LuxemburgGewollte Anerkennung, ein geheimes Abendessen: Wie Jean Asselborn bei der EU für Palästina wirbt

Luxemburg / Gewollte Anerkennung, ein geheimes Abendessen: Wie Jean Asselborn bei der EU für Palästina wirbt
Jean Asselborn am Montag vor dem Außenministertreffen in Brüssel: Am Abend zuvor hatte Luxemburgs Chefdiplomat acht europäische Amtskollegen zum informellen Abendessen gebeten – Gesprächsthema: die Anerkennung Palästinas durch die EU Foto: AFP/François Walschaerts

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Erst ein Abendessen im engeren Kreis, am Tag darauf dann das Außenministertreffen. Jean Asselborn lässt nicht locker in seinem Bemühen, die Europäische Union zu einer Anerkennung Palästinas zu bewegen. Es ist eine Politik der kleinen Schritte, die Aussichten auf Erfolg sind nicht vielversprechend, es sind Schritte über ein diplomatisches Minenfeld. Schritte, die auch in Israel nicht unbemerkt bleiben – und dort den diplomatischen Apparat in Bewegung setzen.

Sonntagabend, Brüssel, Luxemburgs Außenminister hat zum Abendessen eingeladen. Es soll um Palästina gehen, im nicht öffentlichen Rahmen. Asselborns Amtskollegen aus Belgien, Finnland, Irland, Malta, Spanien, Slowenien und Schweden sitzen mit am Tisch. Von dem Treffen, das eigentlich nicht öffentlich werden sollte, berichtet am Dienstagmorgen zuerst das Brüsseler Onlinemagazin EU Observer. Frankreichs Chefdiplomat Jean-Yves Le Drian war auch eingeladen, lehnte aber dankend ab, schreibt die linke französische Zeitung Humanité später. Dem Vernehmen nach ließ Le Drian sich von seinem Botschafter vertreten. Jean Asselborn wollte sich auf Tageblatt-Nachfrage hin nicht äußern zu dem Abendessen.

Das Thema des Abends, die Möglichkeiten einer Anerkennung Palästinas durch die Europäische Union, ist ein heikles – umso mehr seit US-Präsident Donald Trump Ende Januar seinen „Friedensplan“ vorgestellt hat. Dieser von Trump selbst „Deal des Jahrhunderts“ getaufte Plan bricht mit allem, was zuvor erreicht wurde bei den Versuchen, den Israel-Palästina-Konflikt beizulegen – und eine eindeutige europäische Reaktion steht bislang aus.

Ein Plan, den die EU so nicht akzeptieren kann

Zu Trumps Plan gehören: die Annektierung der bestehenden jüdischen Kolonien im Westjordanland und von Teilen des Jordantales an der Grenze zu Jordanien, Jerusalem als „ungeteilte“ Hauptstadt Israels, kein Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge. Womit ein jahrelanger Verstoß gegen internationales Recht legalisiert würde. Die Palästinenser bekämen im Gegenzug – und auch das ohne Gewähr – einen über Tunnel und Brücken verbundenen Flickenteppich rund um die jüdischen Siedlungen herum, ohne Recht auf eine Armee, ohne eigenen Luftraum und Flughafen, ohne Grenze zu Jordanien und damit zur arabischen Welt und der erträumten Kornkammer im Jordantal beraubt. Dazu eine Hauptstadt in einem Vorort im Osten Jerusalems.

Ein Plan, den die EU so eigentlich nicht akzeptieren kann, gilt doch weiterhin die Zwei-Staaten-Lösung als Ziel ihrer diplomatischen Bemühungen für den Nahen Osten. Der EU zufolge unterhöhlen alle israelischen Siedlungs-Aktivitäten die Tragfähigkeit einer Zwei-Staaten-Lösung und damit die Perspektiven für einen dauerhaften Frieden. Auch der UN-Sicherheitsrat hat im Dezember 2016 betont, dass die Weltgemeinschaft eine Zwei-Staaten-Lösung will.

Nervosität in Israel

Am Montag nun, beim Rat für Europäische Angelegenheiten in Brüssel, sprach der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell die israelisch-palästinensische Frage an. Nach einer Intervention Asselborns habe man sich dann einstimmig geeinigt, die Frage als regulären Punkt beim nächsten Ratstreffen im März auf die Tagesordnung zu setzen – und damit beschlussfähig zu machen. Ein Anlauf, den Jean Asselborn bereits zu Beginn des Jahres genommen hatte, indem er Josep Borrell und seinen europäischen Amtskollegen einen Brief zukommen ließ mit dem Appell, die Situation in Israel und den palästinensischen Gebieten wieder auf die politische Tagesordnung Europas zu heben.

Israel sei wegen des Briefes „sehr besorgt“ gewesen, schrieb damals der israelische Journalist Barak Ravid auf dem amerikanischen News-Portal Axios. Das scheint weiterhin der Fall zu sein. Die israelische Zeitung Haaretz berichtete, Israel habe den Ländern, die Asselborns Initiative unterstützen, Botschaften übermittelt, dass „dies nicht die Zeit für die einseitige Anerkennung eines palästinensischen Staates ist“, weil dies „eine Möglichkeit direkter Verhandlungen zwischen den Seiten für ein dauerhaftes Abkommen“ verhindern würde. Israel versuche nun, die Europäer davon zu überzeugen, der amerikanischen Friedensinitiative eine Chance zu geben. Die israelischen Botschafter in Europa seien demnach aufgefordert worden, Druck auf die Außenministerien der Länder auszuüben, in die sie entsandt sind, damit diese den Plan nicht gänzlich ablehnen oder ihn zu scharf kritisieren.

Obwohl es einzelne EU-Mitgliedstaaten gibt, die den palästinensischen Staat anerkennen, hat die Europäische Union als Ganzes dies bislang nicht getan. Die Frage des palästinensischen Staates soll durch Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern im Hinblick auf eine Zwei-Staaten-Lösung gelöst werden, heißt es in Brüssel. Von den einzelnen EU-Staaten hat Schweden den Palästinenserstaat 2014 anerkannt, auch Malta unterhält diplomatische Beziehungen. Zypern, das 2004 der EU beitrat, erkannte Palästina 1988 an, ist aber aufgrund der inzwischen engen Beziehungen zu Israel nicht Teil der aktuellen Initiative. Die Tschechische Republik, die Slowakei, Bulgarien, Ungarn und Rumänien haben Palästina zwar anerkannt, allerdings noch zu Zeiten des Eisernen Vorhangs.

Reaktion erst nach neuen Fakten?

Im März, bei ihrem nächsten Treffen, werden die EU-Außenminister an einer gemeinsamen Position feilen, um Trumps Friedensplan etwas entgegensetzen zu können. Dass es dann bereits zur Willenserklärung einer Anerkennung kommt, gilt als äußerst unwahrscheinlich. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag berät zurzeit darüber, ob er sich zuständig sieht für Menschenrechtsverletzungen durch Israel, falls diese in den palästinensischen Gebieten geschehen. Vergangene Woche haben Deutschland, Österreich, Tschechien und Ungarn sogenannte Amicus-Briefe nach Den Haag geschickt. In diesen Rechtsgutachten sprechen sie dem Internationalen Strafgerichtshof genau diese Zuständigkeit ab – schließlich erfülle Palästina nicht alle Bedingungen, um als unabhängiger Staat anerkannt zu sein.

Wahrscheinlicher ist, wie der EU Observer einen Diplomaten zitiert, dass die Anerkennung Palästinas durch die EU der Regierung in Israel als eine von mehreren möglichen europäischen Reaktionen angedroht wird, sollte es zu den angekündigten Annektierungen kommen. Bleibt die Frage, ob bis dahin nicht bereits neue Fakten geschaffen sind. Das israelische Wohnbauministerium kündigte am Dienstag den Bau Tausender neuer Siedlungen an, im Osten Jerusalems, auf den Palästinensern zugestandenem Gebiet. Das würde internationalem Recht ebenso zuwiderlaufen wie alle bisher geschlossenen Abkommen – und sogar dem von Trump vorgeschlagenen „Deal des Jahrhunderts“, der diesen Landstrich den Palästinensern zuspricht.

Paula
21. Februar 2020 - 19.52

@pass op, Jang Bester Kommentar. Es würde mich interessieren, wie lange es dauern würde, bis die ersten Palästinenser versuchen würden den failed state zu verlassen um wieder nach Israel zu ziehen.

BillieTH
21. Februar 2020 - 3.43

et qu’est-ce que ca apporte pour le Luxembourg ?

Nomi
20. Februar 2020 - 13.43

Den Palestina-Israel Konflikt ass awer 5 Nummeren ze gro'uss fir eisen Star vun Stone away !

Pass op, Jang
20. Februar 2020 - 11.37

Falls die Palästinenser wegen Herrn Asselborns unermüdlichem (und wohl wirklich gut gemeintem) Einsatz tatsächlich einen eigenen, unabhängigen Staat bekommen sollten, wird er sich zumindest bei deren derzeitiger Führungsschicht sehr unbeliebt machen. Die hat nämlich nicht das geringste Interesse daran, all das schöne Geld aus der ganzen Welt, das bisher problemlos für Waffen, Milizen, Luxusvillen und attraktive Renten für die Hinterbliebenen von Selbstmordattentätern zweckentfremdet werden kann, künftig für öde Aufgaben wie das Organisieren eines funktionierenden Gemeinwesens, einer Verwaltung, eines sozialen Netzes, einer Zivilgesellschaft, kurz: für Aufbau und Routine eines echten Staates, zu verwenden. Funktionäre und Technokraten des "Befreiungskampfes", die ein Leben lang medial inszenierten Hass und Gewalt als rentablen Selbstzweck verinnerlicht haben, sind für Triviales wie den Aufbau einer Müllabfuhr vermutlich nicht zu begeistern. Palästina wäre folglich ein vorprogrammierter "failed state", mit dem niemand glücklich sein könnte. Die radikalisierte Führungsschicht nicht, weil sie auf einmal liefern müsste, anstatt immer nur als Opfer des "zionistischen Terroregimes" zu posieren und Paraden von 5-jährigen Knirpsen mit Tarnanzug und Bombenattrappen abzunehmen; die palästinensische Bevölkerung nicht, weil in ihrem neuen Staat noch weniger funktionieren würde als bisher, und dies nunmehr auch noch ohne Israel als ewige Ausrede und Sündenbock. Und die Israelis nicht, weil die erste Amtshandlung der neuen palästinenschen Regierung in einer offiziellen Kriegserklärung an Israel bestehen dürfte. Aber vielleicht würde ja wenigstens das mit dem Anruf aus Stockholm in Steinfort klappen...

Epikur
20. Februar 2020 - 9.24

Der Konflikt ist ein Minenfeld, Kommentare ebenfalls. Je nach Argumentationsrichtung ist man Antisemit oder Palästinenserfeind.

J.Scholer
20. Februar 2020 - 8.23

@monique: Die Palästinenserfrage wurde oft thematisiert, doch leider wird die EU und Herr Asselborn ( trotz seines löblichen Einsatzes) nur eine Statistenrolle spielen. Einzig alleine werden die USA, Israel tonangebend sein , die „ Arabische Welt“ sich dem Diktat beugen müssen, Russland nur bedingt Einfluss machen, können.Am Nein der USA, Israel scheitert das Palästinaproblem, hinzu kommen noch unüberwindbare Religionsansichten fundamentaler Juden, Muslime.Schon in den dreißiger Jahren versuchten fortschrittliche Juden, Araber in der Vereinigung Brit Shalom dem friedlichen Zusammenleben eine Zukunft zugeben, leider fruchtlos. Zionismus, arabische Religionssturheit und Denken liessen die Vorsätze scheitern und seit 1930,wir schreiben das Jahr 2020, haben sich die Probleme dieser Krisenregion akkumuliert , diesen „ Gordischen Knoten“ zu lösen scheint mir durch die vielen Interessen-, wie Religionskonflikte unmöglich.

Joao Gomes
20. Februar 2020 - 3.27

Ziemlich komisch: Man soll also einen Artikel gleich kommentieren, obwohl man nur noch 5 Zeilen davon lesen durfte! Das ist weltrekordverdächtig - leider...