Ministerium für ChancengleichheitStereotypen verhindern eine individuelle Entwicklung

Ministerium für Chancengleichheit / Stereotypen verhindern eine individuelle Entwicklung
Mit dem Mega-Jumper auf Tour: Das Team des Ministeriums für Chancengleichheit will den Jugendlichen in Schulen und Jugendhäusern oder auf Veranstaltungen begegnen Foto: Editpress/Eric Hamus

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Stereotypen sind gefährlich für die individuelle Entwicklung. Junge Menschen aber sollen sich im Alltag und im Beruf frei von jeglichen Zwängen verwirklichen können. Zu diesem Zweck hat das Ministerium für Chancengleichheit neue Instrumente entwickelt, die es Jugendlichen erleichtern soll, mit gewissen Vorurteilen gegenüber Jungs und Mädchen aufzuräumen.

Mädchen mögen Rosa, haben Talent für Sprachen, gehen gerne shoppen, verbringen Stunden vor dem Spiegel und schauen sich schnulzige Serien an, während sie vegane Diätsnacks verzehren. Jungs hingegen lieben Fußball und Videospiele, sind gut in Mathe, tragen dunkle Kleidung, verzehren Cheeseburger und ziehen sich Actionfilme mit Bier und Chips rein. Die Beschreibung beider Geschlechter hätte kaum klischeebelasteter ausfallen können. Dabei sind es genau diese Stereotypen, die das Chancengleichheitsministerium aus dem Weg räumen möchte.

Denn: „Stereotypen sind gefährlich für beide Geschlechter“, betont die Ministerin für Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern, Taina Bofferding. Wenn auch unbewusst, so orientieren sich doch viele Menschen an diesen Vorurteilen, bis manche davon als Normalität akzeptiert werden. Individualität, Vorlieben, Wünsche oder Talente eines jeden bleiben vor diesem Hintergrund nur allzu oft auf der Strecke. Mit dem Resultat, dass sich vor allem junge Menschen in eine Rolle hineingedrängt fühlen, die nicht unbedingt ihrem Charakter entspricht.

Um bereits in jungem Alter mit diesen Stereotypen zu brechen und Gleichstellung auch im Alltag zu leben, hat das „Ministère pour l’égalité entre les femmes et les hommes“, kurz „Mega“, einige Instrumente und Aktivitäten entwickelt, die sich gezielt an junge Menschen richten. Ziel sei es, Jugendlichen die nötigen Reflexe zu vermitteln, damit sie – von jeglichen Zwängen befreit – selbstbewusste Entscheidungen in Alltag, Schule und Beruf treffen können.

Eine wichtige Rolle übernimmt der schicke, in Blau und Pink getauchte „Mega“-Jumper. Mit dem stylischen Lieferwagen kann das Team des Ministeriums den jungen Menschen dort begegnen, wo sie sich aufhalten: in Schulen, Jugendhäusern oder auf öffentlichen Veranstaltungen. „Organisationen, Schulen oder Vereine, die Interesse an einem Besuch des ‹Mega›-Jumpers haben, können sich gerne mit dem Ministerium in Kontakt setzen. Unseren Mitarbeitern steht eine ganze Reihe an Aktivitäten zur Verfügung, die speziell für diese Zwecke ausgearbeitet wurden“, erklärt Bofferding. Eine neue Broschüre zum Thema Gleichstellung greift das Thema leicht verständlich und grafisch ansprechend für Jugendliche auf.

Im gleichen Stil ist auch die neue Webseite rockmega.lu gehalten, die sich vorwiegend an junge Frauen und Männer richtet. Dort erhalten Interessierte nicht nur Informationen zu Events und anderen Aktivitäten des Ministeriums, sondern auch die Möglichkeit, „Mega“-Jumper und Mini-Expo für Veranstaltungen zu buchen. Ausgearbeitet wurden die Inhalte und visuelle Gestaltung von Heather Kremer, die sich im Rahmen ihres Studiums an der Uni Trier mit dem Thema befasst hat. Die grafische Identität findet denn auch Niederschlag in einer Reihe Videos, mit denen das „Mega“ die Jugendlichen auf YouTube und in den sozialen Netzwerken anzusprechen gedenkt.

„Aus unseren Gesprächen mit jungen Menschen wissen wir, dass Stereotypen auch in den Köpfen der Jugendlichen noch immer sehr stark verankert sind. Vor allem was die Wahl des künftigen Berufes angeht“, betont die Ministerin. So werden Jungs verstärkt mit den sogenannten MINT-Berufen in Verbindung gebracht (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik), während Mädchen vorwiegend in sozialen Berufen vermutet werden. „In dieser Hinsicht besteht immer noch eine gewisse Hemmschwelle bei den jungen Frauen und Männern. In einer ersten Reaktion kommen sie nicht auf den Gedanken, dass ein bestimmter Beruf für beide Geschlechter infrage kommt. Erst beim Nachhaken fällt es auch ihnen auf“, hat Bofferding feststellen müssen.

Absolute Gleichstellung erst in 308 Jahren

Auch von offizieller Seite gibt es nur eine durchschnittliche Note für das Großherzogtum. So konnte das „European Institute for Gender Equality“ (EIGE) in Luxemburg zwar einige Fortschritte in Sachen Gleichstellung feststellen, allerdings hinke das Land anderen Staaten noch hinterher. Laut Gleichstellungsindex kommt das Großherzogtum auf 69,2 von 100 möglichen Punkten und liegt damit nur knapp über dem EU-Schnitt von 67,4 Punkten. Spitzenreiter ist Schweden (83,6), gefolgt von Dänemark (77,5) und Frankreich (74,6). Die Niederlande und Belgien schneiden mit 72,1 respektive 71,1 Punkten ebenfalls gut ab, während Deutschland mit 66,9 Punkten unter dem EU-Schnitt landet.

In den letzten Jahren sei viel für die Gleichstellung zwischen Männern und Frauen in Luxemburg unternommen worden, stellt auch Taina Bofferding fest. Doch: „Machen wir so weiter wie bisher, dann würden wir noch 308 Jahre benötigen, um ein perfektes Resultat von 100 Punkten zu erzielen“, so die Ministerin. In der Luxemburger Verfassung und im Arbeitsrecht sei die Gleichstellung längst verankert. „Allerdings ist es wichtig, dass diese Rechte heute schon im Alltag zur Geltung kommen und nicht erst in 308 Jahren“, fährt Bofferding fort.

„Gleichstellung ist aber nicht Gleichmachung“, erklärt die Ministerin. Es gehe keineswegs darum, Mädchen und Jungs „gleich zu machen“, sondern sie in ihrer eigenen Kreativität und Individualität zu unterstützen. „Ziel ist es, eine Aufgeschlossenheit zu fördern, die es den Schülern erlaubt, sich frei zu entwickeln. Sie sollen wissen, dass es keinen Beruf gibt, den sie nicht ergreifen können“, so Bofferding.

In diesem Zusammenhang ist denn auch die Veranstaltung des Ministeriums im Vorfeld des Weltfrauentages am Sonntag zu sehen. Unter dem Motto „Lëtz go equal in digital“ soll am Donnerstag in Belval mit Stereotypen gebrochen werden, die die neuen Technologien sowie Kommunikations- und Informatikberufe umranken. Zusammen mit den „Women in Digital Empowerment“ werden die Schüler des Lycée Belval in die „Halle des poches à fonte“ geladen, wo sie im Rahmen von Ateliers über die verschiedenen Berufe und entsprechenden Vorurteile sprechen können.

„Derzeit machen Frauen nur 14,5 Prozent der Belegschaft in solchen Berufen aus“, so Bofferding. Laut einer rezenten PISA-Studie über Berufswünsche tauchen neue Technologien bei den Mädchen überhaupt nicht in den Top 10 auf, während sie bei Jungs immerhin noch auf Platz 4 landen. Die Ateliers sind zwar nur den Schülern vorbehalten. Bei der anschließenden Konferenz aber sind Interessierte (auf Anmeldung) jederzeit willkommen. Mehr Informationen sind auf www.rockmega.lu erhältlich.