EditorialTürkei und Ägypten in Libyen: Der nächste Krieg droht

Editorial / Türkei und Ägypten in Libyen: Der nächste Krieg droht
Der Konflikt in Libyen zwischen dem Osten und dem Westen des Landes droht sich zu einem regionalen Krieg zu entwickeln Foto: AFP/Mahmud Turkia

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Alles lief wie erwartet. Das Parlament stellte sich nicht dem Antrag der Regierung und so auch nicht dem Wunsch des Präsidenten entgegen. Seit Donnerstag können türkische Soldaten in den Kriegseinsatz nach Libyen geschickt werden. Die Türkei unterstützt die international anerkannte Regierung in Tripolis schon länger. Ein offizieller Kampfeinsatz aber könnte die ganze Region in einen offenen regionalen Konflikt stürzen.

Acht Jahre nach dem Sturz Gaddafis versinkt Libyen weiter im Chaos. Die offizielle anerkannte Regierung von Ministerpräsident Sarradsch sitzt in Tripolis, wird von zum Teil islamistischen Milizen verteidigt (und gelenkt). Verteidigt werden muss sie gegen die Truppen des Generals Haftar, die seit Monaten mit ihrer Offensive vor der Stadt feststecken. Es ist ein Kampf um die Macht zwischen dem Osten und dem Westen des rohstoffgesegneten Wüstenstaates. Seit Jahren liefern sich auch regionale Mächte entlang Libyens regionalen Sollbruchstellen einen Stellvertreterkrieg. Dieser droht sich jetzt zur direkten militärischen Konfrontation zwischen der Türkei und Ägypten auszuwachsen.

Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien (sowie Frankreich und Russland) unterstützen in dem Konflikt Haftars Armee und damit den Osten. Vor allem die Türkei, aber auch Katar stehen hinter der von den Vereinten Nationen anerkannten, aber weitgehend machtlosen Regierung Sarradschs im Westen des Landes (die Regierung, der die Europäische Union die Abriegelung ihrer Außengrenze fürstlich entlohnt). Besonders Ägypten und die Türkei haben in Libyen eigene sicherheits- beziehungsweise wirtschaftspolitische Interessen. Diese stehen sich derart unvereinbar gegenüber, dass beide Seiten sich kaum einen Rückzieher leisten können.

Ägypten verfolgt mit der Unterstützung Haftars eigene Sicherheitsinteressen. An Ägyptens Grenze soll kein Rückzugsgebiet für Dschihadisten entstehen. Ägyptens Präsident Al-Sisi sieht Erdogans Türkei als Unterstützer der Muslimbrüder, die wiederum Kairos innenpolitischer Erzfeind sind. Würde Haftars Libyan National Army zerbrechen, wäre ein Bürgerkrieg im Osten Libyens und damit an der Grenze zu Ägypten eine mögliche Folge – und dem hochmodernen Waffenarsenal einer Armee wie der türkischen haben Haftars Truppen kaum etwas entgegenzusetzen. Ohne ein direktes ägyptisches Eingreifen wären sie ohne Chance.

Die Türkei hat in Libyen ein massives strategisches Interesse. Vor allem im Raum der westlichen Hafenstadt Misrata leben bis zu 800.000 Nachfahren von Soldaten aus Zeiten des Osmanischen Reiches. Diese sehen sich zum Teil ebenso als Türken, wie sie von Ankara als eigene Staatsbürger wahrgenommen werden. Noch wichtiger sind die finanziellen Interessen. Für die Türkei, selber in wirtschaftlichen Turbulenzen, ist Libyen ein Hoffnungsmarkt – wegen der libyschen Öl- und Gasvorkommen, wegen des Wiederaufbaus, wegen künftiger Rüstungsexporte. Dazu gilt es, jahrzehntealte Investitionen zu schützen.

Dem türkischen Militär könnte nach dem Einmarsch in Syrien bald der nächste Auslandseinsatz bevorstehen. Erdogan pokert hoch. Doch wegen der unterschiedlichen Interessen Frankreichs und Italiens in dem Konflikt bleibt die EU weitgehend machtlos. Trumps USA befinden sich im Wahljahr und sind vom Konflikt mit dem Iran, der im Irak zu eskalieren droht, ausreichend belastet. In Libyen droht der nächste Krieg.

de bouferpapp
4. Januar 2020 - 17.52

Corr. Genau wie Trump ( der Tumbe )…….

de bouferpapp
4. Januar 2020 - 17.51

Geschichte hin, Geschichte her. Das ist eine Erklärung für das, was heute in der Region stattfindet. Man muss sich mit der Gegenwart beschäftigen und dann wird einem angst und bange vor der Zukunft. Genau wie Tump im Iran, spielt Erdogan, sein Verbündeter im Geiste, in Libyen mit dem Feuer. Beide , kranke Gehirne, setzen alles aufs Spiel um sich an der Macht zu halten, inklusive und vor allem den Weltfrieden, falls es einen solchen noch gibt. Beide sind Kriegstreiber!

renecyberdoc
4. Januar 2020 - 15.52

@J.Scholer .op de punkt bruecht.gudd rechercheiert.(oder geleiert bravo)

J.Scholer
4. Januar 2020 - 11.58

Wer sich mit der Geschichte des Orient befasst, kommt am Osmanischen Reich vorbei und wird Parallelen ziehen zur Politik Erdogans. Die europäische Politik verschliesst die Augen und lässt den Despoten gewähren, hält ihn immer noch würdig den europäischen Idealen gerecht zu werden. Leider hat unsere Politik die europäischen Ideale arg in Leidenschaft gezogen, längst den Pfad der Gründerväter verlassen und die Zwischenrufe diesbezüglich eines Herrn Erdogans sind nicht von der Hand zu weisen.Auch wenn nun viele Politiker , sogenannte fortschrittliche Mitmenschen dies durch den Kakao ziehen werden , der Orient wird immer mehr zum Kriegsplatz der Religionen zwischen den Sunniten, den Schiiten, dem Einfluss des Islams, seiner Ausweitung auf die Welt und dem Machtkampf der Kultur , Weltanschauung zwischen Abend- , Morgenland.Wir Europäer sind augenblicklich in Reichweite iranischer Raketen, haben uns einem Deal betreffend der Flüchtlinge , des Natobündnisses mit der Türkei ausgeliefert und eigentliche Verbündete in dieser Pufferzone von Gewalt und Krieg , den Staat Israel mit Einfuhrbeschränkungen, Kennzeichnungen von Produkten , Einfuhrbeschränkungen, Fingerzeigen belegt.Besondere Anlässe fordern auch besondere Gegenmassnahmen und leider passt dies nicht immer in ein humanistisches Umfeld, doch angesichts der eminenten Bedrohung Europas durch die Ausläufer eines Krieges im Nahen Osten scheint mir ein Umdenken angesagt. Wenn man sich mit der Denkweise , der Kultur,Geschichte ,Lebensweise des Orientalen auseinandersetzt, kommt man schnell zur Ansicht , dass das für uns selbstverständliche Miteinandersprechen, Miteinanderverhandelen anderen Dimensionen entspricht und Stolz und Kultur, Hemmnis sind.