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EditorialDubai und Bananen: Über zwei Formen der Aktionskunst

Editorial / Dubai und Bananen: Über zwei Formen der Aktionskunst
 Foto: Editpress/Isabella Finzi

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Es gibt zwei Arten von Aktionskunst: die politische und die sinnlose. In den vergangenen Tagen konnte man von beiden ein Beispiel beobachten. Vor genau einer Woche schlenderte Aktionskünstler David Datuna über die Kunstmesse Art Basel in Miami, entfernte eine mit Klebeband an einer Wand befestigte Banane und begann, diese in aller Ruhe zu verspeisen. Die Banane und das Klebeband waren die (einzigen) Bestandteile einer Kunstinstallation des italienischen Künstlers Maurizio Cattelan, die am Vortag für 120.000 Dollar verkauft worden war.

Philosoph Nelson Goodman meinte, dass man heute nicht mehr der Frage nachgehen solle, was Kunst ist – relevant sei in der zeitgenössischen Kunst viel eher, wo Kunst ist. Damit die Banane zur Kunst wird, braucht es die institutionelle Bescheinigung eines Museums und den fast religiösen Taufakt des Künstlers, der hier nicht Wasser zu Wein, sondern die Banane zur Kunstinstallation erhebt. Das Verschlingen der Banane entspricht in diesem Kontext einem Wandlungsakt, der seit Duchamp im Zentrum einer gewissen Avantgarde steht.

Wirklich kritisch war die Performance jedoch nicht, weil Aktionskünstler Datuna wissen musste, dass der Käufer bloß ein Authentizitäts-Zertifikat und damit die Rechte auf die Idee erworben hatte. Kurz: Mit dem Vertilgen der Banane wurde das Kunstwerk nicht zerstört, eine neue Banane wurde an die Wand geklebt, das Werk so wiederhergestellt. Somit wurde die mögliche Kritik an der Neoliberalisierung des Kunstmilieus durch die Gesetze des Kunstmarktes zunichtegemacht. Die Performance spiegelte lediglich ein Kunstmilieu wider, das sich mithilfe der avantgardistischen Reproduktion immer gleicher Symbole – die Banane ist spätestens seit Andy Warhol zum semantischen Kernelement zeitgenössischer Kunst geworden – selbst auf die Schulter klopft.

Drei Tage später, am frühen Dienstagmorgen, stand eine von Sand umgebene weiße Betonstele, auf der eine Möbiusschleife thronte, vor den Türen des Kulturministeriums. Am Dienstag war internationaler Tag der Menschenrechte, das Kollektiv Richtung22, das den Rückzug der luxemburgischen Kulturbranche und des Kulturministeriums von der Ausstellung in Dubai fordert, wollte so daran erinnern, dass ein Mitwirken an der Weltausstellung im kommenden Jahr einer unreflektierten Unterstützung eines Staates, der die Menschenrechte mit den Füßen trete, gleichkomme.

Hier geht es nicht um narzisstische Insider-Gags, sondern um konkrete politische Forderungen: Richtung22 wirft der Regierung vor, aus wirtschaftlichen Interessen an der Weltausstellung teilzunehmen, und prangert die Scheinheiligkeit der luxemburgischen Künstler an, die aus Anerkennungssucht nach Dubai gehen und ihr schlechtes Gewissen beruhigen, indem sie vorgeben, dort ein kritisches Kunstwerk auszustellen. Die Möbiusschleife soll die Selbstbezogenheit eines Diskurses, der sich im Kreis dreht und die politischen Realitäten leugnet, darstellen.

Was beiden Aktionen (leider) gemein ist, ist ihre Sinnlosigkeit. Indem Kulturministerin Sam Tanson („déi gréng“) das Werk ins Kulturministerium schleppen ließ und mitteilte, man würde es dort errichten, damit die Angestellten des Ministeriums sich daran erinnern, dass man in Dubai mithilfe von Kultur gegen Menschenrechtsverletzungen vorgehen wolle, gelang ihr ein politisch cleverer Schachzug. Streift man aber einmal die rhetorischen Hüllen und Zitate ab, bleibt die nackte Wahrheit: Das Monument wurde aus dem Verkehr gezogen, die subversive Natur des Werkes entschärft – so wie Cattelans Banane wird das Monument nun in den Gedärmen des Ministeriums verdaut und unschädlich gemacht.

MarcL
17. Dezember 2019 - 12.22

Nicht auszudenken was passiert wäre wenn Richtung22 die aktuelle Kulturpolitik in Dubai als angeklebte Banane dargestellt hätte und diese nach Überweisung von 120.000 Dollar öffentlich verspeist hätte. Sam Tanson wäre nur das Zertifikat geblieben oder man hätte halt für eine neue Banane sorgen müssen.