noch das Richtergremium einzuschalten. Das geht nicht nur aus dessen erster Stellungnahme vom Mittwoch hervor, sondern auch aus dem Band, das dem Gericht am Donnerstag vorgespielt wurde.

„No deem Gespréich war villes méi kloer“

Knapp 40 Minuten nach Beginn der Aufnahme spricht Marco Mille den Premierminister erneut auf die Abhöraktion gegen Loris Mariotto an: „Ech hunn dech e Freide gefrot fir déi Ecoute, an du hues dat och autoriséiert“, so der damalige Geheimdienstdirektor, bevor er Juncker die Geschehnisse nochmals ins Gedächtnis ruft: Geheimagent André Kemmer sei damit beauftragt worden, Mariotto telefonisch zu kontaktieren. Dieses Gespräch sei mit einem speziellen Funktelefon des Geheimdienstes mitgeschnitten worden. Außerdem seien auch Mariottos Handy und die Festnetznummer seines Unternehmens angezapft worden. „No deem Gespréich war villes méi kloer“, fährt Mille fort.

Allerdings habe sich der „Verdacht einer Falle“ relativiert, weshalb er entschieden habe, die Telefonüberwachung wieder abzuschalten, erklärt der SREL-Direktor Jean-Claude Juncker, bevor ein wichtiger Satz fällt: „Ech hunn awer serieux Problemer, de Riichter ze erklären, wat hei sou leeft“, sagt Mille und gibt Juncker zwischen den Zeilen zu verstehen, dass man das Richtergremium nicht einzuschalten braucht. „Esou hate mer einfach eng falsch Nummer“, so dessen Ausrede. Schließlich sei die Überwachung ohne Ergebnis abgeschaltet worden.

Auch wenn Jean-Claude Juncker auf dem Band nur wenig zu Wort kommt, scheint er dem Chef des Nachrichtendienstes zumindest nicht zu widersprechen. Vielmehr stimmt Juncker seinem Gesprächspartner zu und sagt: „Mir hu jo och näischt héieren“. Mehrmals bringt er während des Gesprächs die Möglichkeit ins Spiel, befreundete Geheimdienste bei der Entschlüsselung des chiffrierten Datenträgers um Hilfe zu bitten. Was Mille jedoch vermeiden möchte, solange er nicht weiß, was sich auf dem Datenträger befindet.

SREL-Techniker sagt aus

Schließlich hat dieser Datenträger die ganze Sache ins Rollen gebracht. „Frisbee“ wurde die CD vom Geheimdienst getauft, die er am 25. Januar 2007 von Loris Mariotto erhalten hatte. Etwas mehr als ein Jahr zuvor hatte dieser André Kemmer erstmals vom Datenträger berichtet. Zwei Mitarbeiter des großherzoglichen Hofs hätten ihm die CD gegeben, auf welcher sich ein Gespräch zwischen Jean-Claude Juncker und Großherzog Henri befinden soll. Dabei hätten beide über einen Zeugen gesprochen, der den Bruder des Großherzogs mit der „Bommeleeër“-Affäre ins Spiel gebracht haben soll.

Auf dem Band, das am Donnerstag in der Sitzung vorgespielt wurde, war denn auch zu hören, wie Juncker und Mille unterschiedliche Theorien zum verschlüsselten Datenträger durchspielen. Während Juncker mehrmals beteuert, kein brisantes Gespräch mit dem Großherzog geführt zu haben, erscheint Mille vielmehr beunruhigt, dass der Staatschef und der Regierungschef überhaupt bespitzelt werden konnten.

Zur Sprache kam am Donnerstag aber auch der Techniker des Nachrichtendienstes, der am 25. Januar 2007 die Telefonüberwachung auf Mariotto geschaltet hatte. Er sei an jenem Tag von Mille aufgefordert worden, die Abhöraktion einzuleiten. Er habe die Telefonanbieter kontaktiert und ihnen die entsprechenden Daten geliefert. Montags sei er dann zur Arbeit erschienen, um die Überwachung offiziell beglaubigen zu lassen. Zu diesem Zweck habe er dem Anbieter einen offiziellen Brief zustellen wollen. Doch habe der Direktor den Brief nicht unterschrieben mit der Begründung, die Überwachung werde wieder abgeschaltet. Daraufhin habe er den Telefonanbieter wissen gelassen, dass man sich geirrt habe und die Schaltung wieder eingestellt werden solle.

Es sei dies das einzige Mal gewesen, dass eine Telefonüberwachung nicht „regularisiert“ worden sei, erinnerte sich der Mitarbeiter. Er wisse aber nicht, ob er beim Direktor nachgehakt habe. „Mir war es, als sei einfach nichts dabei herausgekommen, weshalb wir die Überwachung wieder abgeblasen haben“, so der SREL-Techniker. Er sei sich aber bewusst gewesen, „dass etwas nicht normal gelaufen“ sei. „Von diesem Zeitpunkt an habe ich keine Telefonüberwachung mehr ohne die nötigen schriftlichen Dokumente geschaltet“, so der Zeuge.

Die Verhandlung wird am Freitag fortgesetzt. Die beiden Ermittler der Kriminalpolizei sind dann als Zeugen geladen.


Interessante Einblicke am Rande

Auch wenn seit Jahren bereits Ausschnitte und Abschriften vom „Gespréich mat der Auer“ in der Öffentlichkeit zirkulieren, so bot die öffentliche Anhörung am Donnerstag doch interessante Einblicke hinter die Kulissen des Luxemburger Nachrichtendienstes. Eine gewisse Ironie birgt etwa jener Moment, in dem Marco Mille Jean-Claude Juncker vor den Gefahren der modernen Technik warnt: Es sei so einfach, jemanden zu bespitzeln, betont Mille – während er das Gespräch mit einer präparierten Uhr aufzeichnet. „Du musst immer davon ausgehen, abgehört zu werden“, warnt er Juncker.

Mehrere Minuten lang unterhalten sich Mille und Juncker über die vermeintlichen Verbindungen des großherzoglichen Hofs zu den britischen Geheimdiensten. Es sei auch bekannt, so Mille, dass der Hof versucht habe, an Überwachungstechniken zu gelangen. Ob die Anfrage nun vom Hofmarschall stamme oder vom Großherzog persönlich, wisse der Geheimdienst nicht. „Die Anfrage kam auf jeden Fall aus dem Palast“, so Mille. Ein erster Versuch sei gescheitert. Ob der Hof aber „woanders“ fündig geworden sei, sei auch nicht bekannt.

Was das Sicherheitspersonal des Hofes angeht, so wisse er nicht, was er davon halten soll, erklärt Mille. Wegen „der Sache mit dem anonymen Anruf und anderen Scherereien“. Es sei etwa bekannt, dass die Polizei dem Hof nicht ihre besten Beamten zur Verfügung stelle. „Faule Äpfel verderben den Salat“, meint Mille, der auch keine anderen Geheimdienste einschalten möchte: „Ansonsten mache ich den Bock zum Gärtner.“ Er befürchte, ein ausländischer Geheimdienst könnte hinter der Aktion stecken. Wenn überhaupt, dann könne man nur „den Deutschen“ vertrauen.

Die Unterhaltung widmet sich auch den möglichen Feinden des Regierungschefs. Schließlich sei die Politik „kein Strickclub“. Außerdem bringt der Geheimdienstchef Loris Mariotto in der Unterhaltung mit Menschenhandel in Verbindung. Am Rande habe der Geheimdienst mitbekommen, dass er mit Thailändern in Kontakt stünde und dabei sei, „Mädchen kommen zu lassen“. „Mee bon, ass och net eise Business“, ist dem Tonband zu vernehmen.

Mille und Juncker besprechen auch die Möglichkeit, dass die Unterredung aus Junckers Sicht zwar nicht brisant sei, die Öffentlichkeit das aber anders sehen könnte. Was die einen als Alltag betrachten, könnte andere schockieren. Vielleicht sei es ein Versuch der Presse, den Geheimdienst aus der Reserve zu locken. Diese sei „ja richtig geil darauf, etwas zu finden“, so Mille. Auch wenn es sich um „Quatsch“ handele: „Wenn man es oft genug behauptet, nehmen die Leute es als Tatsache an“, erklärt Mille.

Der SREL habe eine lange Geschichte, aber kein Gedächtnis. Er selbst habe eine Art Black Box übernommen. So habe sich der Geheimdienst in den 1980er Jahren etwa illegal Wanzen bei Mariotto beschafft. Mit diesen Wanzen hätten ehemalige Mitarbeiter möglicherweise den Ex-SREL-Chef Charles Hoffmann angezapft. (ham)

Miette
5. März 2020 - 22.02

Ewei ze erwaarden, keen wees mei eppes an den Tapis fier alles drenner ze kieren ass esou grouss wei eist Marienländchen.