ForumEine Parodie von Demokratie – Gedanken zu gesellschaftlichen Eliten (Teil 2)

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Wir hatten in einem ersten, vom US-Historiker Christopher Lasch inspirierten Gedankengang über gesellschaftliche Eliten die Entwicklung vom Geburtsadel, der – man nehme nur die Benelux-Staaten – sich in modernen Volksherrschaften bestens zu halten scheint, bis hin zur industriellen Begabungsaristokratie unter die Lupe genommen, deren Protagonisten die Demokratien eher zur Parodie werden lassen.

Von Carlo Kass

Mit zunehmender Säkularisierung und Industrialisierung seit der Schleifung der Luxemburger Festung (1867) wurde die Bestimmung und Förderung der „Besten und Klügsten“ zum meritokratischen Ideal, das bereits die höfische Erbfolge der römischen Kaiser von Trajan über Hadrian bis Mark Aurel im 2. Jahrhundert bestimmte. Dieses Auswahlkriterium gaukelt aber nur Chancengleichheit vor.

Denn nach dem seit Römerzeiten erweiterten Gleichheitsprinzip sind solche „Aufstiegschancen“ laut dem englischen Ökonomiehistoriker Richard H. Tawney „kein Ersatz für die allgemeine Verbreitung zivilisatorischer Möglichkeiten oder die Würde und Kultur, derer alle bedürfen, ob sie nun aufsteigen oder nicht“. Diese kontrollierte Talentförderung nimmt viel eher die Eliten aus der Verantwortung.

Eliten werden nicht in die Pflicht genommen – im Gegenteil

Denn im Gegensatz zum hinduistischen Kastensystem in Indien untergräbt soziale Mobilität die Macht von Eliten keineswegs. Sie trägt eher dazu bei, ihr Gewissen zu beruhigen – wenn das denn kein Fremdwort für sie ist!? – und festigt ihren Einfluss, indem sie die Illusion fördert, der Erfolg beruhe ausschließlich auf dem Verdienst des „Auserwählten“ – der aber nur selten ihren Privatklubs angehört.

Laut dem schon erwähnten Lasch erhöht diese selbstgefällige Förderung der Mobilität von unten nach oben „lediglich die Wahrscheinlichkeit, dass die Eliten noch unverantwortlicher mit Macht umgehen, nicht zuletzt eben deshalb, weil sie so wenige Verpflichtungen anerkennen, sei es gegenüber ihren Vorgängern oder auch nur gegenüber den Gemeinschaften, deren Führung sie beanspruchen“.

Tödliche Macht

Und Macht ohne Verantwortung, das lehrt die Geschichte seit Jahrtausenden, endet absolut tödlich. Und das, jedenfalls seit keine Herrscher mehr vor ihren Heeren ziehen (Herzog), meistens für die unteren Schichten der Gemeinschaften! Lasch meint zu Recht, dass ihr Mangel an Empathie für das einfache Volk die meritokratischen Eliten disqualifiziert, an dessen Beherrschung überhaupt zu denken.

Doch ist diese Selfie-Aristokratie des digitalen Internetjetsets weniger daran interessiert, die Bürde der Führung zu übernehmen, als dem Los der analogen Allgemeinheit zu entgehen. Ihr Mangel an Dankbarkeit gegenüber den Systemen, die sie hervorbrachten, ist auch, oder besonders in gottlosen Zeiten, einfach himmelschreiend. Doch dürfte dies die genaue Erklärung des meritokratischen Erfolges seit 1870 sein.

Intelligenzverschiebung zwischen den Klassen

Warum 1870? Nun, die innere Logik im Wandel vom „Geburtsadel zur Begabungsaristokratie“ wurde 1959 im Roman „The Rise of the Meritocracy 1870-2033“ des britischen Autors Michael Young rigoros aufgedeckt. Sein anno 2033 schreibender Ich-Erzähler und Historiker dokumentiert den „fundamentalen Wandel“ in diesen 163 Jahren, der zu einer Intelligenzverschiebung zwischen den Klassen führte.

Laut seinem Autor „haben die Begabten die Chance erhalten, zu jenem Niveau aufzusteigen, das ihren Fähigkeiten entspricht; die Unterklassen sind folgerichtig für jene reserviert, die auch in ihren Fähigkeiten tiefer stehen“. Ein System eben, das „den Klugen nicht länger abverlangte, sich mit den Dummen abzugeben“, wodurch der faire gesellschaftliche Zusammenhalt noch auf lange Zeit gefährdet sein wird.

Verachtung für manuelle Arbeit

„Der Übergang der Industrie zu Intelligenztests, die Abschaffung des Senioritätsprinzips und der wachsende Einfluss des Schulbetriebs zulasten der Familie“, waren Lasch dabei besonders ein Dorn im Auge. Er beleuchtet mit „Youngs phantasievoller Projektion“ Trends in den USA der Jahrtausendwende, in denen ein vermeintlich demokratisches System der Elitenrekrutierung undemokratische Ergebnisse zeitigte.

Das System führe „zur Segregation sozialer Schichten, zur Verachtung für manuelle Arbeit, zum Zusammenbruch des öffentlichen Schulwesens und zum Verlust einer gemeinschaftlichen Kultur. Laut Young hat die Meritokratie zur Folge, dass Eliten ihrer Privilegien sicherer denn je sein können. Vorrechte, die nun als angemessene Belohnung für beruflichen Einsatz und Intelligenz betrachtet werden.“

Elite, die nach Bildungsnachweisen lechzt

Derweil wird die Opposition der arbeitenden Klassen auf null geschaltet: „Der beste Weg, Widerstand auszuschalten“, bemerkt Youngs Romanfigur, „besteht darin, sich die besten Kinder der unteren Schichten zu holen und zu erziehen, solange sie noch formbar sind“. Die, welche zurückgelassen werden, wissen, dass „sie jede Chance hatten und kein Recht haben, sich über ihr Schicksal zu beklagen“.

Als habe er die Kirchen vergessen, meint der Autor: „Erstmals in der Geschichte steht für die Unteren keine Rückzugsmöglichkeit zur Rettung ihrer Selbstachtung bereit.“ Laut ihm übertreibt die Meritokratie deshalb ihre Beschäftigung mit dem verlorenen Selbstwertgefühl, dies um die Abgewiesenen zu trösten, ohne dem Rekrutierungsterror der Elite, die nach Bildungsnachweisen lechzt, überhaupt Rechnung zu tragen.

„Eine Reihe rechtspopulistischer Höhlenbewohner“

Laut Lasch bekam genau dieses meritokratische Establishment nach weitgehend übereinstimmenden Pressestimmen schon am 8. November 1994 vom amerikanischen Volk eine Abmahnung, als es zum ersten Mal seit 40 Jahren eine republikanische, also eine konservative bis reaktionäre Mehrheit, darunter „eine Reihe rechtspopulistischer Höhlenbewohner“, in beide Häuser des US-Kongresses wählte.

Traurig stimmte es ihn vor allem, dass zwei von drei wahlberechtigten Bürgern, darunter fast der ganze afroamerikanische Bevölkerungsanteil, ihre Partizipation an diesem „Clinton-Referendum“ aus generellen „Anti-Establishment“-Motiven verweigert hatten, was rechtsextreme Troglodyten zu ihren Hetzkampagnen nutzen sollten, die unter anderem George W. Bush und speziell Donald Trump ins Weiße Haus spülten.

Obsolete Imperien

Und man kann nicht behaupten, dass dieser ewig gestrige Kelch am alten Kontinent vorbeiging, der sich neben dem „Brexit-No-Deal“ auch noch mit den Potentaten der Visegrád-Staaten auseinandersetzen muss. Eine völlig überflüssige Zerreißprobe für das fast schon utopische EU-Modell, die in Zeiten, in denen immer mehr vom Nationalprodukt in den Taschen ausländischer Investoren landet, besonders schmerzlich ist.

Doch auch die Trumps und Johnsons dieser Welt sollten aufpassen, dass sie ihre senilen Imperien nicht gegen die Wand fahren. Denn sogar der stramm rechte amerikanische Politexperte Walter R. Mead scheint in seiner Studie „Tödliche Pracht“ über das niedergehende US-Imperium erkannt zu haben, dass eine in unkontrollierten Demokratien auf Kosten der Mittelklasse grasende Oligarchie den Untergang nur beschleunigt.

Vom Geburtsadel zur Begabungsaristokratie: Gedanken zu gesellschaftlichen Eliten (Teil 1)

jane
21. August 2019 - 19.50

Was bleibt uns sonst anders übrig? Keine schlechte Idee!

Laird Glenmore
20. August 2019 - 17.15

Also was ist die Lösung : wir kaufen uns eine eigene Insel und gründen unseren eigenen Staat.

Müller jemp
19. August 2019 - 23.08

Genau, das ist das Problem: Macht und Gier des Menschen ! Die Demokratie ist, in der Theorie die beste, in der Praxis die wenigste schlechte aller Staatsformen.

Laird Glenmore
18. August 2019 - 13.03

eng richteg Demokratie get et net mé Den richtigen Kommunismus auch nicht der laut Karl Marx alle auf eine Stufe stellen sollten wo alle gleich Reich oder Arm sind, keine Klassen wirtschaft wenn dem so wäre dürfte das Russische Volk teilweise nicht so arm sein und Vladimir Putin ( 200 Milliarden US Dollar ) so reich, der denkt mit Sicherheit nicht an teilen oder zum Wohle des Volkes, der lebt wenn er nicht gerade im Kreml ist in seinem 2 Milliarden $ Palast auf der Halbinsel an der litauischen Grenze die ihm auch gehört. Egal ob Demokraten, Republikaner oder Kommunisten sobald man an der Macht ist sitzt das eigene Hemd näher als alles andere. Auch hier macht die GIER keine Unterschied.

trotinette josy
17. August 2019 - 10.48

Die meisten Menschen gehen den Rattenfängern in die Falle, weil sie nicht eigenständig denken können, weil sie keine eigene Meinung haben, sich nicht informieren , weil zu bequem oder obrigkeitshörig. Es fehlt ihnen an Unterscheidungsvermögen. Das beste und abschreckendste Beispiel von Rattenfänger dürfte wohl der US Präsident sein. Wir leben im Zeitalter der Fehlinformationen, der fake news.

titi
17. August 2019 - 10.41

Vielen Menschen der älteren Generation wurde nicht beigebracht eigenständig zu denken, weder zuhause noch in der Schule. Und heute, ist Denken überhaupt nicht mehr angesagt, das wird dem Roboter oder Computer überlassen. Das kommt den oberen Zehntausend nur zupass, sie haben allen Grund die Bevölkerung dumm und hörig zu halten.

Laird Glenmore
14. August 2019 - 13.25

den Rattenfängern auch noch huldigen. Das liegt aber auch daran das manche Menschen Angst haben Entscheidungen zu treffen und da viele damit nicht klar kommen suchen se sich einen Leithammel, diese Menschen sind zu bedauern weil sie keine eigene Meinung haben sondern den anderen immer Recht geben und ihnen nach dem Mund plappern, der Mensch ist eben ein Herdentier und die, die das erkannt haben nutzen das schändlich aus.

jeff
14. August 2019 - 12.27

eng richteg Demokratie get et net méi...(oder ass et jeemols eng gin?) Soubal eppes vun Mnschen verwalt get,geht et nemmen em Macht a Geld....

Grober J-P.
14. August 2019 - 10.38

Man lese mal was der kleine Mann in Johnsons Ohr, Dominic Cummings, darüber philosophiert hat. Mit Demokratie hat das überhaupt nichts zu tun. Das wird immer weiter zur modernen Sklaverei ausarten. Mad Max ist nicht mehr weit. Der Mensch ist halt leidensfähig oder was soll man denken wenn man sieht wie manche den Rattenfängern auch noch huldigen.

Laird Glenmore
13. August 2019 - 16.45

Wenn man genug Investiert ( Zeit und Geld ), kann man aus jedem Menschen eine Führungsperson machen, bei dem einen dauert es manchmal länger als bei anderen, keiner wird dumm geboren es ist das Umfeld indem man hinein geboren wird und der spätere Umgang. Kinder egal ob Jungen oder Mädchen werden im heranwachsenden Alter von den Eltern, den Großeltern und den Lehrern für das Leben geformt. In der heutigen Zeit wo in den meisten Fällen beide Elternteile arbeiten müssen um über die Runden zu kommen sind die heranwachsenden jugendlichen im Regelfall auf sich alleine gestellt, kommen schnell zu falschen Freunden und schon ist der negative Weg geebnet, wer wächst denn heute noch wohlbehütet auf !! Natürlich können aber auch Kinder der Elite auf die schiefe Bahn geraten indem die Eltern alles tun um ihre Lieblinge zu beschützen was auf der einen Seite richtig ist, aber im Falle von Fehlverhalten dazu führt das diese Kinder meine sie könnten sich alles Erlauben Papa wird´s schon richten, ich denke das im Falle D. Trump´s auch so agiert wurde, denn dieser Mensch hat ja vor nichts Respekt er ist einfach nur ein verzogenes Ekel.