EditorialEine Prise Virtual Reality für Bausch und Meisch

Editorial / Eine Prise Virtual Reality für Bausch und Meisch
So gesittet, wie es dieses Plakat vermuten lässt, geht es nur selten am frühen Morgen vor den Schulen zu Foto: Editpress/Isabella Finzi

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Schon im Alter von wenigen Monaten interessieren sich Babys für Smartphones. Vielleicht, weil sie einen Bildschirm haben. Vielleicht aber auch, weil die Eltern das Gerät ständig mit sich herumtragen. Kinder imitieren. Viele Eltern wollen das schicke Smartphone aber nicht herausrücken. Viel zu kostbar. Es könnte ja kaputtgehen. Wird einem Baby etwas verweigert, weckt das Objekt der Begierde sein Interesse umso mehr.

Im Alter von fünf oder sechs Jahren sind Kinder immer noch von Bildschirmen fasziniert. Vonseiten der Eltern gibt es aber wenig Bedenken, dass das Smartphone oder Tablet darunter leiden könnte. Manche setzen die Geräte sogar als Babysitter ein. Als Maschine der kindlichen Bespaßung. Andere setzen feste Regeln auf.

Bildungsminister Claude Meisch stellte am Donnerstag eine neue Kampagne über Kinder und Bildschirme vor. Kernaussage ist, dass die Verantwortung im Umgang mit Bildschirmen klar bei den Eltern liege. Deshalb hat das Ministerium zusammen mit Bee Secure Empfehlungen herausgegeben, wie sie sich gegenüber dem Konsum ihrer Kinder mit neuen Medien verhalten sollten.

Eltern sind Vorbilder. Am Esstisch hat das Smartphone, so die Kampagne, nichts verloren. Aber was ist, wenn der Vater beruflich erreichbar sein soll? Oder die Mutter? Vielleicht kommt ja grade beim Mittagessen eine wichtige SMS vom Chef. Oder eine E-Mail, die nicht warten kann. Oder ein äußerst wichtiger Anruf. Darf dann nur er oder sie die Regel brechen? Für jede Regel gibt es schließlich Ausnahmen. Aber ist das wirklich fair und konsequent? Kinder ahmen alles nach. Das ist wichtig für ihren Lernprozess. Das gilt nicht nur für den Umgang mit digitalen Medien.

Seit zwei Tagen sind die öffentlichen Verkehrsmittel in Luxemburg gratis. Verkehrsminister François Bausch sagte, man wolle damit erreichen, dass die Menschen nicht automatisch zum Autoschlüssel greifen. Ein Reflex, den sich auch die Kinder später einmal aneignen sollten.

Wer nun als Kind jeden Tag, morgens, vormittags, mittags und nachmittags, mit dem Auto zur Schule gebracht und abgeholt wird, empfindet das wahrscheinlich als „normal“. In der Schule müssen die Kinder meist ruhig sitzen bleiben und haben selten „Auslauf“. Diagnose: Mangelnde Konzentration und Unausgeglichenheit durch Bewegungsmangel. Ein paar hundert Meter zu Fuß in die Schule laufen und zurück könnte da schon Linderung verschaffen. Und den Griff der Eltern zum Autoschlüssel infrage stellen.

Was würden Bausch und Meisch wohl dazu sagen, wenn sie morgens um fünf vor acht am Gehweg vor einer Grundschule im Süden des Landes stehen würden? Das Szenario: eine Blechlawine hupender Autos, stinkende Abgase, falsch geparkte Pkws mit laufenden Motoren, zugeparkte Einfahrten, Rote-Ampel-Verweigerer und Parkende in der zweiten Reihe, die den übrigen Verkehr blockieren, während sie ihren Nachwuchs hastig abschnallen, heruntergelassene Seitenscheiben, durch die sich gestresste Eltern gegenseitig mit Pöbeleien begrüßen.

Ja, Eltern sind Vorbilder. Das tägliche Chaos vor der Schule würde nicht nur einen beobachtenden Bausch oder Meisch auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Es hat auch einen Einfluss auf die Kinder, egal, ob sie chauffiert oder zu Fuß in die Schule gebracht werden. Das Szenario ist nun mal nicht zu übersehen oder zu überhören. Auf dem Schulhof werden die gerade beobachteten Aggressionen nachgeahmt. Das gehört schließlich zum kindlichen Lernprozess. Und zu Hause wartet schon das Smartphone. Das ist die Realität.

Eric Rings erings@tageblatt.lu
Eric Rings erings@tageblatt.lu
KTG
3. März 2020 - 12.26

@L. Marx: Das mit den roten Ampeln betrifft auch die gestressten Eltern, die sämtliche orange, tieforange, rote und tiefrote Ampeln ignorieren. Das Ignorieren von Ampeln wird von Fußgängern und Autofahrern gleichsam praktiziert und es ist ein Wunder, dass es nicht öfters zu Unfällen kommt. (und auch die Zahl der Autos ohne installierte Blinklichter ist enorm hoch)

Hary
3. März 2020 - 0.43

@Scholer "dass sogar Menschen die Smartphones oft benutzen eine Verminderung des IQ zur Folge hat. " Die Statistik hat herausgefunden, dass das halbe Land einen IQ von unter 100 hat auch ohne Smartphone.?

J.Scholer
2. März 2020 - 10.51

„Das Smartphone beeinträchtigt unsere Hirne „, schrieb die Welt in einigen Artikel der letzten Jahre. Fundiert wird darauf hingewiesen , dass die Smartphones die Denkweise , die Lernfähigkeit , die Gesundheit ( spez. Den Schlaf) im negativen Sinne beeinträchtigen. Auch letzte Woche at eine junge Autorin und Professorin ( Interview deutsch.Fernsehen) anhand von Studien bewiesen , dass sogar Menschen die Smartphones oft benutzen eine Verminderung des IQ zur Folge hat. Ebenfalls beeinträchtigt das Benutzen der Smartphone die Produktivität. ( bis 88 mal schaut der Mensch auf das Gerät)

L.Marx
2. März 2020 - 10.27

"Rote-Ampel-Verweigerer" gibt es nicht nur vor den Schulen. Man kommt sich schon fast blöd vor, wenn man an einer roten Fussgängerampel stehen bleibt. Ist ja auch total cool, vor fahrende Autos zu laufen und zu wissen, wenn es knallt wird der Autofahrer vor Gericht schuldig gesprochen. Er hätte wissen müssen, dass trotz Rotlicht Fussgänger die Strasse überqueren könnten. Und er muss laut "Code de la route" sein Fahrzeug jederzeit unter Kontrolle haben. Wäre interessant mal zu erfahren, wieviele Fussgänger für das Missarten einer roten Ampel schon einen Strafzettel oder eine Verwarnung bekamen. Habe schon vor dem Bahnhof in Esch Leute gesehen, die so vor einem Polizeiwagen rübergelaufen sind ...

Jacques Zeyen
2. März 2020 - 8.46

Homo Digitalis. Richtig erkannt.Auf dem Plakat müsste eigentlich jedes Kind und auch die Fahrerin ein Handy am Ohr haben.Vollverkabelt durchs Leben mit Blick auf die Mattscheibe. Apps sagen uns was wir zu tun haben.Es ist natürlich praktisch wenn GPS-Koordinaten uns metergenau ans Ziel bringen oder der Rettungswagen findet uns am Straßenrand weil er unser Handy geortet hat. Aber ob der Chef am Esstisch dabei sein muss ist eine andere Frage. Es ist wie beim Essen oder Trinken,zuviel ist schädlich.