Kostenloser Nahverkehr Funktionieren unsere Busse und Bahnen? – Mit Schweiz-Erfahrung durch Luxemburg 

Kostenloser Nahverkehr  / Funktionieren unsere Busse und Bahnen? – Mit Schweiz-Erfahrung durch Luxemburg 
Ein Menschenstrom ergießt sich aus dem Zug in den Luxemburger Hauptbahnhof Foto: Editpress/Elisa Hipp

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

3 Stunden und 47 Minuten in Luxemburger Zügen, Bussen und der Tram – das ist nicht nur ein Gemütlichkeitstest für Sitze, sondern auch eine Busnamen-Odyssee. Und ein gescheiterter Plan.

Am Quai 4, Kirchberg, Luxexpo, um 9.02 Uhr, mit Blick auf eine breite Straße und unter einem überdachten Busunterstand, scheitert mein Plan. Echternach ist das Ziel, doch der Bus mit der Nummer 410, der um 9.02 Uhr in Richtung Bitburg kommen soll, erscheint nicht. Auch auf der Anzeigetafel ist er nirgendwo zu sehen. Stehe ich an der falschen Haltestelle? Zwei Frauen, die ich frage, meinen: Nein, das sei schon die richtige. Dass er nicht auf der Anzeigetafel zu finden ist? „Das passiert häufiger, gerade bei Bussen, die selten fahren“, sagt die eine und steigt in ihren Bus. „Meiner wurde vergangene Woche auch nicht angezeigt und kam dann doch, warte doch einfach hier“, empfiehlt mir die andere. Warten also. 9.02. 9.03. 9.04 Uhr. Zig andere Busse fahren vor, packen Gäste in ihren Bauch und spucken andere aus. Doch Nummer 410 erscheint nicht. Laut „Mobilitéit“-App ist er schon abgefahren. Es ist nun 9.10 Uhr. Was tun?

Am Sonntag, 1. März, wird der öffentliche Verkehr in Luxemburg kostenlos. Das soll mehr Leute in die Züge und Busse bringen und die Straßen räumen. Doch funktioniert das? Nein, sagen viele, nicht, solange die öffentlichen Verkehrsmittel nicht besser funktionieren. Funktionieren sie wirklich nicht? Ich habe keine Ahnung. Ich komme aus dem Allgäu in Süddeutschland (schlechter öffentlicher Verkehr) und wohne in der Zentralschweiz (sehr guter öffentlicher Verkehr). Den Luxemburger Verkehr kenne ich nicht. Darum lerne ich ihn an diesem Dienstag, 25. Februar, kennen. Und zwar mit einer ziemlich kuriosen Route. Sie erfüllt nur drei Kriterien: einmal Tram fahren, die Tourismus-Orte Echternach, Colmar-Berg und Vianden besuchen – und am Abend wieder nach Esch zurückkehren.

Einige Stunden früher, kurz vor 6 Uhr morgens in Esch. Es regnet, ein Mann auf dem Weg zum Bahnhof singt, ziemlich falsch, aber fröhlich, gegen das Sauwetter an. Nur 4 Euro kostet das Tagesticket. Ich bin begeistert, das ist ungefähr so viel, wie ein normaler Latte Macchiato oder ein „Herrgöttli“ – ein 0,2er-Bier ­– in der Schweiz kosten. Nur darf ich hier damit den ganzen Tag in ganz Luxemburg herumfahren. 4 Euro sind sowieso schon wenig – macht kostenlos einen großen Unterschied? 

Morgens am Gleis 2 des Bahnhofs in Esch. Alle warten auf den verspäteten Zug.
Morgens am Gleis 2 des Bahnhofs in Esch. Alle warten auf den verspäteten Zug. Fotos: Editpress/Elisa Hipp

7.02-7.28 Uhr, RB 6882, Esch/Alzette – Luxembourg Gare centrale, 14 Minuten Verspätung

7.01 Uhr am Gleis 2 des Bahnhofs in Esch. Der Regen trommelt auf das Blechdach über dem Bahnsteig, die Menschen darunter nutzen jeden Quadratmeter. „Der Zug nach Luxemburg hat eine Verspätung von zirka acht Minuten“, fällt der Durchsage-Stimme eine Minute vor der geplanten Abfahrt ein. Nach zehn Minuten fährt der Zug endlich im Bahnhof ein, alle finden einen Platz. Wie ein normaler Pendlerzug, befinde ich. 

Ebenso normal: Es ist still im Zug. Ab und zu unterhalten sich ein, zwei Fahrgäste, aus schlechten Kopfhörern hört man leise Musik, der Großteil der Reisenden schaut aufs Handy. In Bettemburg steigen einige zu. Hmm, denke ich, wenn man gerne Menschen stehend stapelt, gibt es hier durchaus noch etwas Platz. Mit 14 Minuten Verspätung treffen wir in Luxemburg ein. Ein Menschenstrom ergießt sich auf den Bahnsteig. 

7.51-8.05 Uhr, Bus 4, Luxembourg Gare centrale – Limpertsberg Theater, 2 Minuten Verspätung 

Tram fahren ist mein Ziel, ich quetsche mich darum zuerst in den übervollen Bus Nummer 4 in Richtung Limpertsberg, Lycée Michel Lucius. Vor der Haltestelle drücke ich den Knopf und überlege, wie ich durch die geschichteten Menschen hinauskomme. Die Frau vor mir bemerkt meinen Blick und sagt: „Ich steige hier auch aus.“ Als sie draußen ist, dreht sie sich noch einmal um und schaut, ob ich auch hinausgekommen bin. Sie lächelt, als sie sieht, dass ich es geschafft habe. 

8.12-8.27 Uhr Luxtram, Limpertsberg Theater – Kirchberg Luxexpo 

Die Tram fährt mir vor der Nase weg. Egal, die nächste kommt ja schon in vier Minuten. Die Straßenbahn ist gut gefüllt, aber es gibt noch Platz. Nach zwei Stationen bekomme ich einen Sitzplatz. Ich lasse mich darauf fallen. Autsch, ist der hart! Wer hat den erfunden? Jemand, der von Kirchenbänken auf etwas Moderneres umgestellt hat? 

Ein Junge im T-Shirt spielt mit seinem Handy, seine Finger trommeln auf das Display, als würden sie zittern. Ein eleganter junger Mann mit dünnrandiger Brille, violettem Schirm und Halstuch liest ein Buch. Sein Sitznachbar schreibt etwas auf die angelaufene Scheibe. „F“ und „M“ kann man lesen, dann verschwindet die Schrift wieder. Die orangefarbenen Türen machen das Wetter draußen deutlich besser, als es ist. Nach jeder Station ertönt über den Lautsprechern Werbung: „Ab dem 1. März ist der öffentliche Verkehr gratis!“

An der Haltestelle Luxexpo auf Kirchberg ist nichts außer Straße, die Bank BNP Paribas und Baustelle. Und der triste Busbahnhof ohne jede Information zum Bus 410. Die hätte ich nötig, als ich vergeblich auf diesen Bus warte, der aber nie kommt. Eigentlich wäre es Zeit für ein Frühstück, ein Bäckerbrötchen, ein Sandwich oder ein Kaffee. Doch hier an der „Gare routière Luxexpo“ ist nichts. 

Um kurz nach 9 Uhr ist die Tram sehr leer. Die Sitze sind aber noch immer sehr unbequem.
Um kurz nach 9 Uhr ist die Tram sehr leer. Die Sitze sind aber noch immer sehr unbequem.

9.15-9.25 Uhr, Luxtram, Kirchberg Luxexpo – Kirchberg Rout Bréck, Pafendall

Ich beschließe, mich nicht auf den Phantombus, der nur in der App der „Mobiliéitszentral“ zu existieren scheint,  zu verlassen. Um 9.10 Uhr streiche ich Echternach von meinem Plan. Dann eben gleich nach Colmar-Berg, um das Schloss zu bewundern. Ich steige wieder in die diesmal sehr leere Tram und setze mich sacht auf einen der Foltersitze. 

9.29-9.58 Uhr, RB 3509 Kirchberg Pfaffenthal Gare – Colmar-Berg Gare 

Wo verdammt ist Gleis 2? Es braucht einen Moment und einen vor meiner Nase abgefahrenen „Funiculaire“, bis ich kapiere, dass ich mit dieser Standseilbahn zum Gleis hinunter muss. Es ist 9.28 Uhr, als die nur mit mir besetzte Kabine in die Tiefe sinkt und sich quälend langsam in Richtung des in nur einer Minute abfahrenden Zugs bewegt. Ich wünsche mir Treppen, die ich aber nirgends finde. Ein Sprint über die Rolltreppe und ich hüpfe gerade noch so in den Zug, der eine Minute zu spät abfährt.

In diesem Zug Richtung Norden ist es ruhig. Es regnet wieder, nur ein blauer Fleck zeigt sich am Himmel hinter Lorentzweiler. Ansonsten: ein alter, fast leerer Zug mit graugrünen, sofaweichen Sitzen und roten Vorhänge, passend zu meiner grünen Jacke und meiner roten Brille. Draußen: überflutete Wiesen und Regen.

Colmar-Berg: ein Spaziergang zum Schloss und wieder zurück und endlich etwas zum Essen. Ansonsten Ruhe im Dorf und im Zug, den ich zu meinem nächsten Ziel, Vianden, nehme. Es offenbart sich mal wieder ein Vorteil des öffentlichen Nahverkehrs: Wer ihn nutzt, bleibt fit, muss er doch immer wieder Laufstrecken und Sprinteinlagen zurücklegen.

Ich passe farblich zum Zugdesign! Das war so nicht geplant.
Ich passe farblich zum Zugdesign! Das war so nicht geplant.

10.59- 11.12 Uhr, RB 3510 Colmar-Berg – Diekirch

Ein Zug im gleichen Design wie vorher und die erste Kontrolle. Bis soeben hatte ich immer noch insgeheim Bammel, dass die 4 Euro doch nicht fürs ganze Land gelten. Tun sie aber. 

11.24-11.42 Uhr, Bus 510, Diekirch Gare – Vianden Gare

Rapide des Ardennes, CFL, Voyages Koob, Voyages Simon, Emile Weber, Wagener, Autocars Meyers, Schneider, Frisch, Unsen … wie viele Busunternehmen fahren hier eigentlich in der Gegend herum? 

Der Bus, in dem ich sitze, präsentiert sich mit schwarz-weißen Sitzen und orangefarbenen Haltestangen. Das ist der Vorteil der vielen Busunternehmen: Man sieht eine Menge Busdesigns. Der Sitztest ergibt eine bequeme, aber korrekt-gerade Haltung. 

Im Bus geht’s durch die Landschaft. Dank der Vielfalt luxemburgischer Busunternehmer erlebt man alle möglichen Designs, hier schwarz-weiß-orange.
Im Bus geht’s durch die Landschaft. Dank der Vielfalt luxemburgischer Busunternehmer erlebt man alle möglichen Designs, hier schwarz-weiß-orange.

Vianden. Auf dem Weg zur Burg schaut die Sonne zu. Fast keine Besucher begegnen einem an diesem frühen Dienstagnachmittag in der Burg. Ich mache einen Rundgang durch das alte Gebäude und spaziere dann wieder den Berg hinunter.

Rückweg zum Busbahnhof. Es ist trocken, der Himmel zeigt sich in verschiedensten Grautönen. Das „Grand Hotel de Vianden“ schaut aus leeren, sprossenlosen Fenstern in Richtung Burg. Acht Minuten bleiben, bis der Bus nach Ettelbrück abfährt. Zwei Jugendliche warten gemeinsam mit mir darauf, dazu ein Mann in gelben Warnfarbenanzug. Es fängt wieder zu nieseln an – und zwar im 45-Grad-Winkel. Ich putze mir zum x-ten Mal heute die Brille.

13.45-14.10 Uhr, Bus 570, Vianden Gare – Ettelbruck Gare

Dieses Mal fährt Autocars Meyers, auf die Minute pünktlich. Blaue Sitze, gelbe Haltestangen, ganz normale Busbequemlichkeit. Draußen überlässt der Regen einem strahlend blauen Himmel den Platz. 

Mit dem öffentlichen Verkehr zu den Touristenorten wie beispielsweise zur Burg Vianden – das geht
Mit dem öffentlichen Verkehr zu den Touristenorten wie beispielsweise zur Burg Vianden – das geht

14.16-14.46 Uhr, IC 112, Ettelbruck Gare – Luxembourg Gare centrale

Der Bus hat eine minimale Verspätung von drei Minuten, aber das reicht dafür, dass ein paar junge Frauen und ich zum Zug rennen müssen. Der präsentiert sich im grauen Design mit kurzen, pinken und blassrosa Streifen. Einige Schulkinder sind im Zug, doch ganz voll ist er nicht.

Wieder in der Hauptstadt beschließe ich, in die Altstadt zu laufen, damit ich auch etwas davon sehe. Außerdem ist das launische Wetter gerade wieder freundlich.

16.59-17.11 Uhr, Bus 14, Centre, Badanstalt – Luxembourg Gare centrale

Einen Kaffee und ein bisschen Citysightseeing später trete ich den Rückweg an. An der Haltestelle „Centre, Badanstalt“ steige ich in den ersten Elektrobus heute. Dieser füllt sich von Haltestelle zu Haltestelle, bis er am Ende fast so voll ist wie Bus 4 am frühen Morgen.

17.19-17.44 Uhr, Luxembourg Gare centrale – Esch/Alzette

Feierabend, nicht nur für mich, sondern auch für ganz viele andere Fahrgäste im voll besetzten, pünktlichen Zug Richtung Rodange. In Esch angekommen, ist das Wetter so wie am Morgen: dämmrig und verregnet.

Ich bin an diesem Tag 131 Minuten Zug gefahren, habe 71 Minuten im Bus gesessen und 25 Minuten die Tram benutzt. Ich hatte das Vergnügen mit einem Phantombus, der an der „Gare routière Luxexpo“ nur in der App, nicht aber an der Haltestelle auftauchte. Die Besichtigung des Orts Echternach habe ich darum verschoben. Allerdings fanden sich an allen Orten, die ich besucht habe, gute – und regelmäßige – Verbindungen. 

Als Allgäuerin bin ich es einerseits gewöhnt, dass es in kleinen Orten außer Schulbusverbindungen nicht viel gibt. Die einzige Strecke, die sich mit dem öffentlichen Nahverkehr dort gut zurücklegen lässt, ist die Strecke Füssen – Schloss Neuschwanstein. Da ich aber seit vier Jahren im Kanton Uri in der Schweiz lebe, kenne ich auch bessere Nahverkehrsbeispiele. Dort sind die Züge in den allermeisten Fällen pünktlich; ja, manchmal werden verspätete deutsche Züge mit einem Endhalt in der Schweiz sogar an der Grenze aus dem Verkehr gezogen, damit sie das Schweizer SBB-System nicht durcheinander bringen.

Im Sommer kommt man mit dem Bus mehrmals täglich auf jeden Pass und dank des Gotthard-Basistunnels dauern manche Zugverbindungen kürzer als die entsprechende Autofahrt. Und man schafft es auch um 12 Uhr nachts noch aus der Stadt Zürich in den kleinen Bergkanton. Das Ganze kostet allerdings mehr als in Luxemburg. Ein Tagesticket bekommt man in der Schweiz, wenn man kein Sparangebot erwischt, für 75 Franken. Und um den Hund einen Tag lang mit Zug und Bus durch die Schweiz zu chauffieren, kostet es 35 Franken. Pünktlichkeit hat, scheint’s, ihren Preis. 

Elisa Hipp

Elisa Hipp kommt aus Pfronten im Allgäu. Sie lebt seit vier Jahren im Kanton Uri, Schweiz, und arbeitet dort als Redakteurin für die Lokalzeitung Urner Wochenblatt. Gerade macht sie berufsbegleitend ihren Master – und ist darum für ein dreiwöchiges Praktikum beim Tageblatt.

Tina
27. Februar 2020 - 15.15

Schued daat dir nët bis an de Norden komm sitt

Gerner
27. Februar 2020 - 12.11

@Jako "DIE LEUTE STEHEN MEISTENS IM REGEN MIT IHREN REGENSCHIRMEN.EIN BESSERES KONZEPT MUSS HER !!" Die Leute stehen immer mit Regenschirmen im Regen, sonst wird man nämlich nass. PS. Ihre Shift-Taste klemmt oder schreien sie etwa immer so? Außerdem sind multiple Satzzeichen ein Hinweis auf geistige Umnachtung laut einigen Experten.

JAKO
27. Februar 2020 - 10.47

Bessere Ueberdachungen fehlen auch auf der Place de l'étoile Luxembourg, und es sind in Spitzenstunden nicht genügend UNTERSTANDE GEBAUT WORDEN, DIE LEUTE STEHEN MEISTENS IM REGEN MIT IHREN REGENSCHIRMEN.EIN BESSERES KONZEPT MUSS HER !!

Gross
27. Februar 2020 - 9.03

Colmar-Berg Touristenzenter? Ech mengen do huet een de Fuerplang gecheckt an déi schlëmmstméiglechst Verbindungen eraus gesicht. Wann der mam Auto um 5 Auer vun der Stad op Iechternach fuert, da braucht der och annerhallef Stonn. Vu Schëffleng op de Kierchbierg braucht der eng hallef Stonn mam Zuch, dat packt kee mam Auto och net um 3 Auer Nuets.

Aloyse Rodesch
27. Februar 2020 - 8.49

Sehr lebendiger Artikel und trifft ins Schwarze.